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Bäuerin Suchanowa aus dem Ort Novoe Seltso, rund 100 Kilometer von Moskau entfernt, sorgt sich um die Zukunft ihres Betriebes.

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Ukraine-Krise: Russlands Bauern leiden trotz Importstopps

Ein Embargo gegen landwirtschaftliche Produkte aus dem Westen werde die heimische Agrarindustrie stärken, hatte der Kreml vor Monaten versprochen. Doch unter russischen Bauern ist die Frustration groß.

Von Milch über Schinken bis hin zu Obst - bei all diesen Produkten gibt es für russische Landwirte kaum noch Konkurrenz. Doch Bäuerin Larissa Suchanowa spürt nur wenig Erleichterung durch das Importverbot für westliche Lebensmittel. "Ich sehe keinen großen Unterschied", sagt die 68-Jährige, während sie eine ihrer 120 Ziegen streichelt. So wie ihr geht es vielen russischen Bauern. Die Vorteile durch das Embargo können die Schwierigkeiten des Sektors nicht aufwiegen. Ein Problem ist das Geld. Die Regierung in Moskau hat den Landwirten umgerechnet rund 3,5 Milliarden Euro versprochen, damit sie ihre Produktion verbessern können. Larissa Suchanowa sagt, ihr sei bereits im März ein Zuschuss von zehn Millionen Rubel (143.000 Euro) versprochen worden - doch bis heute warte sie auf das Geld. "Ich hätte den Zuschuss vor Monaten gebraucht", sagt sie. "Jetzt weiß ich nicht, wo ich im Winter meine Ziegen unterbringen soll."

Gleichzeitig sind Suchanowas Kosten für die Produktion von rund 200 Litern Milch am Tag gestiegen. Um die Ziegen auf ihrem Hof nahe Moskau zu füttern, muss sie nach eigenen Angaben 60 Prozent mehr ausgeben als früher. Der schwache Rubel treibt die Preise für Viehfutter, Dünger und andere wichtige Produktionsmittel in die Höhe. So verwundert es kaum, dass es der russischen Landwirtschaft bisher nicht gelingt, die durch das Embargo entstandenen Lücken im Lebensmittel-Angebot zu füllen. Zwar verzeichnet die Branche im Gegensatz zur Gesamtwirtschaft noch Wachstumsraten, doch diese reichen bei Weitem nicht aus. Während das Land immer tiefer in die Rezession rutscht, wuchs der Agrarsektor im ersten Quartal. Die Fleischproduktion legte im Januar und Februar um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu - doch die Importe gingen um 62 Prozent zurück. Ähnlich sieht es beim Käse aus: Hier gingen die Importe infolge des Embargos um 65 Prozent zurück, doch wegen Milchmangels können die einheimischen Hersteller das nicht ausgleichen. Die produzierte Milchmenge stieg im ersten Quartal 2015 nur um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Konfiszierte westliche Lebensmittel werden an der Grenze zu Weißrussland zerstört.

© dpa

Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschew sagte kürzlich dennoch voraus, dass alle vom Embargo betroffenen westlichen Lebensmittel binnen eines Jahrzehnts durch russische Produkte ersetzt werden können. Um das zu erreichen, sei aber noch einiges mehr nötig als nur der Wegfall der Konkurrenz, sagt der frühere Vize-Landwirtschaftsminister Leonid Cholod. "Das Embargo hat einige bedeutende Konkurrenten aus dem russischen Markt entfernt, aber schon früher bestehende Probleme in der Agrarindustrie sind nicht verschwunden", sagt Cholod. Neben finanziellen Problemen gehören dazu eine unterentwickelte Infrastruktur und veraltete Technik. Auch fehlt es an einer klaren Technologie-Strategie der Regierung.

Tatjana Bobrowskaja von der russischen Filiale der Ratingagentur Fitch verweist zudem auf das Problem, dass niemand weiß, wie lange es das Embargo geben wird. Vor diesem Hintergrund sei kaum jemand bereit, Geld in Branchen wie Rindfleisch- oder Milchproduktion zu stecken, wo sich Investitionen erst nach langer Zeit auszahlen. Einer der größten Agrarkonzerne des Landes, Rusagro, machte vor kurzem klar, dass er ohne weitere staatliche Hilfe keine neuen Projekte angehen werde. Für die russischen Verbraucher sind all das keine guten Nachrichten. Denn sie müssen mit stark steigenden Lebensmittelpreisen zurecht kommen - verursacht durch das Embargo, das die heimischen Landwirte nicht kompensieren können, und die Schwäche des Rubel. Für einen Aufschrei sorgte Anfang August dementsprechend die staatlich angeordnete Zerstörung hunderter Tonnen Lebensmittel aus dem Westen, von Käse bis Obst. Die empörte Kritik aus der Bevölkerung und von Prominenten blieb jedoch wirkungslos. (AFP)

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