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Marktbeschwichtiger. Der Italiener Mario Draghi (67) führt die EZB seit November 2011. Er beruhigte die Märkte mit der Ankündigung, er werde alles tun, um die Euro-Zone zusammenzuhalten. Kritiker sagen, er überschreite seine Kompetenzen.

© picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt

Eurokrise: Rückendeckung für Draghi

Darf die Europäische Zentralbank angeschlagenen Euro-Ländern mit dem Kauf von Anleihen unter die Arme greifen? Ja, sagt ein Gutachter am EU-Gerichtshof. Die Notenbank dürfe auch unkonventionelle Schritte tun. Das nimmt Euro-Kritikern den Wind aus den Segeln

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Mario Draghi kann aufatmen. Sein Institut, die Europäische Zentralbank (EZB), darf unter bestimmten Voraussetzungen Staatsanleihen der Euro-Staaten kaufen. So sieht das zumindest Pedro Cruz Villalon, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Er nannte das 2012 beschlossene Programm der EZB am Mittwoch zwar „eine unkonventionelle geldpolitische Maßnahme“ – stärkte der Notenbank aber grundsätzlich den Rücken. Die Anleihekäufe zu begrenzen, würde die Wirksamkeit der Maßnahme einschränken, argumentierte er. Als Generalanwalt unterstützt Villalon die Richter in Luxemburg bei der Urteilsfindung. In vielen Fällen folgen sie seinem Plädoyer – verpflichtet sind die Richter dazu aber nicht.

Warum es Streit gibt

Angestoßen hatte das Gerichtsverfahren eine Gruppe deutscher Professoren. Nach ihrer Ansicht überschreitet die EZB mit einem solchen Ankaufprogramm ihre Kompetenzen. Ihre Befürchtung: Sollte ein Staat zahlungsunfähig werden, dessen Anleihen die EZB gekauft hat, müssten die Steuerzahler für die Verluste aufkommen. Angekündigt hatte die Notenbank das Kaufprogramm 2012, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Damals war die EZB in einer schwierigen Situation: Die wiederholte Senkung des Leitzinses war verpufft, und die ersten Investoren hatten begonnen, auf den Zerfall der Euro-Zone zu setzen. Allein die Ankündigung Draghis, im Zweifel unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, half bereits: Die Krisenstaaten konnten sich wieder zu günstigeren Konditionen Geld am Kapitalmarkt leihen. Auch verstummten die Stimmen derjenigen, die bereits das Ende der Gemeinschaftswährung eingeläutet hatten.

Allerdings waren längst nicht alle von dem Vorstoß der EZB begeistert. Eine Gruppe von Kritikern schloss sich zusammen und zog vors Bundesverfassungsgericht: Unter ihnen waren unter anderem der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und die frühere Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin. Auch die Verfassungsrichter sahen das Anleihekaufprogramm kritisch – verwiesen das Verfahren aber nach Luxemburg.

Die EZB darf Anleihen auf dem Zweitmarkt kaufen

Generalanwalt Villalon sagt nun, die Rettungspolitik sei mit EU-Recht „grundsätzlich vereinbar“. Lediglich der direkte Erwerb von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt sei verboten. Anleihen, die dagegen bereits im Umlauf seien, könnte die EZB problemlos kaufen. Zugleich ist Villalon sich aber durchaus der Gefahr bewusst, dass „ein Erwerb auf dem Sekundärmarkt nur Sekunden nach der Emission einer Staatsanleihe auf dem Primärmarkt die Grenze zwischen beiden Märkten verwischen“ würde. Und das könne zu „Spekulationsgeschäften“ auf Kosten der Steuerzahler führen.

„Um das Verbot der monetären Finanzierung einzuhalten“, fordert Cruz Villalon daher einen klaren zeitlichen Abstand zur Anleihenausgabe, damit „sich für die Staatsanleihen ein Marktpreis bildet“. Kritiker halten das allerdings nicht für ausreichend. „Auch wenn die EZB nur Anleihen auf dem Sekundärmarkt kauft, werden dadurch die Preise verfälscht“, sagte der Berliner Wirtschaftsprofessor Markus Kerber. Schließlich handelten Investoren dann in dem Wissen, dass die EZB in den Markt eingreife.

Muss die EZB die Troika verlassen

Mit dem noch ausstehenden EuGH-Urteil könnte die EZB weitere Bedingungen erfüllen müssen. So soll sie laut Villalon aus der Troika mit Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission aussteigen. Angesichts der Kombination aus finanzieller Überwachung der Krisenstaaten und der Möglichkeit, deren Anleihen zu kaufen, könne man „zu dem Schluss gelangen, dass das Handeln der EZB über eine bloße Unterstützung der Wirtschaftspolitik hinausgeht“. Verlangt wird zudem, dass bei einer Umsetzung des Aufkaufprogramms konkrete Beträge genannt werden.

Während EZB-Direktor Yves Mersch von einem „Meilenstein“ sprach, hieß es in Kreisen der Notenbank, dass „wir auch mit den formulierten Bedingungen gut leben können, wenn das Urteil so ähnlich ausfallen sollte“. Denn natürlich würde es im Krisenfall Obergrenzen beim Anleihekauf geben: „Das kann man nur vorher nicht sagen, weil es sonst nicht wirkt.“ Auch das Verlassen der Troika komme den Bedenken der Zentralbank entgegen. „Die Aufgabe könnte in Zukunft der Rettungsschirm ESM übernehmen“, sagte ein EZB-Mitarbeiter dieser Zeitung.

Die Kritik fällt heftig aus

Die Kritik fiel dennoch teils heftig aus. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sprach von „einem Freibrief“ und warnte vor einer „Verfassungskrise“, da es zwischen der Position Karlsruhes und der des Generalanwalts keinen Kompromiss gebe: Entweder man halte es für legitim, über ein Aufkaufprogramm die Zinsen für Euro-Länder zu senken, um sie zahlungsfähig zu halten – oder eben nicht. Wirtschaftsprofessor Kerber warnte: „Die EZB muss das EuGH-Urteil abwarten, bevor sie Staatsanleihen kauft.“ Andernfalls würde das nur „ihr gebrochenes Verhältnis zur europäischen Rechtsordnung veranschaulichen“.

Die Notenbanker planen bereits das nächste Anleihe-Kaufprogramm. Schon kommende Woche könnten sie es verkünden. Anders als das ältere OMT-Programm, um das es vorm EuGH geht, ist das neue Programm (Quantitative Easing genannt) nicht an Reformauflagen seitens der Krisenstaaten geknüpft.

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