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Wirtschaft: "Schöne Menschen brauchen keine Designer-Uniform"

TAGESSPIEGEL: Herr Joop, wie persönlich nehmen Sie Geschäfte?JOOP: Das Geschäft mit der Oberfläche kann nur mit Disziplin und Ernsthaftigkeit betrieben werden.

TAGESSPIEGEL: Herr Joop, wie persönlich nehmen Sie Geschäfte?

JOOP: Das Geschäft mit der Oberfläche kann nur mit Disziplin und Ernsthaftigkeit betrieben werden.Wie in vielen anderen Disziplinen hat das, was am leichtesten wirken soll, am meisten Kraft gekostet.Meine persönliche Erkenntnis ist, das Eitelkeit und Glück kein Liebespaar ist.

TAGESSPIEGEL: Sie waren mit Ihrem Ex-Partner Herbert Frommen unglücklich und Sie sind es mit ihrem neuen Partner Peter Littmann.Warum knallt es immer bei Ihnen?

JOOP: "Den Knall" zwischen mir und Littmann haben anscheinend nur andere gehört.Wir beide nicht.In "The Hell of Fame" liebt man Konflikte.Ich weiß natürlich, daß Kreativität Nebenwirkungen hat: Selbstzweifel, Ungeduld und manchmal Anarchie.Man will Altes zerstören, um Neues zu schaffen.Kreative sind oft sprunghaft wie Kinder.Kinder sind maßlos.Dennoch brauchen sie Schutz.Verrät jemand seine Schutzfunktion, bringt er sich um den Lohn der Zukunft.

TAGESSPIEGEL: Littmann und Sie galten als Traumpaar.Immerhin hat er viel Verständnis und Liebe zur Kunst und zugleich Ahnung vom Geschäft.

JOOP: Paarungswillige können ein Leben lang auf einen Besseren warten, den es vielleicht irgendwo gibt.Bis der dann kommt, ist das Leben vorbei.Die Ware, die wir verkaufen, hat ein schnelles Verfallsdatum.In dem Moment, als Peter Littmann und ich uns trafen, stand für uns beide fest, es ist kein Besserer da.Mode ist ein schwieriges Geschäft, dessen Tradition in Deutschland zerstört wurde.Jil Sander und ich gehören hier noch immer zur ersten Nachkriegsgeneration.Wir brauchen ein junges Herz und alte Augen.Viele denken, die "hausgemachte" Vorbildung, daß man so wie der Kunde eitel und unsicher ist, sei Voraussetzung genug um reich und berühmt zu werden.

TAGESSPIEGEL: Aber Sie haben doch Litmann ausgesucht, nicht umgekehrt.

JOOP: Uns verband eine ähnliche, wenngleich unterschiedliche Motivation: Ich mußte zu dem Zeitpunkt jemanden loswerden, er wollte jemanden haben.Schon zu seiner Zeit bei "Boss" hatte er meine Anstrengung, die Marke "Joop!" attraktiv und sexy zu halten, trotz aller Probleme, beobachtet.Er wußte, daß erfolgreiche Marken dualistisch orientiert sein müssen.Und das von Anfang an.In unserer Welt gibt es nun mal das Weibliche und Männliche.Wir leben in einer post-emanzipierten Zeit, da will Frau weder Lady-Boss sein noch Sanders Sohn.Das Gegensätzliche und das Gemeinsame an Mann und Frau sollte der Inhalt jeder Strategie sein.Modernes Design kommt heute ohne Aggressivität aus, ohne den Schock-Effekt der 80iger Jahre.Die Geschlechter haben Frieden geschlossen.

TAGESSPIEGEL: Aber Jil Sander macht doch jetzt eine Herrenkollektion.

JOOP: Jil Sander zieht Söhnchen an und keine Männer.Die Marken, die heute Erfolg haben und sexy sind, brauchen beide Geschlechter.Gucci, Prada, Ralph Lauren, Calvin Klein - das sind dualistische Marken.Ein Monsieur Dior ist dagegen nicht geil, denn die ganze Marke ist feminin ausgerichtet.Das hat Peter Littmann gewußt.Deshalb wollte er Joop.Männliche Designer sind außerdem meistens erfolgreicher als Frauen.Frauen sind sehr mit sich selbst beschäftigt.Wenn sie sich nicht begehrt fühlen, fühlen sie sich wertlos.Ein Mann ist anders.Er versucht, sich neue Welten zu schaffen.Ich suche nicht nach Stil, ich mische Stile.Im Mischen von Stilen finde ich mich selbst.Mode lebt vom Verrat.

TAGESSPIEGEL: Kann man Joop überhaupt in ein dauerhaftes, berechenbares Unternehmenskonzept einbeziehen?

JOOP: Die Marke "Joop!" hat ein ähnliches Potential wie Calvin Klein, Gucci, Ralph Lauren.Marken, die aus vielen Einzelteilen eine eigene Welt bilden.Meine Vielseitigkeit läßt sich nicht simpel verpacken.Aber sie ist authentisch und dauerhaft abrufbar.Und bisher gab der Zeit-Trend mir recht.Was "echt" und "unecht" ist, spüren die Menschen heute.Nur wer bereit ist, Ecken und Wunden zu zeigen, wird von der Menschheit belohnt.

TAGESSPIEGEL: Tun Ihnen nicht manchmal die Wünsche-Aktionäre leid?

JOOP: Für den Kurs der "Wünsche"-Aktien fühle ich mich nicht verantwortlich.Spekulation ist ein Risiko, keine Versicherung.Wer nicht bereit ist zu Spielen, sollte sich anderen Hobbys widmen.Littmann und ich haben die Aufgabe, dem Konzern ein Profil zu geben.Das ist nicht leicht.Bis jetzt haben wir es schließlich noch nicht mit einem Fashion-Konzern zu tun.

TAGESSPIEGEL: Paßt Joop nicht zu Wünsche?

JOOP: Wolfgang Joop paßt zu "Joop!" Wolfgang Joop ist keine Marketing-Erfindung.Sondern ein Mensch, der bereits schon einmal bereit war, Joop-Ausrufungszeichen zu verlassen, als ihm seine geschäftliche Situation unerträglich wurde.Außerhalb der Modewelt gibt es noch andere Welten und immer einen Neubeginn.Deshalb erfand ich damals die Marke "Wunderkind", mein Versprechen an eine eigene Zukunft, die ich selbst bestimmen werde.

TAGESSPIEGEL: Wollen Sie Joop zurückkaufen

JOOP: Ich sehe keine Notwendigkeit.Als ich meine Anteile verkaufte, tat ich das, weil ich nicht selbst für den "Lifestyle" meiner alten Partner arbeiten wollte.Schulden machen liegt mir nicht.Der "Wünsche"-Konzern hat mir finanzielle Unabhängigkeit beschert.Die möchte ich nicht aufgeben.Aus meiner Äußerung "ich würde" machte das "Handelsblatt" ich "will".Papier kann man zerreißen, Worte bleiben stehen.Natürlich würde ich versuchen "Joop!" zu retten, käme es zu irgendeiner Katastrophe.Aber diese ist im Moment reine Presse-Fiktion.Ich fühle mich dem Menschen, der eine "Joop!"-Jeans näht und dem, der sie für teuer Geld dann kauft, verpflichtet.

TAGESSPIEGEL: Warum tun die Menschen das?

JOOP: Wohl, weil ich immer ein wenig auch von mir mitverkaufe.Dieses Sich-Berühren-Lassen ist manchmal schön und manchmal schrecklich.Du lernst, daß du ein Teil von dem zu sein hast, wie man dich sehen will.Immer ist da die Gefahr des "Overkills".Wie sagte Woody Allen: bald gibt es nur Celebrities und keine Zuschauer mehr.

TAGESSPIEGEL: Wenn Sie Joop verlassen würden...

JOOP: Dann muß man sehen, ob die Marke eine Hülle ist.

TAGESSPIEGEL: Und wenn es Wolfgang Joop mal nicht mehr gibt?

JOOP: Ich hoffe, daß ich genügend hinterlassen habe, daß andere in meinem Spirit weitermachen können.Noch sehe ich mich jedoch nicht als Denkmal.

TAGESSPIEGEL: Könnten Sie heute unternehmerisch auf eigenen Füßen stehen?

JOOP: Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.Und vielleicht kann ich das mit "Wunderkind" beweisen.Ich dachte einst wie Friedrich der Große, ich sei mit der Flöte geboren.Doch dann wurde auch ich Soldat.Man sollte lernen, nicht immer versuchen zu wollen, das Unvermeidliche zu vermeiden.Meine Heldinnen waren immer die Nachkriegsfrauen, die - wie man in Berlin sagt - "aus Kacke Bonbon" machen konnten.

TAGESSPIEGEL: Aber diese Heldinnen passen nicht ins Joop-Outfit.

JOOP: Es gibt Joop!-Kleider ohne Paßformprobleme.Mein Parfum - zum Beispiel.Aber meine Mutter trägt auch Joop! Junge schöne Menschen brauchen eigentlich keine Designer-Uniformen.Meine treuen Fans sind die eher Unscheinbaren, die sich für ihr Kleingeld etwas Glamour kaufen.

TAGESSPIEGEL: Aber Sie umgeben sich mit Claudia Schiffer und Co und nicht mit den Frauen, die Deutschland aufgebaut haben.

JOOP: Claudia und Co sind Berufskollegen, mit denen mich die Arbeit verbindet.Ich vergesse nicht, woher ich kam.Ich kam aus der DDR, für viele heute bereits nur noch Fiktion.Der Riß durch Deutschland ging auch durch mein Herz.Westdeutschland schlug sich auf die Seite der Sieger, die DDR auf die Seite der angeblichen Moral.Noch immer müssen wir Selbstverantwortlichkeit üben.Das ist nicht leicht für Menschen, die sich gedemütigt fühlen.Demütigung lockt Demagogen.

TAGESSPIEGEL: Und jetzt haben Sie eine Villa in Potsdam.

JOOP: Ich bin gerade auf dem Sprung nach New York.Meiner Wahlheimat, als ich Angst vor dem Neuen Deutschland hatte.Der "American Dream" ist jedoch auch der "American Angst" gewichen.Einer latenten Angst vor Rechtsradikalität und Spitzeltum.New York und Hamburg werde ich nur noch zum Arbeiten besuchen.Mein neues Zuhause ist Potsdam und Monte Carlo.Dort genieße ich die Abwesenheit von Neid.In Monte Money hat immer einer noch mehr.Und es ist so tröstlich, daß die schönen, reichen berühmten Prinzessinnen auch nicht andauernd glücklich sind.

TAGESSPIEGEL: Was bedeutet Ihnen Potsdam ?

JOOP: Potsdam spricht meine Sprache.Und Worte sind wie Landschaften.Heimat ist wie eine Geliebte.Und muß man schon sterben, dann doch in ihren Armen.

TAGESSPIEGEL: Was bleibt denn bei der Wünsche AG, wenn der kreative Teil von Joop sich jetzt über "Wunderkind" auslebt?

JOOP: Bei Joop!-Wünsche bleiben große Aufgaben, auf meine uneingeschränkte Mitarbeit kann man zählen.Aber warum sollte ich nicht gleichzeitig etwas Neues machen, dort wo sovieles neu ist? Mein Temperament verlangt Überdosierung!

TAGESSPIEGEL: Ist Joop eine Weltmarke?

JOOP: Joop! ist weltweit längst kein Geheimtip mehr.Dennoch haben wir das Glück, noch viele Märkte "jungfräulich" betreten zu können.Das, was ich früher als nachteilige Verzögerung empfand, ist heute ein Vorteil.Inwieweit die mir wertvollen Dinge wie Souveränität, Stil und Selbstironie zu exportieren sind, ist mir unklar.Wer diese Dinge besitzt, ist kein Konsument.

TAGESSPIEGEL: Ist alles Joop, wo Joop draufsteht?

JOOP: Mit Design scheint das Leben heiterer und freundlich zu sein.Es verführt und entführt uns in den schönen Schein.Von den, grob geschätzt, über 10 000 Menschen, die an Joop!-Produkten arbeiten, haben viele eigene Auffassungen von Design und ihre Kreativität läßt sich oft schwerer bremsen.Das attraktive Logo "Joop!" verführt zur Überplazierung.Die Badehose, auf der quer über den Pobacken Joop! steht, trägt mit Vorliebe der, den ich nicht gemeint habe.Mit vier Buchstaben trägt man auch Verantwortung.

TAGESSPIEGEL: Aber Sie haben doch jedes Produkt, das Ihren Namen trägt, irgendwann mal gesehen?

JOOP: Nein, nicht alle.Viele Entwürfe erkenne ich später kaum wieder.

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