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A C-Zero electric drive car of Citroen's multicity car-sharing company is pictured at a fuel station of German power supplier RWE in Berlin, March 14, 2016. REUTERS/Wolfgang Rattay - RTX2AT4F

© REUTERS

Elektroauto-Vermieter hört auf: Rückschlag für Carsharing in Berlin

Der Anbieter Multicity stellt sein Geschäft in der Hauptstadt ein. Die Kunden sollen an Free2Move vermittelt werden.

Von Hendrik Lehmann

Vier Sitze, keine Abgase und nahezu keine Innenausstattung. Die Elektroautos des Carsharing-Anbieters Multicity wirkten neben den glatt designten Konkurrenten von DriveNow und Car2Go immer spartanisch. Bei vielen Berlinern waren die eierförmigen Flitzer von Multicity aber gerade deswegen beliebt. Doch nun hat der Anbieter nach fünf Jahren verkündet, das Angebot Ende Oktober einzustellen.

Zu wenig Ladesäulen & zugeparkte Stellplätze

Im Gegensatz zu DriveNow und Car2Go hatte Multicity, eine Untermarke von Citroën, 2012 als erstes Unternehmen eine reine E-Carsharing-Flotte gestartet. Während das gerade für umweltbewusste Kunden bis heute ein Alleinstellungsmerkmal war, war es aber auch der größte Wettbewerbsnachteil. Zu Beginn gab es wenig Ladesäulen, sodass Kunden nur mit teils großen Umwegen die Autos aufladen konnten. Das Problem blieb, auch nachdem zunehmend mehr Stationen in der Stadt aufgestellt wurden: Zu selten hängten die Fahrer die Autos an die Säulen, zu häufig mussten die Autos von Mitarbeitern aufgeladen werden.

Wenn nicht mal ein Carsharingbetreiber mit 300 Fahrzeuge es schafft im Electropolis Berlin erfolgreich zu agieren, wie sollen dann eigentlich Privatleute ihre eigenen E-Fahrzeuge nutzen? Ein totales Versagen unserer Mobilitätsaktivisten im Senat.

schreibt NutzerIn stab

In der Zwischenzeit standen sie herum, da Autos mit zu niedrigem Ladestand nicht gemietet werden konnten. Das führte dazu, dass Car2Go seine Flotte alleine in Berlin auf inzwischen 1100 Autos ausbauen konnte, DriveNow sogar auf 1300. Multicity hingegen kündigte zwar 2013 an, seine Flotte im Folgejahr auf 500 Autos aufzustocken, aber man kam zu Spitzenzeiten gerade einmal auf 400. Zuletzt wurden 2016 doch 100 Benziner eingeflottet – und 100 elektrische C Zero verkauft.

Von Berlin im Stich gelassen, von der Bahn schlecht versorgt

„Das ist ein Henne-Ei-Problem“, sagt Björn Hornemann, Marketing-Manager bei Multicity: „Das Hauptproblem ist, dass die Stadt zu wenig dafür tut, die Infrastruktur auszubauen.“ Dadurch gibt es noch immer zu wenig Ladepunkte. „Das zweite Problem ist, dass vorhandene Ladesäulen zu wenig geschützt werden.“ Die Parkplätze davor würden viel zu häufig durch Verbrenner belegt, sagt Hornemann: „Das Extrembeispiel ist der Bezirk Neukölln. Dort wurden nun sogar offiziell wieder Halteverbote an Ladesäulen abgeschafft.“

Daneben hatte Multicity stets mit seiner Infrastruktur zu kämpfen. Denn die kam von der Deutschen Bahn, mit der Citroën für das Projekt kooperierte: „App und IT-Backend kamen komplett von der Bahn-Tochter DB Connect. Diese zeigten sich leider immer wieder als störungsanfällig, was uns sicher nicht geholfen hat", sagt Hornemann.

Kunden sollen zu Free2Move wechseln

Nach fünf Jahren haben Citroën und der Mutterkonzern PSA beschlossen, das Projekt komplett aufzugeben. Überlegungen, es neu aufzustellen oder unabhängiger von den langwierigen Entscheidungswegen bei Citroën und Bahn zu machen, seien gescheitert, hieß es aus dem Unternehmensumfeld. Die Kunden von Multicity wurden per E-Mail benachrichtigt. Sie bekamen das Angebot, zu Free2Move zu wechseln.

Typisch. Immer sind die anderen Schuld: die Stadt, die Bahn, die Benutzer, die die Fahrzeuge nicht anstöpselten. Anstatt sich klar darüber zu werden, dass das eigene Geschäftsmodell, zu 100% Akku-Autos zu fahren, zu heftig mit der Realität kollidiert und deswegen schlicht nicht umsetzbar ist.

schreibt NutzerIn magberlin

Die Mobilitäts-Sharing-Plattform mit Sitz in Berlin hieß noch bis Anfang 2017 Carjump und wurde letztes Jahr von PSA aufgekauft. Inzwischen hat die Firma 60 Mitarbeiter, sagt Fabian Kofler, Geschäftsführer und Gründer. Auf der Plattform können in Berlin Roller, Autos und Lieferwagen von derzeit zwölf Diensten gebucht werden. Im Gegensatz zu Konkurrenzplattformen wie Daimlers Moovel liege der Fokus von Free2Move vorerst aber nicht auf dem Anbieten verschiedenster Mobilitätslösungen von Taxi, über Nahverkehr bis Zug, sondern auf dem Zugang zu Sharing-Angeboten, bei denen man selber fährt, sagt Kofler. Später könnte das aber erweitert werden.

Zu den Carsharing-Anbietern Ubeeqo und Driveby sowie dem Rolleranbieter Coup können Multicity-Kunden ihre Nutzerdaten mitnehmen und müssen sich dann nicht neu registrieren. Die Autoflotte von Multicity wird jedoch von keinem dieser Anbieter übernommen. „Die Elektroautos gehen in den Verkauf“, sagt Hornemann. An wen sie verkauft werden, sei noch unklar. Die Verbrenner sind schon jetzt ausgeflottet und sollen in den Gebrauchtmarkt gehen. Von den Anbietern bei Free2Move ist jedoch keiner auf Elektroautos fokussiert.

Das vorläufige Ende für elektrisches Carsharing in Berlin

Auf der Facebook-Seite von Multicity bedauerten viele das Ende des Angebots. Einige schrieben, dass sie dadurch erstmalig Kontakt mit Elekromobilität hatten und Elektroautos Verbrennern vorziehen würden. Bei den größten Carsharing-Anbietern DriveNow und Car2Go geht die Tendenz derzeit aber eher in die entgegengesetzte Richtung: In den letzten Jahren wurden größere – und verbrauchsintensivere – Automodelle mit in die Flotte aufgenommen. DriveNow hat zwar mit dem BMWi3 einen Elektrischen im Angebot. Aber der macht gerade einmal zehn Prozent der Flotte in Berlin aus.

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