zum Hauptinhalt
Übergroß. Die Ansprache von Airbnb-Chef Brian Chesky wurde am live am Times Square übertragen.

© REUTERS

Nach dem größten Börsengang des Jahres: Geht die Party bei Airbnb weiter?

Der Zimmervermittler ist an der Börse auf einen Schlag mehr als 100 Milliarden Dollar wert, der Kurs ist rasant gestiegen. Was Anleger jetzt wissen sollten

Von Carla Neuhaus

Den Aktienkurs könne er zwar nicht beeinflussen, sagte Airbnb-Chef Brian Chesky kürzlich – die Geschichte, die erzählt werde, aber sehr wohl. Eine Strategie, die aufgegangen ist. Wie kaum ein anderer hat der Amerikaner es in den vergangenen Monaten geschafft, sein Unternehmen neu aufzustellen. War Airbnb als reiner Zimmervermittler im ersten Lockdown hart getroffen, musste der Konzern Leute entlassen, Geschäftszweige schließen, profitiert er heute inzwischen sogar von der Pandemie. Darauf setzen zumindest die Aktionäre. So viele von ihnen haben direkt nach dem Börsengang am Donnerstag die Airbnb-Papiere gekauft, dass sich der Kurs mehr als verdoppelt hat. Die Folge: Airbnb ist an der Börse auf einen Schlag über 100 Milliarden Dollar wert – mehr als die Hotelketten Marriott, Hilton und Hyatt zusammen.

Ein solcher Aufstieg erinnert an den Erfolg von Tesla, dessen Wert Aktionäre ebenfalls inzwischen höher einstufen als den der klassischen Automobilkonzerne. Gleichzeitig überrascht es doch, dass Airbnb als Touristikkonzern ausgerechnet jetzt in der Krise ein solch erfolgreicher Börsengang gelingt. Noch vor dem Start hat der Konzern den Aktienpreis zwei Mal angehoben. Anfang der Woche hatte Airbnb noch gehofft, zwischen 44 und 50 Dollar für einen Anteilsschein zu bekommen. Am Markt kostet ein Papier inzwischen um die 144 Dollar. Wie also ist das gelungen? Und wie nachhaltig ist der Trend? Können die Kurse bei einer solch hohen Bewertung noch steigen?

Airbnb hat sich in der Krise gewandelt

Strategie-Chef Nate Blecharczyk zumindest sieht in dem erfolgreichen Börsengang den Beweis, dass Aktionäre das Geschäftsmodell des Konzerns für „anpassungsfähig und belastbar“ halten. Tatsächlich scheint Airbnb derzeit im Vorteil zu sein im Vergleich etwa zu großen Hotelketten. Zum einen vermittelt die Plattform die privaten Zimmer nur. Anders als bei klassischen Ferienwohnungen oder Hotels hat der Konzern also keine hohen Fixkosten, die auch dann anfallen, wenn die Zimmer leer stehen. Zum anderen hat Airbnb sein Geschäft schnell an die Krise angepasst – mit harten Einschnitten.

Rund jede vierte der zuvor 7500 Stellen hat Chef Chesky abgebaut. Gleichzeitig hat er im Sommer früh darauf reagiert, dass die Menschen zwar keine großen Reisen antreten – aber doch raus wollen. Entsprechend hat der Airbnb-Chef stärker auf Übernachtungen auf dem Land als in den Metropolen gesetzt. Den Algorithmus seiner Plattform hat er so angepasst, dass Nutzer heute sehr viel mehr lokale Ziele angezeigt bekommen. Auf diese Weise hat Airbnb zum Beispiel auch davon profitiert, dass viele New Yorker in diesem Jahr der Stadt zeitweise entfliehen wollten – und sich deshalb gleich für mehrere Wochen am Stück ein Zimmer oder eine Wohnung auf dem Land gemietet haben. In der Stadt wiederum preist Airbnb mittlerweile Zimmer als das perfekte Homeoffice an.

Airbnb vermittelt private Unterkünfte.
Airbnb vermittelt private Unterkünfte.

© Via REUTERS

All das hat dazu geführt, dass der Konzern nach einem Verlust von 697 Millionen Dollar in den ersten neun Monaten des Jahres im letzten Vierteljahr wieder 219 Millionen Dollar verdient hat.

Koppelt sich der Aktienmarkt von der Realwirtschaft ab

Ob das aber reicht, um die hohe Bewertung an der Börse zu rechtfertigen? Analysten sind skeptisch. Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi sagt, die hohe Nachfrage nach den Airbnb-Aktien zeige schlicht, „dass der Hunger der Investoren nach Technologieaktien noch immer groß ist“. Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets, wiederum fürchtet, dass die Anleger die Lage an der Börse allgemein zu positiv einschätzen: „Derzeit tun die Anleger gerade so, als würde es die Probleme gar nicht geben und sorgen an der Wall Street für eine mehr als Kursverdopplung der Airbnb-Aktie – also einer Vermittlungsplattform für derzeit höchst schwierige touristische Unternehmungen – am ersten Handelstag.“ So wie er sehen auch andere gerade eine starke Diskrepanz zwischen der Lage am Aktienmarkt und in der Wirtschaft.

Airbnb-Chef Brian Chesky ist sich durchaus bewusst, dass eine hohe Bewertung am Aktienmarkt nicht nur Vorteile hat. Er sieht darin allerdings einen Ansporn und verspricht: „Je höher der Aktienpreis, desto höher die Erwartungen, desto härter werden wir arbeiten.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false