Wirtschaft: Neue Verkaufswelle erfasst die Börsen
Die US-Immobilienkrise verunsichert die Anleger nachhaltig: Nach dem New Yorker Kursrutsch bricht auch der Dax erneut ein
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Berlin - Die Aktienmärkte werden nach den kräftigen Kursverlusten vor zwei Wochen von einer zweiten Verkaufswelle erfasst. Die Krise auf dem US-Hypotheken- und Immobilienmarkt hat die Anleger nachhaltig irritiert. Am Mittwoch fiel der Deutsche Aktienindex (Dax) bis zum Handelsschluss um knapp 2,7 Prozent auf 6447 Zähler – und sackte damit wieder unter die wichtige Marke von 6500 Punkten. Die Börsianer machen sich große Sorgen über die hohe Zahl von Hypothekendarlehen in den USA, die die Verbraucher nicht mehr bedienen können. Ein Platzen der Immobilienblase hätte verheerende Folgen für die US-Wirtschaft und den Rest der Welt.
Auch an der New Yorker Wall Street herrschte Nervosität. Der Dow-Jones-Index fiel zeitweise auf unter 12 000 Punkte. Am Nachmittag erholte er sich wieder und schloss bei 12 133 Punkten. In der Nacht zu Mittwoch war die größte Börse der Welt um fast zwei Prozent abgerutscht und hatte eine Kettenreaktion ausgelöst. Die Märkte in Asien und in Europa gingen ebenfalls auf Talfahrt. Ende Februar hatte die Börse in Schanghai Schockwellen um die Welt geschickt, als sie an einem Tag um fast neun Prozent absackte.
Stabiler präsentierte sich dafür der Dollar. Ein überraschender Rückgang des US-Leistungsbilanzdefizits im vierten Quartal 2006 stützte die US-Währung. Devisenhändler zahlten für einen Euro etwa 1,32 Dollar. Das mit knapp 196 Milliarden Dollar immer noch sehr hohe Defizit wird neben der Blase auf dem US-Immobilienmarkt als größtes Risiko für die globalen Finanzmärkte betrachtet.
Unter massiven Druck gerieten an der deutschen Börse vor allem die Aktien von Banken und Versicherungen. Die Deutsche Bank büßte bis zum Abend 2,6 Milliarden Euro ihres Börsenwertes ein (minus 5,1 Prozent), die Allianz knapp 2,8 Milliarden Euro (minus 4,2 Prozent). Die von der Pleite bedrohte US-Hypothekenbank New Century steht unter anderem bei einer Tochter der Deutschen Bank in der Kreide, aber auch bei der Citigroup, der Bank of America, Goldman Sachs und Credit Suisse. In den USA ist der Anteil der faulen Kredite nach Angaben der Vereinigung der Hypothekenbanken auf knapp fünf Prozent gestiegen – so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr. Bei den hoch riskanten Krediten für Geringverdiener liegt die Ausfallquote inzwischen bei mehr als 13 Prozent. Damit kann jeder achte Hypothekenkredit nicht zurückgezahlt werden.
Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Clemens Börsig, rechnet ungeachtet der jüngsten Einbrüche an den Börsen nicht mit einer Trendwende an den Finanzmärkten. Auch wenn es zuletzt Turbulenzen gegeben habe, sei er zuversichtlich, dass sich die Kapitalmärkte weiter positiv entwickelten, sagte Börsig am Mittwoch in Stuttgart. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wertet die Kursabschläge nicht als Anzeichen für eine schwächere Wirtschaftsentwicklung. „Ich glaube, dass der Präsident der Europäischen Zentralbank richtig liegt, der sagt, dies sind gewisse Korrekturen, aber dies ist kein Indiz dafür, dass es wirtschaftlich schlechter läuft“, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin. „Im Gegenteil, fast alle Expertisen zeigen uns, das das Jahr 2007 eine ähnlich gute Entwicklung macht wie 2006“, fügte er hinzu.
Auch Analysten warnten vor Panik: „Ein Überschwappen der US-Immobilienkrise auf Deutschland sehe ich nicht“, sagte Andrea Schruff, Leiterin Aktienstrategie bei der Weberbank. Deutsche Banken seien in den amerikanischen Markt für zweitklassige Immobilienkredite nicht involviert. Doch wenn die Kurse an den US-Börsen sinken, ziehen sie auch die europäischen Märkte mit: „Wir können uns dem Einfluss der USA nicht entziehen“, sagte Schruff.
Thomas Grüner von der Landesbank Berlin rechnet am Aktienmarkt mit einer „Phase, in der es ungemütlich zugehen wird“. Ziehe die Hypothekenkrise in den USA weltweit Kreise – „was passieren kann“ –, dann seien alle Finanzwerte betroffen. Mit einer so raschen Zuspitzung der Lage auf dem seit langem labilen Immobilienmarkt habe er nicht gerechnet. Für die mittelfristige Entwicklung am deutschen Aktienmarkt bleibt Grüner allerdings optimistisch: „In zwölf Monaten steht der Dax wieder bei 7000 Punkten.“ Andrea Schruff von der Weberbank spricht ebenfalls nur von einer „Korrektur“ an den Aktienmärkten, die in ein bis zwei Wochen ausgestanden sei. Bis dahin könne der Dax zwar noch auf 6200 Punkte sinken. Von einer generellen Trendwende will die Aktienstrategin aber nichts wissen. „Wir sind der Meinung, dass der globale Konjunkturaufschwung nicht zu Ende ist.“
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