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Aus der Traum? Das Foto der Firma Lilium zeigt das Flugtaxi, das die Firma herstellen und ausliefern wollte. Foto: -/Lilium/dpa

© picture alliance/dpa/-

Nach Flugtaxi-Pleite: Warum es besser ist, wenn das Auto nie fliegen lernt

Flugtaxis benötigen drei- bis fünfmal soviel Energie wie E-Autos, führen zu mehr Verkehr und damit zu einem massiven Anstieg des Strom- und Ressourcenbedarfs. Sprich: Sie verkörpern alles, was niemand braucht.

Ein Gastbeitrag von Michael Kopatz

Stand:

Das Flugtaxi Start-up Lilium steht vor existenziellen Problemen, weil die Bundesregierung keine Bürgschaft übernehmen will. Einige finden das schlimm und halten die verweigerte Unterstützung für einen Fehler. Ich behaupte das Gegenteil und freue mich darüber.

Bin ich deswegen ein Feind innovativer Technologien? Nein. Aber ich lehne neue Technologien ab, die unseren wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Verschwendungsexzess befördern.

Das Flugtaxi konterkariert sämtliche Strategien für nachhaltige Mobilität. Wie so oft geht es auch beim Thema Verkehr nicht nur um technische Innovationen, sondern auch um soziale und kulturelle Innovationen. Oder anders gesagt, manchmal ist es besser, etwas zu lassen, als es zu machen. Und genau das ist hier der Fall.

Ich hoffe, dass Flugtaxis in den nächsten Jahrzehnten nie zum Normalfall werden. Denn das Flugtaxi benötigt drei- bis fünfmal soviel Energie wie ein E-Auto und führt zu mehr Verkehr und damit zu einem massiven Anstieg des Strom- und Ressourcenbedarfs. Flughäfen würden deutlich schneller erreichbar, und der Flugverkehr würde insgesamt noch schneller zunehmen als ohnehin schon.

Warum ist das so?

Je schneller man ist, desto weiter reist man

Der Kurzstreckenhelikopter führt zur Beschleunigung der Mobilität. Man kommt schneller von A nach B. Und das hat bisher immer zu verlängerten Reisedistanzen geführt. Die Menschen verwenden seit 100 Jahren einen relativ gleichbleibenden Teil ihres Tages in Mobilität, nämlich durchschnittlich 80 Minuten. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist.

Offenbar haben wir ein inneres Limit für maximale Pendeldistanzen, gleich ob es sich um eine Wasserträgerin in Afrika oder den Pendler in Ostwestfalen Lippe handelt.

Das heißt, wir sind heute so lange unterwegs wie zur Zeit der Postkutsche. Nur die Kilometer, die wir in derselben Zeit zurücklegen können, haben sich kontinuierlich verlängert.

Neue Straßen wurden meist mit dem Ziel gebaut, dass die Menschen schneller vorwärtskommen. Jede Umgehungsstraße hat zum Ergebnis, dass die Fahrzeiten sich verkürzen. Was zunächst vernünftig und praktisch klingt, führt allerdings nicht dazu, dass wir die frei gewordene Zeit für andere Dinge einsetzen.

Gesamtgesellschaftlich. Denn persönlich mag eine Zeitersparnis durchaus als Vorteil empfunden werden. Doch täglich treffen Menschen Mobilitätsentscheidungen auf Basis notwendiger Fahrtzeiten. Ob man den neuen Job annimmt, dorthin täglich pendelt, eine Zweitwohnung mietet oder umzieht, bestimmt maßgeblich die notwendige Fahrzeit.

Als ich ein Stellenangebot aus Marburg bekam, war klar: Dort muss ich hinziehen. Pendeln kommt nicht in Frage. Die Reisezeit beträgt vier Stunden mit der Bahn, drei Stunden mit dem Auto. Letzteres kommt für mich übrigens nicht in Frage. Fürs Autofahren fehlt mir die Zeit. Ich muss währende der Fahrt arbeiten können.

Anders gesagt, bei der Frage der Wahl des Arbeitsorts sind nicht die Kilometer entscheidend, sondern die Fahrzeit. Von Hannover nach Kassel kommt man mit dem ICE in einer sagenhaften Geschwindigkeit. Eine Stunde! Das hat einmal doppelt so lange gedauert. Finde ich auch toll, diesen Fortschritt. Ich weiß allerdings um die besagten Konsequenzen.

Gleichwohl ist mir eine Beschleunigung der Bahn, – das klingt im Moment lächerlich, aber auch das kam regelmäßig vor, etwa zwischen Köln und Frankfurt oder München und Berlin – welche dem Auto Konkurrenz macht, lieber als die Straßenneubaubeschleunigungsprojekte des Bundesverkehrsministers. Anders gesagt: Der Staat sollte, anstatt Flugtaxis, lieber die Bahn fördern.

Hiermit wage ich zwei Vorhersagen: Erstens: Man wird uns das Flugtaxi als besonders klimafreundliche Fortbewegungsmöglichkeit auch weiter schmackhaft machen wollen. Zweitens: Sobald es bezahlbar und verfügbar ist, werden wir es nutzen. Und zwar umso mehr, je günstiger das wird. Das wird sich einschleichen wie die Handynutzung.

Natürlich kann eines fernen Tages eine Zeit kommen, da grüner Strom im Überfluss vorhanden ist. Dann wäre auch der Energiefresser Flugtaxi kein Problem mehr. Bliebe nur noch die Frage, ob wir wollen, dass permanent Monsterdrohnen über unseren Köpfen schwirren und wildfremde Menschen uns von oben anglotzen können.

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