Wirtschaft: Schleppende Privatisierung bei ländlichen Flächen
Erst ein Viertel der Wälder veräußert / Bilanz bei Äckern noch schlechter / Weiter Streit um "bevorzugte Erwerber"VON TOM WEINGÄRTNER BONN.Im Gegensatz zum Industrievermögen der ehemaligen DDR kommt die Privatisierung von Äckern und Wäldern nur schleppend voran.
Erst ein Viertel der Wälder veräußert / Bilanz bei Äckern noch schlechter / Weiter Streit um "bevorzugte Erwerber"VON TOM WEINGÄRTNER BONN.Im Gegensatz zum Industrievermögen der ehemaligen DDR kommt die Privatisierung von Äckern und Wäldern nur schleppend voran.Nach der jüngsten Bilanz der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) waren Ende vergangenen Jahres von 650 000 Hektar Wald erst 152 000, also 24 Prozent, und von 1,1 Mill.Hektar Acker- und Weideland erst 18 310 Hektar, also 1,7 Prozent, verkauft.Grund dafür ist zum einen, daß Wiesen, Felder und Wälder als "kleinteiliges Eigentum" gelten, zum anderen, daß ganz unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht werden. Die verschiedenen Interessen im Privatiesierungsprozeß soll das Entschädigungs- und Leistungsausgleichsgesetz (EALG) schützen, das die 1996 als Kompromiß beschlossene Flächenerwerbsverordnung (FlErwVO) enthält.Diese Verordnung räumt von den Sowjets enteigneten Alteigentümern, die nach dem Einigungsvertrag keinen Anspruch auf Rückgabe, sondern nur auf Entschädigung haben, den Status von "bevorrechtigten Erwerbern" ein.Besonders günstige Konditionen erhalten zudem Neu- und Wiedereinrichter, also landwirtschaftliche Existenzgründer oder ehemalige LPG-Bauern, die sich selbständig gemacht und die Flächen vom Bund gepachtet haben.Auch die LPG-Nachfolgebetriebe, die als Kapitalgesellschaften geführt werden, gehören zu den bevorrechtigten Erwerbern.Der problematische Kern des EALG-Kompromisses besteht darin, daß die LPG-Nachfolgebetriebe die bundeseigenen Flächen zu den gleichen Bedingungen kaufen können wie Alteigentümer, Neu- und Wiedereinrichter.Ihre bestehenden Pachtverträge werden für 18 Jahre gesichert, um bereits getätigte Investition zu schützen. Der im EAGL festgelegte Interessenausgleich ist allerdings inzwischen durch eine erneute Klage der Alteigentümer vor dem Bundesverfassungegericht bedroht.Sie wollen nicht nur die Rückgaberegelung revidieren.Durch eine Beihilfe-Klage in Brüssel versuchen sie zudem, den Anspruch der LPG-Nachfolger auf vergünstigten Erwerb zu Fall zu bringen.Die Kommission will in Kürze darüber entscheiden, ob ein Verfahren eingeleitet wird. 1997 verkaufte die BVVG mehr als 80 Prozent der Wälder und fast 70 Prozent der Äcker und Weiden nach dem EALG.Für die Waldflächen nahm sie pro Hektar 1830 DM ein, gegenüber 4550 DM bei den Verkäufen an Dritte.Für die Ackerflächen erlöste sie für den Bund 9100 DM je Hektar beim Verkauf an Dritte und 3480 DM bei Abgabe an bevorrechtigte Käufer nach dem EALG.Wer Flächen zu vergünstigten Preisen kaufen will, muß seinen Antrag bis Ende März 2000 stellen.Zugeteilt werden bis zu 140 Hektar. Der Bauernverband hatte kürzlich nach Absprache sowohl mit den ostdeutschen Landesverbänden als auch mit den Alteigentümern verlangt, den Verkauf außerhalb des EALG zu beenden.Das gleiche fordert auch eine Arbeitsgruppe der Unionsfraktion im Bundestag, die unter Leitung des Rechtsexperten Rupert Scholz arbeitet.Sie wolle keine neuen Ansprüche, empfiehlt aber, den Alteigentümern im Verwaltungsverfahren entgegenzukommen.So soll für den Nachweis eines Wohnsitzes in der Nähe eines Betriebes in Zukunft die Meldebescheinigung ausreichen.Auch künftige Erben von Alteigentümern sollen sich am Flächenerwerbsprogramm beteiligen und dabei mehrere Ansprüche geltend machen können.Erleichterungen soll es außerdem für Erbengemeinschaften, Miteigentümer sowie bei der Finanzierung des Kaufpreises geben.Der Finanzminister hat diese Regelungen allerdings noch nicht umgesetzt, die Flächen werden weiter nach dem EALG veräußert.Er hat die BVVG in der vergangenen Woche lediglich aufgefordert, den Verkauf an Dritte vorerst einzustellen.Der Verkaufsstop gilt bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in dem von den Alteigentümern angestrengten Verfahren wegen Ungleichbehandlung.Es wird frühestens im nächsten Jahr erwartet.
TOM WEINGÄRTNER