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Wirtschaft: Middelhoff übernimmt Chefposten bei Karstadt

Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende will an der Spitze des Handelskonzerns den Sanierungskurs konsequent vorantreiben

Berlin - Thomas Middelhoff hat am Donnerstag den Vorstandsvorsitz bei Karstadt-Quelle übernommen und gleichzeitig sein Amt als Aufsichtsratschef des Essener Handelskonzerns niedergelegt. Er trete den Posten in einer Notsituation an, sagte Middelhoff am Donnerstag in Düsseldorf. Die Großaktionärin Madeleine Schickedanz habe ihn darum gebeten. Er wolle die Sanierung des Konzerns konsequent vorantreiben, sagte Middelhoff.

Dazu sollen die Aktiengesellschaften unterhalb der Holdingstruktur – also die Karstadt Warenhaus AG, die Versandhäuser Quelle und Neckermann sowie das Reiseunternehmen Thomas Cook – aufgelöst und in GmbHs umgewandelt werden. Das würde die Planungs- und Abstimmungsprozesse vereinfachen. „Das könnte der Abschied vom Großkonzern sein“, hieß es in Analystenkreisen. Middelhoff betonte jedoch, es gehe nicht um die Zerschlagung des Unternehmens.

Was treibt einen wie Middelhoff, einst Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Bertelsmann und bis heute Europachef der Private-Equity-Gesellschaft Investcorp in London, zurück ins operative Geschäft? An die Spitze eines Konzerns, der trotz radikaler Sanierung Umsatz verliert und das Paradebeispiel für die Krise im deutschen Einzelhandel ist?

„Natürlich kommt er als Retter, aber ganz sicher auch, um es seinen Kritikern noch einmal zu zeigen“, sagte ein Analyst einer großen deutschen Bank. Middelhoff sei ein Finanzstratege, einer der mit Banken und Investoren verhandeln kann. Aber Middelhoff ist keiner, der das Einzelhandelsgeschäft kennt. Doch genau diese Eigenschaft sollte der neue Vorstandschef mitbringen: Ein ausgewiesener Handelsexperte sollte er sein, ein Topmanager mit internationalen Erfahrungen. Das hatte Middelhoff selbst gesagt, nachdem der bisherige Vorstandschef Christoph Achenbach im April zurückgetreten war. „Es ist gut, dass die Personalsuche nun vorbei ist und klar ist, wer den Konzern führt“, sagte Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) dem Tagesspiegel. Doch sei Middelhoff nicht die Idealbesetzung, weil ihm die Erfahrung im Einzelhandel fehle.

Dass Achenbach gehen musste, daran habe vor allem Middelhoff mitgewirkt, heißt es in Konzernkreisen. „Vielleicht hat er da bereits den Plan verfolgt, selbst das Ruder zu übernehmen“, mutmaßt ein Branchenbeobachter. Middelhoff und Achenbach galten beide als Vertraute von Madeleine Schickedanz. Sie hatte Middelhoff als Sanierer in den Aufsichtsrat geholt und Achenbach galt als ihr Favorit für die Vorstandsspitze. Die beiden sollten als Team ein radikales Sanierungsprogramm umsetzen, Fachgeschäfte und Warenhäuser verkaufen, Beteiligungen abstoßen und tausende Stellen abbauen. Middelhoff selbst bezeichnete sich als Sparringspartner für den Vorstand.

Jetzt bestimmt er das Geschehen alleine. Er sei bereits beim Weggang Achenbachs von Schickedanz „dringlich gebeten“ worden, das Amt anzunehmen, habe da aber noch abgelehnt, sagte Middelhoff. „Es ist schon ein wenig skurril, dass ein Aufsichtsratschef in den Vorstand wechselt“, sagte Kurz vom DSW. Allerdings sei Middelhoff auch kein gewöhnlicher Aufsichtsratschef gewesen, sondern habe von vorneherein als eine Art Nebenvorstand agiert. Ein Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand innerhalb eines Konzerns ist selten. Meist handelt es sich dann um eine Übergangslösung, wenn eine schnelle Personalentscheidung in Krisenzeiten nötig ist. Etwa wie bei der Telekom, als Ron Sommer 2002 zurücktrat und Aufsichtsratschef Helmut Sihler übergangsweise den Vorstandsvorsitz übernahm. Middelhoff aber soll keine Übergangslösung sein, sein Vertrag läuft drei Jahre. „Mit ihm als Vorstandschef wird für Karstadt-Quelle das Szenario einer Zerschlagung des Konzerns wahrscheinlicher“, sagte Kurz. Der Versandhandel und das Warenhausgeschäft könnten getrennt werden, hieß es in Analystenkreisen. Middelhoff aber will von einer Zerschlagung des Konzerns nichts wissen. Die Börse reagierte verunsichert: Zeitweise stieg die Karstadt-Quelle-Aktie am Donnerstag um fünf Prozent, sackte dann aber auf das Vortagsniveau von 9,00 Euro ab.

Welche Strategie auch immer Middelhoff verfolgt, Madeleine Schickedanz scheint ihn zu unterstützen. Ein Indiz: In den vergangenen Wochen kaufte ihr Aktienpool fast zwölf Millionen KarstadtQuelle-Papiere und stockte ihre Anteile damit auf fast 48 Prozent auf.

Dagmar Rosenfeld

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