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Ganz entspannt im Ruhestand. Vor allem Gutverdiener müssen sich rechtzeitig Gedanken machen.

© dpa/Maya Claussen

Rentenlücke bei Gutverdienern: Mit diesen Strategien dem Crash entgehen

Der gesetzlichen Rente droht der Kollaps. Vor allem Gutverdiener steuern auf Rentenlücken in Millionenhöhe zu. Doch kluge private Vorsorge schafft Ausgleich.

Stand:

Der Ton in der Debatte beschreibt die Dimension des Problems schon einigermaßen gut. Als etwa Bundeskanzler Friedrich Merz seinen „Herbst der Reformen“ zu Wochenbeginn mit dem Argument einleitete, Gesundheit, Rente und Pflege seien in dem bisherigen System bald nicht mehr bezahlbar, kommentierte die zuständige Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) die Analyse des Kanzlers wenig ministeriell mit: „Bullshit“.

Ähnlich hatten früher im Sommer Unionsleute geklungen, als wiederum Bas einen ersten Lösungsvorschlag für die Sanierung der maroden gesetzlichen Rente gemacht hatte. Sie wollte auch Beamte und Selbstständige in das System zahlen lassen. Der Aufschrei war groß.

Nun haben sich beide Seiten am Mittwochabend zwar versprochen, künftig die Lautstärke in dieser Sache zu dimmen. Nur: Lösungen für die Ursachen der Streitigkeiten haben sie erneut keine präsentiert. Was vermutlich an einer recht simplen Tatsache liegt: Noch größer als der Grad der Erregung sind die Probleme.

Bundeskanzler Friedrich Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas: Lösungen für die Ursachen der Streitigkeiten haben sie erneut keine präsentiert.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Deutschlands soziale Sicherungssysteme steuern auf immer größere Milliardenlücken zu – allen voran die gesetzliche Rente. Das System, das vereinfacht ausgedrückt darauf baut, dass die Jungen für die Alten zahlen, droht auseinanderzubrechen. Denn immer mehr Alte beziehen immer länger Rente, gleichzeitig zahlen aber zu wenige jüngere Menschen Beiträge ein.

Bereits heute fließen jährlich 130 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rente. Das System, das sich eigentlich aus Abgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzieren sollte, lebt also immer stärker von Steuergeldern.

Martin Werding, Rentenexperte von der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, warnt: „In 35 Jahren wird der Bund bereits zwischen 270 und 350 Milliarden Euro in die gesetzliche Rente zuschießen müssen.“

Doch auch das wird eines nicht verhindern: Dass die gesetzliche Rente für Menschen, die heute als Arbeitnehmer arbeiten, sinken wird. „Viele könnten eine Enttäuschung erleben“, sagt Werding. „Vor allem dort, wo man sie zunächst nicht vermutet, bei den sogenannten Gutverdienern.“

Das Handelsblatt hat in den vergangenen Wochen mit Werdings Modellen gerechnet, Rentenexperten und Anlagestrategen zur Perspektive bei der Rente befragt. Das Ergebnis: Vor allem Arbeitnehmern mit überdurchschnittlichem Einkommen droht eine Rentenlücke, die in manchen Fällen in die Millionen gehen kann. Dabei gibt es Strategien, dem entgegenzuwirken.

Was läuft bei der Rente eigentlich schief?

Zu viele Beitragsempfänger, zu wenige, die einzahlen. In der gesetzlichen Rente ist diese Konstellation seit vielen Jahren bekannt und war bereits in der Amtszeit des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (1998 bis 2005) absehbar.

Dessen Regierung stellte deswegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern niedrigere Renten in Aussicht; auf der anderen Seite wurde mit der Riesterrente eine geförderte Form der privaten Altersvorsorge geschaffen.

Doch nach einem anfänglichen Boom geriet die Riesterrente bald in Misskredit. Vielen Menschen war das Förderregime zu kompliziert und nicht wenige Produkte, die das Prädikat „riestertauglich“ erhalten hatten, erwiesen sich als unrentabel.

In 35 Jahren wird der Bund bereits zwischen 270 und 350 Milliarden Euro in die gesetzliche Rente zuschießen müssen

Martin Werding, Rentenexperte

In der Amtszeit von Schröders Nachfolgerin Angela Merkel, erlebte die Bundesrepublik einen Boom. Dieser sorgte für hohe Einnahmen bei der gesetzlichen Rentenversicherung und wenig Aufmerksamkeit für ein Problem, das nun voll zuschlägt: In den kommenden zehn Jahren scheiden die geburtenstärksten Jahrgänge der Nachkriegszeit aus dem Erwerbsleben, und das Umlagesystem „Jung zahlt für Alt“ gerät immer mehr in Schieflage.

Die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung steuert mit einer Haltelinie gegen. Sie soll garantieren, dass eine Person, die durchschnittlich verdient und 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, im Alter immer mindestens 48 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens bekommt – nach Abzug der jeweils fälligen Sozialbeiträge, aber vor Steuern.

Doch hilft die Haltelinie auch Menschen mit überdurchschnittlichen Einkommen? „Ein wenig, aber nicht entscheidend“, sagt Werding.


Die Rentenlücken von 25-, 40- und 55-Jährigen

Der Rentenexperte hat für das Handelsblatt ausgerechnet, was Menschen aus drei unterschiedlichen Altersgruppen an gesetzlicher Rente erwarten können. Dabei geht es um junge Menschen, Jahrgang 2000, Personen im Alter von 40 und Menschen Mitte fünfzig. Alle drei Gruppen haben ein für ihre Altersgruppe hohes Gehalt.

Die Berechnungen zeigen: Die höchste Rente bezogen auf ihr letztes Nettoeinkommen erreichen 40-Jährige. Und zwar dann, wenn die Haltelinie dauerhaft etabliert wird. Ein Szenario bei dem, laut Werding, der Bundeszuschuss in die gesetzliche Rente in 30 Jahren allerdings mehr als 300 Milliarden Euro jährlich betragen würde – das also entsprechend unwahrscheinlich ist.

Wird die Haltelinie nicht dauerhaft eingesetzt, sinkt die Rente für die drei Musterfälle. Am deutlichsten geht es runter, wenn der Nachhaltigkeitsfaktor verstärkt wird, die Renten also zugunsten niedrigerer Beiträge sinken. Hier erhalten dann heute 25- und 55-Jährige weniger als 40 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens als gesetzliche Rente.

Zum Vergleich: Für Durchschnittsverdiener liegt das Sicherungsniveau bei den einzelnen Szenarien, laut Werding, im Schnitt zwischen 55 und 60 Prozent.

130
Milliarden Euro fließen bereits heute jährlich aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rente.

Die Berechnungen zeigen auch: Heute 55-Jährige mit 12.000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen haben durchweg das niedrigste Sicherungsniveau, weil sie am deutlichsten über der Beitragsbemessungsgrenze liegen.

Diese Grenze, momentan liegt sie bei 8050 Euro pro Monat, ist einer der Hauptgründe, warum die gesetzliche Rente von Gutverdienern im Verhältnis zum letzten Nettoeinkommen niedrig ist – denn für Verdienste jenseits dieser Grenze bilden Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rente keine Ansprüche.

„Wer über der Beitragsbemessungsgrenze verdient, muss aus eigenem Antrieb vorsorgen, und zwar noch viel mehr als Menschen mit einem durchschnittlichen Verdienst“, warnt Werding – zumindest, wenn er oder sie den Lebensstandard im Alter halten will. Die Grenze drastisch zu erhöhen, wie es mancherorts von Teilen der SPD gefordert wird, hält er allerdings für wenig sinnvoll.

Ähnlich sieht das Helge Lach, Vorstand beim Finanzvermittler DVAG. „Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze würde die Renten für Gutverdiener unverhältnismäßig wenig steigen lassen“, sagt er. Lach verweist auf die geringen Renditen der gesetzlichen Rente. Sein Rat: „Die Lücke schließt sich am schnellsten am Aktienmarkt.“

Um ein Gefühl zu bekommen, welche Lücken sich für die drei Altersgruppen auftun, lohnt es sich, die Differenz zwischen dem letzten Netto und der Rente hochzurechnen. So fehlen den heute 25-Jährigen bei Renteneintritt im Jahr 2067 bereits jährlich 100.560 Euro.

Hochgerechnet auf 30 Jahre steht hier eine Summe von über 3,1 Millionen. Auch wer sich als Teil dieser Gruppe nur 20 Jahre Ruhestand zugesteht, muss über 2,1 Millionen Euro bereithalten.

Doch Ruhestandsplaner wie Michael Huber, Deutschlandchef des VZ-Vermögenszentrums, warnen: „Wer so rechnet, vergisst die Inflation und wird im Laufe der Jahre immer ärmer.“ Werden Rentenlücken der drei Altersgruppen an die Inflation angepasst, kommen, je nachdem, wie lange die Rentenlücke geschlossen werden soll, Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Euro dazu.

Heute 25-Jährige brauchen auf diese Weise zum Rentenbeginn mit 67 rund 4,4 Millionen Euro, um bis zu ihrem 97. Lebensjahr die Lücke zwischen ihrer gesetzlichen Rente und dem letzten Netto inflationsbereinigt zu füllen.

Auch wenn Menschen aus den einzelnen Altersgruppen nur mit 75 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens planen – was aus Sicht von Experte Huber ein gangbarer Weg für eine auskömmliche Rente ist –, kommen Millionenbeträge zusammen.

Es sei wichtig, die eigene Rentenlücke zu erkunden und sich zu überlegen, wie viel Geld man im Ruhestand persönlich braucht, sagt der Ruhestandsplaner. Erst dann sollte man handeln.

„Millionenbeträge, die im Alter fehlen, wirken bedrohlich, sie erweisen sich aber je nach persönlicher Situation manchmal auch als Scheinriesen“, sagt Marcel Reyers Ruhestandsspezialist und Vorstand der Finanzplanervereinigung FPSB.


So kann die Rentenlücke gefüllt werden

Die Berechnungen sind bisweilen erschreckend. 4,4 Millionen Euro beträgt die Rentenlücke eines jungen Menschen, der mit 25 ein Bruttoeinkommen von 5000 Euro hat und dessen Gehalt bis zur Rente kontinuierlich auf gut 27.000 Euro steigt. Ein Angestellter mit 40 kommt auf 2,3 Millionen und Menschen mit 55, die aktuell 12.000 Euro verdienen, kommen auf 2,5 Millionen Euro.

Solche Summen bis zum Rentenstart mit 67 anzusparen, erscheint schwer möglich. Dabei haben heute 25-Jährige zwar einen langen Anlagehorizont, sie müssen aber auch eine gewaltige Summe ansparen. Für 40- oder 55-Jährige sind die Summen zwar deutlich kleiner, der Anlagezeitraum aber auch.

Doch unter den richtigen Voraussetzungen und mit den richtigen Investments können auch solche Rentenlücken geschlossen werden. Rechenbeispiele und Tipps, wie auch große Rentenlücken gefüllt werden können.

Drei Beispielfälle, drei Szenarien

Eine Rentenlücke von 4,4 Millionen Euro, wie sie in unserem Beispiel 25-jährige Gutverdiener zu füllen haben, kommt zusammen, indem der zusätzliche monatliche Geldbedarf zur gesetzlichen Rente zuzüglich einer Inflationsrate von 2,5 Prozent auf 30 Jahre hochgerechnet wird.

Das ist, wie Ruhestandsplaner Michael Huber sagt, ein Extrembeispiel. „Nur die wenigsten werden tatsächlich einen solchen Geldbedarf im Alter haben.“ Dennoch wird in den folgenden Berechnungen diese Lücke eine Rolle spielen, siehe „Rentenlücke 1“ – nicht zuletzt, um zu zeigen, welche Anstrengungen nötig sind, um solche Summen anzusparen.

Deutlich realistischer ist aus Hubers Erfahrung ein Finanzbedarf im Ruhestand, der bei 75 Prozent des letzten Nettoeinkommens im Erwerbsleben liegt. Dieser kann, so Huber, entweder bis zum Schluss aufgezinst werden, „Rentenlücke 2“ oder der Bedarf stagniert ab dem 80. Lebensjahr, „Rentenlücke 3“.

Um sicher auszuschließen, dass es auch im hohen Alter keine Rentenlücke gibt, beziehen sich alle Szenarien auf einen Ruhestand von 30 Jahren.

Wie viel tatsächlich gebraucht wird

Im nächsten Schritt geht es darum, ein realistisches Sparziel zu ermitteln. Denn die Rentenlücke für die 25-Jährigen liegt nur dann bei 4,4 Millionen Euro, wenn das Geld zum Beginn des Ruhstands komplett bereitstehen soll und nicht mehr weiter investiert wird. Ein laut Huber unrealistisches Vorgehen. Er empfiehlt, das Geld, das nicht direkt benötigt wird, weiter anzulegen.

Wird das Kapital, das im laufenden Jahr nicht benötigt wird, weiterhin zu im Schnitt 2,5 Prozent Rendite angelegt, sinkt der Gesamtbedarf auf gut drei Millionen Euro. Rentiert sich das Kapital im Schnitt mit 3,5 Prozent sind nur 2,6 Millionen Euro nötig.

12
Jahre konnten Anleger laut Statistiken des deutschen Aktieninstituts brauchen, um vorherige Kursverluste im breiten Markt wieder aufzuholen.

„Eine höhere Rendite auf ihr Kapital, aus dem sich die Rente speist, sollen Ruheständler nicht fest einplanen“, sagt Huber. Denn dann müsste das Kapital zu sehr in Aktien investiert sein, was gefährlich werden kann, wenn zu wenig Zeit bleibt, eventuelle Kursverluste wieder aufzuholen.

Statistiken des deutschen Aktieninstituts zeigen, dass in der Vergangenheit Anleger bis zu zwölf Jahre brauchen konnten, um vorherige Kursverluste im breiten Markt wieder aufzuholen.

Um auch hier möglichst sicherzugehen, dass es keine Engpässe gibt, wurde bei allen Beispielfällen und Szenarien unterstellt, dass das Kapital im Ruhestand mit einer Rendite von durchschnittlich 2,5 Prozent angelegt wird.

Wie angespart werden sollte

Ist die Rentenlücke oder der Finanzbedarf bekannt, folgt die Frage, wie auf dieses Ziel „hingespart“ werden sollte. „Wer siebenstellige Summen ansparen will, wird um Aktien nicht herumkommen“, sagt Martina Patzek, Expertin für den Ruhestand von der Quirin Privatbank. Aus ihrer Sicht sollten vor allem Menschen, die sich mit den Beispielfällen der 25- und 40-Jährigen identifizieren, voll auf Aktien-ETFs setzen.

„Das Ziel sollte sein, mit einem Portfolio aus breit streuenden Aktien-ETFs Geld anzulegen.“ Menschen, deren Situation eher zum Musterfall der 55-Jährigen passt, sollten ebenfalls voll auf Aktien setzen.

Zwölf Jahre Ansparzeit reichen ihrer Ansicht nach aus, um in Aktien zu investieren. Zudem wird zum Eintritt in den Ruhestand nur ein kleiner Teil des angesparten Kapitals benötigt. „Der Rest kann investiert bleiben, allerdings dann deutlich konservativer, indem beispielsweise Anleihe-ETFs beigemischt werden.“

Mindestens ebenso wichtig wie das richtige Investment ist die Summe, die regelmäßig investiert wird. Michael Huber rät, hier zehn Prozent des monatlichen Bruttolohns zu veranschlagen. „Das ist vor allem für die 25-Jährigen aus der ersten Beispielgruppe eine Belastung, da das Gehalt an sich noch vergleichsweise gering ist, aber nur so kann nach und nach Vermögen aufgebaut werden“, sagt der Ruhestandsplaner.

Um noch schneller Vermögen aufzubauen, wurden für jede Altersgruppe in der Ansparphase noch drei Varianten erdacht: In der ersten bekommt die monatliche Ansparsumme eine jährliche Dynamik von 2,5 Prozent. Das heißt, es wird inflationsbereinigt über die gesamte Ansparzeit so viel investiert wie zu Beginn.

In der zweiten Variante wurde angenommen, dass Menschen in der jeweiligen Altersgruppe bereits über ein Startkapital verfügen, das die Grundlage für die weiteren Sparanstrengungen bildet. Vor allem bei 40- und noch mehr bei 55-Jährigen ist das nach der Erfahrung von Michael Huber eher die Regel als die Ausnahme. In der dritten Variante wird das Startkapital mit der Dynamik kombiniert.

Wer siebenstellige Summen ansparen will, wird um Aktien nicht herumkommen

Martina Patzek, Expertin für den Ruhestand von der Quirin Privatbank

Ein Blick in die Ergebnisse der Beispielrechnungen für die einzelnen Altersgruppen und Rentenlücken zeigt aber auch, dass es in einigen Fällen schwer wird, die benötigten Summen zu erreichen. Aus diesem Grund wurde zusätzlich ein „Cash-Event“ in die Rechnungen einbezogen.

„Dieses Kapital, das zusätzlich angelegt werden kann, kommt etwa aus einer Erbschaft oder einer Abfindung“, sagt Marcel Reyers vom Finanzplanerverband FPSB. Für alle drei Altersgruppen wurde daher angenommen, dass im Alter von 50 Jahren 250.000 Euro zum Vermögen dazukommen und ebenfalls angelegt werden.


Die Ergebnisse für 25-Jährige

Wer noch 42 Jahre bis zum Ruhestand vor sich hat, muss einerseits besonders hohe Summen ansparen, um die Rentenlücke zu schließen, hat aber auch viel Zeit, um sein Geld für sich arbeiten zu lassen. So werden aus 252.000 Euro eingesetztem Kapital (42 Jahre lang 500 Euro pro Monat) knapp 1,1 Millionen Euro. Dank des Zinseszinseffekts vervierfacht sich das eingesetzte Kapital.

Diese Summe reicht aber nicht, um auch nur eine der drei vorgegebenen Rentenlücken zu füllen. Um zumindest in Rentenlücke 2 und 3, in denen 75 Prozent des letzten Nettos gebraucht werden, ohne Sorgen in den Ruhestand gehen zu können, braucht es zumindest den Zuschuss in Form des Cash-Events.

Je mehr aber angespart wird, desto leichter schließt sich die Rentenlücke. So genügt es, 42 Jahre lang monatlich 500 Euro beiseitezulegen und den Betrag jedes Jahr um 2,5 Prozent zu erhöhen, damit am Ende Rentenlücke 3 geschlossen ist.

Noch leichter wird es, wenn ein 25-Jähriger bereits 100.000 Euro Startkapital, etwa durch eine Schenkung, besitzt. Mit 100.000 Euro Startkapital werden aus 500 Euro, die 42 Jahre lang monatlich angelegt werden, 2,3 Millionen Euro. In diesem Fall ist kein Cash-Event nötig, um die Rentenlücken 2 und 3 zu schließen.

Für Michael Huber zeigt dieses Beispiel, dass junge Menschen, die einigermaßen diszipliniert sparen, leicht ihre Rentenlücke füllen können, wenn sie im Ruhestand ein Budget von 75 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens haben wollen.


Für 40-Jährige

Wer heute 40 ist, steht in der „Rushhour des Lebens“. Nicht wenige Menschen in dieser Altersgruppe haben Kinder, die zur Schule gehen, 40-Jährige, die ein Eigenheim gekauft haben, zahlen jeden Monat einen Kredit ab, Mieterinnen und Mieter haben in diesem Alter meist eine größere Wohnung als noch mit Ende 20.


„In dieser Phase des Lebens ist es schwer, den Blick auf den Ruhestand zu richten“, weiß Finanzplaner Marcel Reyers auch aus eigener Erfahrung. Dennoch lohnt es sich aus seiner Sicht, an den 67. Geburtstag und die Zeit danach zu denken. Denn mit 40 bleiben noch 27 Jahre, in denen ausreichend Geld angespart werden kann, um die Rentenlücke zu schließen.

In unseren Beispielrechnungen für die drei Rentenlücken wurde angenommen, dass zehn Prozent des aktuellen monatlichen Bruttoeinkommens von 8000 Euro in einen ETF-Sparplan fließen. Das ist laut Finanzplaner Reyers, eine stattliche Sparrate, die aber nach seinen Worten nicht unmöglich sein sollte.

Auf diese Weise kommen ohne Dynamik und ohne Startkapital nach 27 Jahren fast 620.000 Euro zusammen. Dieser Betrag reicht nicht, um die kleinste Rentenlücke 2 und 3 und schon gar nicht um Rentenlücke 1 zu füllen.

Steigt die Sparrate jedes Jahr um 2,5 Prozent, stehen zum Beginn des Ruhestands fast 800.000 Euro unterm Strich. Dieses Kapital kommt in die Nähe der Rentenlücke 3, bei der 75 Prozent des letzten Nettos gebraucht werden und das Budget ab dem 80. Lebensjahr nicht mehr an die Inflation angepasst wird.

Verfügt eine 40-jährige Person obendrein noch über 200.000 Euro Startkapital etwa aus einem Depot, das bislang bespart wurde, oder einer Schenkung und dynamisiert ihre Einzahlungen, kann sogar Rentenlücke 1 gefüllt werden. Ein Cash-Event, in Höhe von 250.000 Euro, die ab dem 50. Lebensjahr zusätzlich investiert werden, braucht es in diesem Fall nicht.

Für die beiden anderen Szenarien bräuchte eine 40-Jährige oder ein gleichaltriger Mann lediglich 200.000 Euro Startkapital, die 27 Jahre lang konsequent investiert bleiben, um die Rentenlücken zu schließen, eine monatliche Sparrate wäre dann überflüssig.

Welchen Effekt ein Startguthaben hat, zeigt sich bei folgender Rechnung: Sind „nur“ 100.000 Euro Startguthaben vorhanden, müssten monatlich 600 Euro beiseitegelegt werden, um am Ende die Rentenlücken 2 und 3 zu füllen.


Für 55-Jährige

Zwölf Jahre vor dem 67. Geburtstag zum ersten Mal an den Ruhestand zu denken, ist nach den Worten von Marcel Reyers „eigentlich sträflich“.

Nichtsdestoweniger lohnt es sich, aktiv zu werden, denn Menschen in diesem Alter haben nach Reyers Erfahrung nicht nur ein hohes Einkommen, auch Ausgaben wie etwa die Kreditraten fürs Eigenheim oder die Unterstützung der Kinder in Ausbildung werden absehbar weniger. Dazu kommt, so Reyers, „Menschen mit Mitte fünfzig haben oft bereits Ersparnisse, und je höher das Gehalt, desto größer sind diese“.

Wie wichtig es ist, nun in Sachen Ruhestand „Gas zu geben“, wie Reyers sagt, zeigt die Beispielrechnung, bei der monatlich lediglich zehn Prozent des Bruttoeinkommens, also 1200 Euro, investiert werden. Zwölf Jahre später sind dann zwar 246.000 Euro zusammengekommen, dieses Kapital reicht aber noch lange nicht, um eine der drei Rentenlücken zu schließen.

Ein Cash-Event, also etwa eine Erbschaft in Höhe von 250.000 Euro, die mit 50 stattgefunden hat und die bis 67 angelegt wird, kann hier helfen, zumindest Rentenlücke 3 knapp zu schließen. Auch wenn die Sparrate jährlich um 2,5 Prozent steigt, bringt das bei dem verhältnismäßig kurzen Anlagehorizont von zwölf Jahren wenig.

Und auch wenn die Sparrate verdoppelt und dynamisiert wird, kommen bis 67 unter den Vorgaben, was die Kosten und Rendite angeht, nicht einmal 600.000 Euro zusammen.

„Es muss also ein Booster her“, sagt Marcel Reyers. Ein solcher könnte ein Startkapital sein, das aber deutlich sechsstellig sein muss. 400.000 Euro als Grundlage für den ETF-Sparplan mit monatlich 1200 Euro Rate reichen, um die Rentenlücken 2 und 3 zu schließen. Rentenlücke 1, bei der fast 1,8 Millionen Euro vonnöten sind, ist kaum zu schaffen. Es sei denn, neben einem üppigen Startkapital kommt noch eine Erbschaft hinzu.

Dieser Text erschien zuerst im Handelsblatt.

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