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Wirtschaft: Parmalat-Verwalter Bondi hat noch keinen Durchblick

Tatsächliche Finanzsituation wird frühestens in drei Wochen ermittelt sein/Unternehmensgründer Tanzi beschuldigt Großbank

Der Insolvenzverwalter von Parmalat, Enrico Bondi, wird frühestens in drei Wochen einen ersten Überblick über die tatsächliche Finanzlage des Lebensmittelkonzerns geben können. Ein Sprecher des Managers sagte dem Handelsblatt, dass derzeit noch kein genaues Bild vorliege. „Es ist völlig unmöglich, zum jetzigen Zeitpunkt irgendwelche Zahlen zu nennen, und daran wird sich auch nichts ändern, bis Bondi und sein Team die Vorgänge vollständig nachvollzogen und verstanden haben.“ Die Situation sei äußerst komplex.

Die Schwierigkeiten Bondis, sich rasch einen Überblick über die Situation von Parmalat zu verschaffen, sind angesichts der Konzernstruktur verständlich: Im letzten Halbjahresabschluss hat der Konsolidierungskreis der Dachholding Parmalat Finanziaria 206 Tochtergesellschaften in 45 Ländern umfasst. Eine Vielzahl dieser Unternehmen sind reine Finanzkonstrukte, die teilweise ausschließlich betrügerischen Zwecken gedient haben. Erste Schätzungen der von Bondi beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers, die allerdings drei Wochen alt sind, sprechen von einem Bilanzloch von zehn Milliarden Euro.

Parallel zu den internen Arbeiten Bondis gehen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit Hochdruck weiter. Heute werden die Ermittler in Parma erneut den Ex-Finanzchef Fausto Tonna verhören; am Donnerstag ist die Tochter des Unternehmensgründers Calisto Tanzi, Francesca, an der Reihe. Am Montag publizierte Italiens wichtigste Tageszeitung „Corriere della Sera“ das Protokoll eines Verhöres, in dem Unternehmensgründer Calisto Tanzi schwere Beschuldigungen an den Präsidenten der Großbank Capitalia, Cesare Geronzi, richtet. Danach soll Geronzi 1999 und 2000 Parmalat gezwungen haben, für überhöhte Preise zwei Unternehmen zu übernehmen.

Dabei habe es sich um den Milchvermarkter Eurolat des mittlerweile ebenfalls bankrotten Geschäftsmannes Sergio Cragnotti sowie Ciapazzi, einen kleineren Getränkehersteller aus Sizilien, gehandelt. Capitalia, die damals noch als Banca di Roma firmierte, war auch die Bank von Cragnottis Firma Cirio Finanziaria und soll nach Angaben von Tanzi ein großes Interesse an dem Deal gehabt haben, um die Kreditexposition gegenüber Cirio zu reduzieren. Er selbst habe keine gute Verhandlungsposition gegenüber Geronzi besessen, da auch Parmalat bei der Banca di Roma hoch verschuldet war. Capitalia weist die Vorwürfe kategorisch zurück und betont in einem Statement die Korrektheit des eigenen Handelns. Die 300-Millionen-Euro-Übernahme von Eurolat sei seinerzeit vom Gros der Analysten als strategisch sinnvoll gelobt worden. Der Ciapazzi-Deal sei zu klein gewesen, um spürbare Auswirkungen für Parmalat zu haben, so Capitalia.

Während aus Finanzkreisen unterdessen verlautete, dass Italiens größtes Institut, Banca Intesa, voraussichtlich 200 Millionen Euro der gesamten Kredite von 360 Millionen Euro gegenüber Parmalat abschreiben werde, soll sich der Schaden der Deutschen Bank laut der Agentur Reuters in zweistelliger Millionenhöhe bewegen. mab/HB

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