zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Schach dem Großmeister

Nach der Pleite seiner Internetfirma fordern die Financiers ihr Geld von Garri Kasparow zurück

Der russische Schachgroßmeister Garri Kasparow steckt inmitten der Vorbereitungen für ein neues Match gegen einen Schachcomputer. Der Rummel um die Partie, die noch Ende dieses Monats in New York beginnen soll, ist gewaltig. Das letzte, was Kasparow da braucht, ist Ablenkung. „Dein Kopf muss absolut klar sein", sagt er in einem Telefon-Interview. Der Vorsatz ist die eine Sache, seine Verwirklichung steht auf einem anderen Blatt und bereitet Kasparow zunehmend Kopfzerbrechen. Denn neben der Revanche für seine Niederlage gegen die Schach-Maschine Deep Blue im Jahr 1997 ist Kasparow in einen üblen Streit um das Scheitern einer Internet-Firma verwickelt.

Die meisten Opfer der Dotcom-Ära haben die Vergangenheit längst hinter sich gelassen, und genau das schwebte auch Garri Kasparow vor. Seine Firma, Kasparov Chess Online Inc. (KCO), hat ihre Webseite vor sechs Monaten dicht gemacht, nachdem ihr das Geld ausgegangen war. Der damalige Geldgeber, die First International Bank of Israel, will davon nichts wissen. Weil ihr Kredit an KCO über umgerechnet 1,4 Millionen Dollar nicht zurückgezahlt wurde, klagt die Bank ihre Verluste ein. Sie verlangt von Kasparow Schadenersatz und will die Internetseite reaktivieren und verkaufen – samt den Rechten zur Nutzung von Kasparows Namen. Der Plan bringt das Schach-Genie in Rage. „Die Idee von der Kontrolle über meinen Namen ist völlig lächerlich", sagt Kasparow.

In einem Zug, der auch den 39-jährigen Schach-Strategen überraschte, reichte die israelische Bank am Heiligabend des vergangenen Jahres Klage vor einem Gericht im US-Bundesstaat Delaware ein, wo KCO registriert ist. Bei der gerichtlichen Anhörung drei Tage später wollte sie die sofortige Reaktivierung der Internet-Seite erreichen, damit ihr Wert für einen möglichen Verkauf erhalten bleibt. So rasch wollte sich der Richter allerdings kein Urteil über mögliche Ansprüche auf Kasparows Namensrechte bilden. Er schmetterte den Antrag vorerst ab. Für Kasparow hat dies die Lage zwar verbessert. Doch die Beratungen mit seinen Anwälten kosteten ihn wertvolle zwölf Tage seiner Spielvorbereitung. Das Verfahren schwebt noch, und über ihren nächsten Zug hüllen sich die Anwälte der Bank in Schweigen.

In New York wird Kasparow vor einer ganz anderen Herausforderung stehen. Das Schachspiel gegen den Computer wird als Schlacht „Mensch gegen Maschine – der Rückkampf“ vermarktet. Das auf sechs Partien angelegte Match zwischen dem 26. Januar und dem 7. Februar lässt sich live im Internet verfolgen. Kasparows Gegenspieler wird Deep Junior sein, ein Schach-Rechner, der vor einem Jahrzehnt von zwei israelischen Programmierern entworfen wurde. Allein für sein Antreten kassiert Kasparow 500 000 Dollar von der World Chess Federation. Bei einem Sieg kämen noch einmal 300 000 Dollar dazu. Nicht allein das Geld reizt Kasparow. Es ist vor allem die Niederlage gegen die Deep Blue, der Schachmaschine von IBM, die es dem Meister angetan hat. „Ich will mich für meine Niederlage von 1997 rehabilitieren", sagt er.

Die Online-Firma KCO verbucht Kasparow inzwischen als eine Niederlage. Gegründet 1999 mit der Hilfe israelischer Geldgeber, stieg die Kapitaldecke schnell auf 13 Millionen Dollar, darunter 110 000 Dollar seines Privatvermögens. „Wir glaubten, wir könnten etwas wirklich Großes aufbauen", sagt Kasparow heute. Die Idee bestand darin, Schach-Anleitungen zu geben, Online-Turniere zu veranstalten und unter jungen Leuten Begeisterung für das Spiel zu wecken. Die Seite brachte es auf viele Fans, doch nur bescheidenen Umsatz. Das Kapital ging für teure Software und Büroflächen in New York drauf. Als ihm klar wurde, dass das Geschäftsmodell nicht funktionierte, hätte Kasparow die Firma gern aufgelöst.

Doch die israelische Bank wollte sich nicht geschlagen geben. Ihr Anwalt schilderte dem Gericht, dass KCO sämtliche Werte als Sicherheit für den Kredit verpfändet habe. Darunter auch die Rechte zur Nutzung von Kasparows Namen. Dessen Berater bestreiten aber, dass es jemals ein Abkommen zur Verwertung des Namens gab. „Es geht darum, Kasparows Namen zu entwenden“, sagt sein Anwalt Richard Conn. Die Bank wirft Kasparow vor, er plane den Aufbau einer neuen Webseite, und zwar „unter Verstoß gegen seine Treuepflichen gegenüber KCO". Kasparow sagt, dass er sich zwar eine neue Seite vorstellen könnte, doch nicht mit wirtschaftlichen Ambitionen, sondern nur zur Förderung des Spiels unter Studenten.

Während er über seine israelischen Gegenspieler kein gutes Wort verliert, ist er voll des Lobes über seinen elektronischen Kontrahenten. Mit seinem aggressiven, unberechenbaren Stil, sagt er, sei der Computer Deep Junior letztlich „eine Nachahmung von Garri Kasparow“.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Euro), Tina Specht (Kasparow), Svenja Weidenfeld (Entwicklung), Matthias Petermann (Polen) und Christian Frobenius (China).

James R. Hagerty

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false