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Schuldenkrise: Schweiz bindet sich an den Euro

Die Schweizer Notenbank legt den Wechselkurs auf 1,20 Franken pro Euro fest. Experten sprechen von einem "drastischen Schritt".

Berlin - In der Krise hat der Schweiz ihre Neutralität nicht geholfen. Am Dienstag musste auch das kleine Nicht-EU-Land inmitten der Eurozone auf die Verschuldung seiner Nachbarn reagieren. Weil der starke Franken die Wirtschaft schon seit Monaten belastet, kündigte die Schweizer Notenbank an, ihre Währung an den Euro zu koppeln.

Künftig wollen die Währungshüter in Zürich keinen Euro-Kurs mehr unterhalb von 1,20 Franken pro Euro tolerieren, hieß es. Andersherum darf ein Franken künftig höchstens 0,833 Euro wert sein. Die Zentralbank kann den Kurs steuern, indem sie ihrerseits Euro einkauft und dafür Franken verkauft.

Auf dem freien Markt war es bisher genau andersherum: Aus Unsicherheit über die Zukunft der Euro-Zone und die dramatische Verschuldung in den USA investierten die Anleger besonders gern in den als sicher geltenden Schweizer Franken. Ende 2007 konnte man einen Franken noch für etwa 60 Cent eintauschen. In diesem Jahr kostete er zwischenzeitlich beinahe einen ganzen Euro, eine Aufwertung von mehr als 60 Prozent innerhalb weniger Jahre.

Ähnlich gefragt ist in Krisenzeiten nur das Gold. Eine starke Währung bringt aber nicht nur Vorteile mit sich, im Gegenteil: „Die gegenwärtige massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung“, schrieb die Notenbank in einer kurzen Mitteilung. Das liegt nicht nur an den Touristen, die ausbleiben, weil Hotelzimmer und Restaurantbesuche beim aktuellen Wechselkurs unerschwinglich sind. Auch die Schweizer Maschinenbauer können mit den günstigen Konkurrenten aus Europa nicht mithalten. Experten sprechen von einem drastischen Schritt der Schweizer Notenbank: „Das war ein Quantensprung gegenüber der vorherigen Interventionspolitik“, sagte die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro in Frankfurt. Der Schritt sei sicherlich keine einfache Entscheidung gewesen. „Die Übertreibungen des Schweizer Frankens in der letzten Zeit, die waren wirklich massiv“, sagte die Schweizer Wissenschaftlerin. Ein Schaden für die Wirtschaft sei absehbar gewesen. Es ist das zweite Mal, dass die Schweizer Notenbank zu einem solchen Mittel greift. Zuletzt hatte sie 1978 einen festen Wechselkurs zur Deutschen Mark festgelegt.

Inoffiziell kauft die Notenbank zwar schon seit Monaten Euro auf, mit der Ankündigung vom Dienstag aber hat sie erstmals ein festes Kursziel ausgegeben. Das psychologische Signal zeigte Wirkung: Der Wert des Euro stieg gegenüber dem Franken um mehr als neun Prozent an: Kostete ein Euro am Montag noch 1,1111 Schweizer Franken, mussten dafür am Dienstag 1,2120 Franken bezahlt werden. Auch der Goldpreis gab zwischendurch stark nach, erholte sich aber wieder. Analysten erklärten dies mit der Tatsache, dass in vielen automatischen Anlageprogrammen der Franken und das Gold gekoppelt seien, weil sie sich in der Regel ähnlich entwickelten. Fällt der Kurs des einen Papieres, verkauft ein Computer automatisch auch das andere. In Zukunft rechnen sie damit, dass der Goldpreis noch weiter steigen werde, weil der Franken an Attraktivität verliere.

Ihren Ruf als „sicherer Hafen“ werde die Schweizer Währung dennoch nicht verlieren, glaubt Stefan Schneider von DB Research. Ebenso werde der Euro nicht plötzlich kräftig aufwerten: „So stark ist die Auswirkung nicht.“

Der Leitindex der Schweizer Börse legte bis zum Nachmittag jedenfalls um drei Prozent zu. Die Nationalbank hatte bereits Anfang August ihren Leitzins praktisch auf null gesenkt. Mitte August kündigte die Regierung an, betroffenen Exportunternehmen und Wirtschaftszweigen im Inland mit zwei Milliarden Franken (1,74 Milliarden Euro) unter die Arme zu greifen. Billig wird auch die neueste Krisenintervention nicht werden: Um den Frankenkurs dauerhaft niedrig zu halten, werde die Notenbank 80 bis 100 Milliarden Franken (66,5 bis 83,1 Milliarden Euro) ausgeben müssen, schätzen Analysten des Schweizer Bankhauses Julius Baer. In einer Woche sei das mehr als das Schweizer Bruttoinlandsprodukt.

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