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Wirtschaft: "Rußland braucht eine neue Steuerpolitik"

Kacha Bendukidse führt seit fünf Jahren das Maschinenbauunternehmen Uralmasch, das im Jahre 1992 privatisiert worden ist und heute Bagger, Gerüste für Bohrinseln sowie Bauteile für Kernkraftwerke herstellt.Das Uralmasch mit Hauptsitz in Jekaterinenburg zählt zu den größten Betrieben der russischen Schwerindustrie und beliefert nach eigenen Angaben mit seinen Baggern den gesamten russischen Markt.

Kacha Bendukidse führt seit fünf Jahren das Maschinenbauunternehmen Uralmasch, das im Jahre 1992 privatisiert worden ist und heute Bagger, Gerüste für Bohrinseln sowie Bauteile für Kernkraftwerke herstellt.Das Uralmasch mit Hauptsitz in Jekaterinenburg zählt zu den größten Betrieben der russischen Schwerindustrie und beliefert nach eigenen Angaben mit seinen Baggern den gesamten russischen Markt.Aktien von Uralmasch sind seit Februar 1998 auch an der Berliner Börse notiert.Mit Bendukidse sprach Vanessa Liertz.

TAGESSPIEGEL: Herr Bendukidse, könnten die Aktien ihrer Firma wegen der Wirtschaftskrise wertlos werden?

BENDUKIDSE: Das glaube ich nicht.Nein, wir rechnen im Jahre 2000 sogar mit einem Umsatz von über 900 Mill.Dollar - statt bisher über 500 Mill.Dollar.-, wenn sich die Lage in der nächsten Zeit verbessert.

TAGESSPIEGEL: Was muß bis dahin geschehen?

BENDUKIDSE: Am wichtigsten ist eine neue Steuerpolitik.Damit meine ich eine echte Steuerreform.Unsere Regierung, sowie der IWF scheinen hingegen zu denken, daß sie nur ein paar Steuersätze senken müssen.

TAGESSPIEGEL: ...etwa die Gewinnsteuer, die heute bei 35 Prozent liegt?

BENDUKIDSE: Das Problem ist nicht die Höhe der Gewinnsteuer, das Problem sind Steuern, die ökonomischer Schwachsinn sind.

TAGESSPIEGEL: Zum Beispiel?

BENDUKIDSE: Heute muß ein russischer Unternehmer vier Prozent seines Umsatzes versteuern.Wer aber beispielsweise mit Computern handelt, mag viel umsetzen, macht aber wenig Gewinn - meistens weniger als vier Prozent vom Umsatz.Also kann er dichtmachen.Es ist außerdem merkwürdig, wenn ein Unternehmen wie Gazprom im Ausland Geld leihen muß, um seine Steuern zu bezahlen.

TAGESSPIEGEL: Angeblich hat aber Gazprom vorher kaum Steuern gezahlt.

BENDUKIDSE: Das stimmt nicht.Jeder in Rußland zahlt Steuern.

TAGESSPIEGEL: Auch Sie beschreiben allerdings ein Steuersystem, das Unternehmer vor die Wahl stellt: Entweder Steuern zahlen und Pleite machen oder keine Steuern zahlen.Wer überlebt denn?

BENDUKIDSE: Jedenfalls kein Unternehmer, der - offiziell - schwarze Zahlen schreibt.Wenn mir hier jemand vom Gewinn einer Fabrik erzählt, dann weiß ich: Die gibt es nicht.Wer überleben will, versucht, sein Unternehmen so zu konstruieren, daß der Gewinn in den Büchern nicht auftaucht.Selbst für diese Unternehmen ist aber die Steuerlast zu hoch.

TAGESSPIEGEL: Wie hoch sollte sie sein?

BENDUKIDSE: Realistisch wäre, die heutige Steuerlast um 40 Prozent zu senken.Unsere Regierung will hingegen die Steuersätze noch erhöhen, die schon jetzt unsere Wirtschaft erdrücken.Wären sie niedriger, gäbe es mehr Firmen, die schwarze Zahlen schreiben und damit mehr Steuergelder.

TAGESSPIEGEL: Krankt die russische Wirtschaft nur an der falschen Steuerpolitik?

BENDUKIDSE: Nicht nur.Falsch ist auch, daß unsere Regierung den Rubelkurs künstlich stützt.Das ist doch absurd, wenn der Rubel während des Krieges in Tschetschenien stabil bleibt und während der Asienkrise im Verhältnis zum Yen nach oben klettert.So kann er für unsere Unternehmer niemals ein Indikator sein.Der künstliche Kurs lähmt unsere Wirtschaft.

TAGESSPIEGEL: Sind die 4,8 Mrd.Dollar des IWF eine Medizin?

BENDUKIDSE: Nein, eher eine Droge.Richtig ist zwar, daß die russische Regierung Geld aus dem Westen braucht.Sie braucht Dollars, um ihre Refinanzierungskosten zu senken: Schon heute sind die Zinsen der staatlichen Wertpapiere monströs und liegen weit über 100 Prozent.Die Regierung braucht auch Geld, um die Steuern senken zu können, bis die Wirtschaft wächst.Derweil muß die Regierung ihr Budget durch Kredite finanzieren.Leider waren die Staatsausgaben in den letzten Jahren astronomisch, und die Politiker benutzen das Geld für völlig andere Ziele.

TAGESSPIEGEL: Was für eine Medizin braucht die russische Wirtschaft also aus dem Westen?

BENDUKIDSE: Der IWF sollte sagen: Entweder Ihr reformiert Euer Steuersystem oder es gibt kein Geld, aber nicht 4,8 Mrd.Dollar geben und 800 Mill.bis September zurückhalten.Auch ein Arzt kann seinem Patienten nur entweder jeden Tag ein Antibiotikum verabreichen oder gar keins.Also: Wir brauchen den Westen, um das alte System zu vernichten.

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