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Wirtschaft: Neuer Markt: Krisenmanagement

Den ganzen Vormittag hat Marc Röhder, Medienanalyst bei HSBC Trinkaus & Burkhard, wieder nur eine Frage beschäftigt: Wie geht es weiter bei EM.TV?

Den ganzen Vormittag hat Marc Röhder, Medienanalyst bei HSBC Trinkaus & Burkhard, wieder nur eine Frage beschäftigt: Wie geht es weiter bei EM.TV? Gerüchte müssen geprüft werden, seit Wochen geistern immer neue Rettungsversionen durch die Medien. Steigt Kirch nun ein oder nicht? Und was wären die Alternativen? "Wir arbeiten bei HSBC inzwischen mit drei Leuten daran, um das Ganze zusammenzuhalten. Privatanleger haben da keinen Überblick mehr", sagt Röhder.

Abseits von den täglichen Meldungen, die vor allem Kursspekulanten Nahrung geben, gilt es für Kleinanleger, die langfristigen Perspektiven des Medienunternehmens im Auge zu behalten. Doch die sind nach Meinung von Röhder selbst im Falle einer Lösung für die Formel-1-Anteile nicht besonders gut: "Es brennt an allen Stellen. Ich würde meine Finger da nicht rein legen", warnt er. Besonders im Hauptgeschäft, dem Lizenzhandel und der Vermarktung von Merchandising-Produkten, habe das Unternehmen Probleme. Ein gemeinsames Projekt mit dem Karstadt-Konzern sei vorerst auf Eis gelegt. Es war geplant, "Junior"-Shops in den Karstadt-Kaufhäusern einzurichten. "Die Gewinnwarnung hat das Image beschädigt", urteilt Röhder.

Vertrauen verspielt

Auch Sarah Schmitz, Analystin für Medienwerte bei Commerzbank Securities sagt: "Das Management hat einen Vertrauensverlust erlitten." Anlegern, die bereits in EM.TV investiert haben, rät sie allerdings, die Aktie vorerst zu "halten". "Man muss abwarten, was jetzt für Deals gestrickt werden." Bis zu einer Einigung werde der Kurs weiter stark schwanken.

Alexander Kachler, Analyst bei Merck Finck, hält es inzwischen für immer wahrscheinlicher, dass es eine Lösung ohne Kirch geben wird. "Dafür spricht, dass EM.TV seinen Anteil an Tele-München nicht verkaufen will." Dies wäre aber bei einem Einstieg Kirchs notwendig. Derzeit ist im Gespräch, dass EM.TV seinen 50-Prozent-Anteil an der Formel-1-Gesellschaft Slec an eine Investorengruppe verkauft, zu der offenbar auch einige in der Formel-Eins aktive Autokonzerne zählen sollen. "Dieser Deal erscheint mir einfach logisch", sagt Kachler.

Die Auto-Konzerne halten sich freilich bedeckt. Eine Daimler-Chrysler-Sprecherin verweist auf ein Interview von Vorstandsmitglied Jürgen Hubbert vom vergangenen Dezember, in dem Hubbert gesagt hatte, die Autobauer hätten Slec-Chef Bernie Ecclestone ihr Interesse an einem Einstieg in die Formel-Eins bekundet. Bei BMW heißt es, zu laufenden Geprächen werde kein Kommentar abgegeben. "Zur Eile besteht kein Anlass", sagt ein Konzern-Sprecher.

Erst nach einem Vertragsabschluss und der Vorlage der überarbeiteten Zahlen, die für Ende März vorgesehen ist, könne nach Ansicht der Analysten bei EM.TV wieder Ruhe einkehren, glaubt Alexander Kachler. "Das Unternehmen muss das Basisgeschäft und das Zahlenwerk ordnen", sagt Marc Röhder von HSBC Trinkaus & Burkhard. Auch Kachler betont: "Wenn das Unternehmen ein neues Konzept präsentieren kann, bin ich bereit, mein Urteil anzuheben. Dann werden die Karten neu gemischt." Doch bis dahin sieht er EM.TV als "Underperformer".

Das zweite ehemalige Flaggschiff des Neuen Marktes, das derzeit in unruhigem Wasser fährt, ist das Softwareunternehmen Intershop. Nachdem Anfang des Jahres bekannt wurde, dass die Umsatzzahlen in den Vereinigten Staaten stark unter den Erwartungen zurückgeblieben sind, brach der Kurs ein. "Das ist aber nicht mit EM.TV zu vergleichen. Bei EM.TV sind die Investoren getäuscht worden", sagt Paul Sibianu von der WGZ-Bank. Für ihn bleibt Intershop ein "Top-Unternehmen mit Top-Produkten."

Intershop ist nicht vergleichbar

Auch Reinhard Rother von Delbrück & Co. betont: "Intershop ist eine solide geführte Firma." Das Management habe schnell durchgegriffen und Restrukturierungsmaßnahmen für das unerwartet schwache US-Geschäft in die Wege geleitet. Doch auch bei der Jenaer Softwarefirma habe es einen Vertrauensverlust gegeben, viele Investmentfonds würden den Wert meiden, sagt Sibianu von der WGZ-Bank.

Für einen Kursanstieg sorgten dagegen Ende vergangener Woche Gerüchte, dass die Firma SAP bei Intershop einsteigen wolle. "Intershop ist von der Technologie her interessant und außerdem günstig bewertet, aber ich glaube, das Unternehmen schafft es aus eigenen Kräften", meint Reinhard Rother, der Anlegern empfiehlt, den Wert zu "akkumulieren". Vorstellen kann er sich dagegen eine Kooperation mit einem amerikanischen Unternehmen.

Wichtig ist nach Ansicht der Analysten, dass Intershop das Vertrauen wieder aufbaut. "Dazu gehören überzeugende Zahlen und eine offene Kommunikationspolitik", sagt Sibianu. "Allerdings werden viele Anleger in diesem Jahr ihre Einstiegskurse nicht wieder sehen."

swi

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