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Minijobber arbeiten in niedrig qualifizierten Berufen, etwa als Reinigungskraft. Aber auch unter Sekretärinnen oder Dozenten sind sie zu finden.

© picture alliance / dpa

Nebenberuf: Nach der Arbeit ins Büro

Immer mehr Berliner gehen nach ihrer regulären Arbeit einem Minijob nach. Beides zu vereinbaren, ist nicht leicht – und lohnt sich nicht für jeden.

40 Stunden hat er in der Woche an seinem Schreibtisch gesessen, von morgens bis zum frühen Abend, hat die Aufgaben erledigt, die ihm aufgetragen wurden. Er war zwar nicht unzufrieden mit seinem Job, hätte aber lieber selbstständiger gearbeitet. Irgendwann hat Werner Trenk (Name geändert) dann die Lösung gefunden.

Vor gut sechs Jahren hat der 50-Jährige seinen Status als Vollzeitmitarbeiter bei einem Finanzdienstleister in Prenzlauer Berg aufgegeben – und zusätzlich einen Minijob angenommen. Von 40 Wochenstunden hat er seine Stunden auf 34 reduziert, um vier bis fünf Stunden pro Woche von zu Hause aus für ein anderes Unternehmen als Finanzbuchhalter und Steuerberater tätig zu sein. „Mich hat die Möglichkeit gereizt, in eigener Regie vor dem Computer zu arbeiten“, sagt Trenk. Heute hat er mehr berufliche Freiheit. Und auch im Hinblick auf sein jährliches Netto-Einkommen hat sich der Schritt gelohnt.

Für immer mehr Deutsche ist es heute Alltag, für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Die Zahl der Berufstätigen, die neben einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitstelle in einem Nebenjob etwas dazuverdienen, hat sich laut Bundesregierung seit 2003 mehr als verdoppelt. Und häufig ist dieser Nebenjob ein Minijob, also ein Job mit bis zu 450 Euro Einkommen, die steuerfrei sind. Im vergangenen Juni hatten 2,63 Millionen Beschäftigte mindestens einen Minijob als Nebenjob.

Auch in Berlin sind Minijobs verbreitet

Auch in Berlin ist das Phänomen verbreitet. Im vergangenen September gab es hier mehr als 77 350 Minijobber. Und es sind nicht nur gering Qualifizierte, die geringfügige Beschäftigungsverhältnisse eingehen. Fast jeder zweite ist eine Fachkraft. Nachdem die Minijobber ihren Hauptjob erledigt haben, sind sie im Verkauf, in der Reinigungsbranche, im Tourismus, in der Gastronomie, im Büro, im Sekretariat oder auch in der Verwaltung und sogar im Wissenschaftsbereich von Hochschulen tätig. Aber warum muten sie sich das zu? Lohnt sich das?

„Es gibt zwei Gruppen von Minijobbern“, sagt Viveka Ansorge vom Berliner Personalentwickler „Zukunft im Zentrum“, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen das Projekt „Joboption Berlin“ leitet. Das Projekt will Minijobber darüber aufklären, dass sie die gleichen Arbeitsrechte haben wie andere Angestellte und berät Beschäftigte und Unternehmen, wie Minijobber in eine Tätigkeit mit höherer Wochenarbeitszeit wechseln können.

Die einen nehmen einen Minijob als Nebenjob an, so Ansorge, weil sie bei ihrem Arbeitgeber keine Möglichkeit haben, von einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Viele Firmen, etwa Lebensmittel-Discounter, Unternehmen der Reinigungsbranche oder im Handel, würden keine entsprechenden Stellen anbieten. Weil die Mitarbeiter aber von ihrem monatlichen Einkommen aus der ersten Tätigkeit nicht leben können, nehmen sie einen zweiten Job an, erklärt Ansorge.

Teilzeit plus Minijob verspricht mehr Flexibilität

Die anderen haben eine Vollzeitstelle – wie Werner Trenk – und reduzieren Stunden, weil sie sich flexiblere Arbeitszeiten wünschen. Und weil die Kombination aus Teilzeit und Minijob bei relativ niedrigem Einkommen am Ende des Jahres keine große finanzielle Einbuße darstellt – oder sogar ein Plus bringt.

Als Beispiel nennt Ansorge eine Krankenschwester in der stationären Pflege, die Stunden reduziert und zusätzlich über eine private Personalvermittlungsagentur in der Pflege oder in anderen Krankenhäusern arbeitet. Durch die niedrigere Stundenzahl bei ihrem Hauptarbeitgeber erhofft sie sich „aus der Mühle auszubrechen“, so Ansorge. Der Minijob sei zwar auch anstrengend. Er biete aber eine Abwechslung vom Schichtdienst und dem belastenden Krankenhausalltag. Außerdem hoffe sie vielleicht darauf, als Teilzeitkraft seltener für kranke Kollegen einspringen zu müssen. Zudem bringe ihr ein Nebenjob in einem privaten Krankenhaus einen besseren Stundenlohn. „Die Krankenschwester kann so subjektiv besser bestimmen, hat mehr Geld und zahlt weniger Steuern“. Als „Haushaltsrational“ beschreibt das Ansorge.

Doch die Rechnung geht nicht immer auf: Im Alltag bedeuten zwei Jobs auch eine große Arbeitsverdichtung und emotionale Belastung, weil man in beiden Jobs voll da sein muss. Was passiert, wenn im ersten Job Überstunden anfallen? Wie lassen sich zwei Dienstpläne mit Urlaub und Kinderbetreuung vereinbaren? Hier hängt viel von der Organisations- und Verhandlungsstärke des Einzelnen ab. Minijobber sind wie alle Teilzeitbeschäftigten arbeitsrechtlich abgesichert, sagt Claudia Müller von der Minijobzentrale in Bonn. Sie haben Ansprüche auf bezahlten Krankenstand und Urlaub. Aber in der Praxis haben sie es weit schwerer, ihre Ansprüche auch durchzusetzen. „Bei zwei Jobs wird das noch komplizierter“, sagt Müller.

„Unter dem Strich stimmt die Rechnung nicht“, warnt Mechthild Kopel von der Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation „Wert.Arbeit“. Sie ist über das Projekt „Jobpilot Berlin“ mit Unternehmen in Kontakt. Wer Arbeitsstunden reduziert und im ersten Beruf nur mehr teilzeitbeschäftigt ist, klinkt sich de facto aus der Belegschaft und Weiterbildung aus, sagt sie. Trotz gleicher Rechtsansprüche stehe man diesbezüglich und hinsichtlich der eigenen beruflichen Entwicklung in beiden Jobs schlechter da als eine Vollzeitkraft.

Auf lange Sicht gehen laut Kopel auch die finanziellen Überlegungen nicht auf: denn mit der niedrigeren Arbeitszeit im ersten Job sinken die Rentenbeiträge. Auf eine Rentenversicherung über den Minijob werde häufig verzichtet. Trotz jährlicher Steuerersparnis seien die Einkommen der Jobkombinierer selten hoch genug, um das Minus durch eine private Rentenvorsorge auszugleichen. Teilzeit plus Minijob – für Kopel ist das deshalb ein Weg in die Altersarmut.

Werner Trenk kommt dagegen gut klar mit seinen beiden Arbeitsverhältnissen. Er kann die Jobs gut vereinbaren, weil er flexibel von Zuhause aus arbeitet, sagt er. Ab und zu nur, wenn er in seinem Hauptjob Überstunden anfallen, werde es kritisch. Im Notfall muss er dann die Heimarbeit aufs Wochenende verschieben.

Trenk hat lange überlegt, ob er seine Vollzeitstelle für das neue Modell aufgeben soll – und ist zufrieden mit seiner Entscheidung. Er kenne den zweiten Arbeitgeber seit langem und vertraue darauf, dass man längerfristig zusammenarbeite. Dass seine Rentenbeiträge aus der ersten Arbeit nun niedriger ausfallen, gleicht er durch eine private Rentenvorsorge aus.

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