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„Wir müssen uns ehrlich machen“: Auch SPD-Abgeordnete lehnen sich gegen Aus für Verbrenner-Autos auf
Der EU-Plan, ab 2035 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, war zuletzt immer schärfer kritisiert worden, vor allem aus der Union. Aber auch bei den Sozialdemokraten wächst der Widerstand.
Stand:
In der Europäischen Union und in Deutschland wird über die Zukunft der Automobilwirtschaft gestritten. Hintergrund ist eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2023, die eine Senkung der Pkw-Emissionen um 100 Prozent vorsieht und damit faktisch das Aus für Verbrennungsmotoren bedeutet. Mehrere SPD-Abgeordnete stellen nun deren Verbot ab 2035 infrage.
„Wir müssen uns ehrlich machen: Die europäischen Ziele sind für die Automobilindustrie momentan in weiter Ferne“, sagte Esra Limbacher dem „Spiegel“. Limbacher ist Sprecher des „Seeheimer Kreises“, der konservativen Strömung in der SPD-Fraktion. „Wir brauchen hier mehr Flexibilität, mehr Pragmatismus bei Flottengrenzwerten und Strafzahlungen.“
Eine Volkspartei wie die SPD, die aus der Arbeiterschaft kommt, muss sich intensiv mit dieser Thematik und den Sorgen der Menschen auseinandersetzen.
Andreas Schwarz, SPD-Bundestagsabgeordneter
Die Automobil- und Zulieferindustrie sei zu wichtig, um sie mit ihren Herausforderungen alleinzulassen, sagte Limbacher weiter. „Einer glaubwürdigen Klimapolitik ist nicht geholfen, wenn modernste Werke bei uns schließen und im außereuropäischen Ausland unter schlechteren Standards produziert wird.“
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Niedersachsens Ministerpräsident Lies hält Verbot für unrealistisch
Auch der SPD-Abgeordnete Andreas Schwarz aus dem bayerischen Bamberg fordert mehr Flexibilität in der Debatte über das Verbrenner-Aus. „In meinem Wahlkreis befinden sich viele Zulieferbetriebe für den Automobilbereich. Hier werde ich immer wieder mit dem Wunsch nach Technologieoffenheit konfrontiert, weil der Staat nicht der bessere Ingenieur in Technikfragen ist“, sagte Schwarz dem Blatt.
Die Veränderungen in der Automobilindustrie beschäftigten viele Menschen im Land, erklärte Schwarz. „Eine Volkspartei wie die SPD, die aus der Arbeiterschaft kommt, muss sich intensiv mit dieser Thematik und den Sorgen der Menschen auseinandersetzen.“
Am Wochenende hatte bereits Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) sich gegen das geplante Verbrenner-Verbot ab 2035 ausgesprochen. Das Ziel, ab diesem Zeitpunkt nur noch reine Elektroautos zuzulassen, sei „leider unrealistisch“, heißt es in einem Papier des Regierungschefs, über das das Magazin „Politico“ zuerst berichtete. Verbrenner – insbesondere Plug-in-Hybride und Fahrzeuge mit sogenanntem Range-Extender – müssten auch nach 2035 zugelassen werden können.
Das Dokument mit dem Titel „Zukunftspakt Mobilität 2035 – mit neuem Realitätssinn zur klimaneutralen Mobilität“ wurde nach Angaben des Blattes in Abstimmung mit der saarländischen Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) erarbeitet.
SPD-Fraktionschef Miersch fordert Planungssicherheit
Zur Kontrolle des steigenden Anteils erneuerbarer Kraftstoffe schlägt Lies ein jährliches Monitoring vor. Zudem könne über die Mineralölsteuer eine Preissteuerung erfolgen. Auf europäischer Ebene fordert der SPD-Politiker eine gemeinsame deutsche Position, um das Aus für Verbrenner in der EU zu verhindern. Denkbar sei ein „Gleitpfad“ für die Flottengrenzwerte.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Matthias Miersch, hatte dagegen gerade in der Debatte zum Verbrenner-Verbot gesagt: „Was wir nicht gebrauchen können, ist Planungsunsicherheit.“ Die Emissionsziele im Verkehrssektor würden bereits jetzt verfehlt, was für Deutschland EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe bedeuten könne. Zudem sei „das Datum 2035 nicht von Himmel gefallen“, sondern füge sich ein in das System der deutschen und europäischen Klimaziele.
EU will CO₂-Grenzwerte schneller überprüfen
Die EU-Kommission hatte schon angekündigt, die eigentlich für kommendes Jahr geplante Überprüfung der CO₂-Grenzwerte für Autos ab 2035 um ein Jahr vorzuziehen, und kommt damit der Autobranche entgegen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte nach dem dritten Strategischen Dialog mit Spitzenvertretern der Autobranche, die EU-Kommission habe den Anliegen der Branche zugehört und Flexibilität eingeräumt.
„Wir werden Dekarbonisierung und Technologieneutralität miteinander verbinden“, sagte sie am Freitag. Die CO₂-Ziele sollten nun noch in diesem Jahr unter die Lupe genommen werden. (lem)
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