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Wirtschaft: Mut zu unpopulären Entscheidungen

Mit der überwältigenden Zustimmung durch das Europäische Parlament und der Unterstützung durch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten hat der designierte Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, einen verheißungsvollen Start.Dennoch wird sich Prodi des Verdachts erwehren müssen, den bürokratischen Stil seines Vorgängers Jacques Santer fortzuführen.

Mit der überwältigenden Zustimmung durch das Europäische Parlament und der Unterstützung durch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten hat der designierte Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, einen verheißungsvollen Start.Dennoch wird sich Prodi des Verdachts erwehren müssen, den bürokratischen Stil seines Vorgängers Jacques Santer fortzuführen.

Der frühere italienische Ministerpräsident hat sich Verdienste erworben.Seine größte Leistung war, daß Italien die Konvergenzkriterien für die Teilnahme an der Währungsunion erfüllte.Zwar gelang das nur durch kreative Buchführung seitens der Regierung und dadurch, daß die Kommission ein Auge zudrückte.Hinsichtlich seiner künftigen Vorhaben aber sendet Prodi unterschiedliche Signale aus.Es ist zu begrüßen, daß Prodi kürzlich die Bedeutung der freien Marktwirtschaft hervorgehoben und die Notwendigkeit niedrigerer Steuern betont hat: "Die Last der Besteuerung als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts wird künftig zunehmend reduziert werden.In dieser Frage sollten die Mitgliedsstaaten zusammenrücken und sich gegenseitig anspornen." Dennoch ist Prodi nach wie vor ein großer Befürworter einer Steuerharmonisierung - jenem Allheilmittel, das es den Politikern ermöglichen soll, bedeutende Steuersenkungen zu umgehen.Das legt die Frage nahe, ob Prodi wirklich für ein wettbewerbsfreundliches Umfeld eintreten wird.Was die Reform der Kommission selbst angeht, sichert er große Änderungen zu.Er sagt, er werde selbst mit gutem Beispiel vorangehen, indem er einen Nicht-Italiener als Kabinettschef wählen werde.

Doch ein gesundes Engagement gegen Vetternwirtschaft kann schnell zur bloßen Farce geraten.Ob Prodi tatsächlich einen Wandel herbeiführt, wird sich nicht an der Nationalität seiner Mitarbeiter messen.Entscheidend wird vielmehr sein, ob er die neuen, erweiterten Befugnisse, die ihm durch den Vertrag von Amsterdam eingeräumt werden, gegenüber den Kommissaren ausüben wird.Zum ersten Mal wird ein Kommissionspräsident ein Veto-Recht gegen die von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Kommissare haben.Es wird also nicht für Prodis Führungsqualitäten sprechen, wenn in diesem Sommer auch fragwürdige Kandidaten durchkommen.Prodi hat, sobald die neue Kommission im Amt ist, auch die Macht, die Geschäftsbereiche neu zu ordnen.Jacques Santer hat es nicht geschafft, durch "gütliches Zureden" den Rücktritt der französischen Kommissarin Edith Cresson zu erreichen.Man darf gespannt sein, ob Prodi in einer ähnlichen Situation die betroffenen Kommissare zur Rechenschaft ziehen wird.Obwohl eine zu große Zentralisierung von Macht in der EU nicht wünschenswert ist, kann Europa von einer starken Exekutive in Brüssel profitieren.Aber die Stärke der Kommission sollte nicht an der Anzahl der Projekte gemessen werden, die sie verwaltet - und nicht an der Anzahl der verschiedenen Bereiche des europäischen Lebens, in die sie ihre Fühler ausstreckt.Sie sollte gemessen werden an der Bereitschaft der Kommission, die Verantwortung für schwierige Entscheidungen zu tragen, auch wenn sie in den Mitgliedsstaaten unpopulär sind.

Es waren letztlich nicht so sehr die Korruptionsvorwürfe, welche die scheidende Kommission zum Rücktritt zwangen.Schwerwiegender war der Eindruck, die Kommission sei eine schwache Institution, deren von den Regierungen ernannte Mitglieder um jeden Preis die Interessen ihres Landes vertreten und von ihrem Land auch um jeden Preis verteidigt würden.Die durch den Vertrag von Amsterdam eingeräumten Befugnisse ermöglichen es Prodi nun, eine wirklich unabhängige Kommission zu schaffen.Man kann nur hoffen, daß er diese Gelegenheit beim Schopf ergreifen wird.

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