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Wirtschaft: Schicksalsprozess gegen US-Tabakfirmen eröffnet Staat fordert 280 Milliarden Dollar Schadenersatz

New York - Am Dienstag begann in Washington einer der größten Prozesse gegen die Tabakindustrie – von der Clinton-Administration gegen den Zigarettenhersteller Philip Morris und sieben seiner Konkurrenten initiiert. Das US-Justizministerium will den Unternehmen Gewinne in Höhe von 280 Milliarden Dollar abnehmen.

New York - Am Dienstag begann in Washington einer der größten Prozesse gegen die Tabakindustrie – von der Clinton-Administration gegen den Zigarettenhersteller Philip Morris und sieben seiner Konkurrenten initiiert. Das US-Justizministerium will den Unternehmen Gewinne in Höhe von 280 Milliarden Dollar abnehmen. Das wäre mehr als das Doppelte des Börsenwertes aller betroffenen Unternehmen.

Seit den fünfziger Jahren hätte die Branche in einer Verschwörung die Öffentlichkeit getäuscht, indem sie die Gesundheit schädigenden Risiken durch das Rauchen verschwiegen habe, die Gewinne seien deshalb illegal und müssten zurückgezahlt werden, argumentieren die Anwälte des Justizministeriums. Erst 1998 hatte man sich mit den Staatsanwälten von 46 Bundesstaaten auf einen Vergleich geeinigt, der die Firmen damals schon 246 Milliarden Dollar gekostet hatte. Sie konnten den Schock absorbieren.

Ein Schuldspruch in diesem 1999 angestrengten Prozess, der den Steuerzahler bereits 135 Millionen Dollar gekostet hat, würde Experten zufolge jedoch das Ende der Branche bedeuten. In Branchenkreisen gab man sich jedoch vor Prozessbeginn siegessicher.

Die Regierung muss nämlich unter dem von der Regierung angewendeten RICO-Gesetz nachweisen, dass die Unternehmen nicht nur in der Vergangenheit groß angelegten Betrug begangen haben, sondern dass die Betrügereien weitergehen und die Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des kriminellen Verhaltens besteht. Das dürfte schwierig sein.

Seit Jahrzehnten warnen nämlich die Konzerne auf Zigarettenpäckchen vor den der Gesundheit schädigenden Folgen des Rauchens. Zudem sponsern sie Millionen schwere Aufklärungskampagnen, die vor allem Jugendliche abschrecken sollen.

Ferner betrifft die Beschwerde Handlungen aus den Jahren 1953, 1954 und 1963. Die Unternehmen werden also der Verletzung eines Gesetzes beschuldigt, das es damals noch gar nicht gab.

Was sind überhaupt die Anklagepunkte? Der Beschwerde zufolge hatten die Konzerne ein Komplott geschmiedet mit dem Ziel, den Zigarettenmarkt zu vergrößern und die Gewinne zu maximieren. Was daran illegal sein soll, ist unklar. Hätten sie nämlich die Gewinnmaximierung unterlassen, wären sie höchstwahrscheinlich von ihren Aktionären verklagt worden, vermutlich auch von den Pensionskassen etlicher Einzelstaaten, die die Konzerne auf Rückzahlung von Kosten im Zusammenhang mit Raucherkrankheiten verklagt hatten.

Des Weiteren sollen die Unternehmen der Öffentlichkeit gegenüber die Süchtigkeit des Rauchens verheimlicht haben. Ob der Nikotingenuss überhaupt eine Sucht ist, darüber streiten sich die Gelehrten jedoch. Die Konzerne verweisen in diesem Zusammenhang auf einen 1964 veröffentlichten Bericht des Gesundheitsministeriums, in dem das Rauchen nicht als Sucht, sondern als „Angewohnheit“ beschrieben wird. Nicht zuletzt fragt man sich, warum sämtliche Behandlungskosten einzig und allein den Herstellern aufgebürdet werden sollen.

Die amerikanische Regierung hätte die Herstellung von Zigaretten schlichtweg verbieten können, sagen Kritiker. Denn sie subventioniert den Tabakanbau in den Südstaaten seit den dreißiger Jahren. Zigaretten werden hoch besteuert und stangenweise an GIs auf Militärstützpunkten verkauft.

Der größte Zigarettenanbieter ist Altria (früher Philip Morris). Das Unternehmen mit Marken wie „Marlboro“, „Virginia Slims“, „Benson and Hedges“ und „Chesterfield“ kontrolliert rund die Hälfte des Marktes. Fast 40 Prozent aller in den USA verkauften Zigaretten entfallen dabei auf die Traditionsmarke „Marlboro“. Rund ein Viertel der Erwachsenen in den USA raucht regelmäßig, was 45 Millionen Menschen entspricht.

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