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Am Wasser gebaut. Um keine böse Überraschung zu erleben, lassen Ferienhausbesitzer ihr Anwesen schützen.

© imago

Spanien: Hausbesetzer in der Ferienvilla

Kriminelle machen sich derzeit verstärkt in Urlaubsdomizilen breit – und die Besitzer können nichts dagegen tun.

Der Deutsche Frank Z. wollte wieder einmal ein paar erholsame Tage in seinem Häuschen auf Mallorca verbringen. Gut gelaunt und in Ferienstimmung flog er nach Palma. Doch als er endlich vor dem Tor seines schmucken Eigenheims ankam und das Grundstück betreten wollte, bellten ihn im Vorgarten gleich mehrere angriffslustige Hunde an. Und Frank Z. musste feststellen, dass sich Eindringlinge in seiner Traumimmobilie befanden: Besetzer, die in Spanien Okupas genannt werden. „Es war ein Schock“, berichtete der Mann der Mallorca Zeitung. Erst recht, nachdem die Polizei erklärte, dass sie nichts machen könne. Die Beamten dürfen ohne richterliche Anordnung nur in den ersten 48 Stunden einer Besetzung einschreiten. Die Okupas waren aber offenbar schon vor längerer Zeit in die Ferienvilla eingezogen. Und in solchen Fällen endet dieser Albtraum meist erst nach einem quälend langen Räumungsverfahren.

Knapp 90 000 Häuser und Wohnungen sind in Spanien derzeit besetzt, schätzt das private spanische Forschungsinstitut Cerdà. Vor allem auf Mallorca, an der Festlandküste und in den Großstädten. Auch ausländische Ferienhausbesitzer sind betroffen und deswegen zunehmend besorgt. Warum kommt es zu so vielen Besetzungen in Spanien? Institutschef Carlos Cabrera sieht dafür mehrere Gründe: „Wachstum der Armut, Mangel an Sozialwohnungen und ein großer Bestand an leerem Wohnraum.“

Ein gutes Geschäft für Sicherheitsfirmen

Angesichts einer überlasteten Justiz, die oft Jahre für ein Räumungsverfahren braucht, boomen derweil Unternehmen, die schnelle und unbürokratische Lösungen anbieten. Das sind Sicherheitsfirmen wie Desokupa, die der frühere Profiboxer Daniel Esteve gründete. Esteve bietet einen Trupp breitschultriger Männer an, welche die Besetzer „einladen“ freiwillig abzuziehen – ohne Gewalt und ganz legal, wie er versichert. Sollten die Okupas nicht umgehend aufgeben, werden sie buchstäblich ausgehungert, indem der Sicherheitsdienst vor der Tür eine „Einlasskontrolle“ installiert: Die Besetzer dürfen – etwa zum Einkaufen – raus, kommen aber nicht mehr rein. Das scheint zu funktionieren. „Wir haben in mehr als 90 Prozent aller Fälle Erfolg“, wirbt Esteve für seine Dienste.

An Arbeit mangelt es Esteves Truppe nicht. Objekte, die geschützt werden müssen, gibt es genug. Hunderttausende Immobilien, für die Käufer gesucht werden, stehen landesweit leer. Ähnlich viele, vor allem an den Küsten und auf den Ferieninseln, sind wenige Wochen im Jahr bewohnt, weil ihre Besitzer nur zum Urlaub vorbeikommen. So wie auch ein Schweizer Ehepaar, das ein Ferienheim mit Meerblick an der Costa Dorada besitzt. Als die beiden schließlich dorthin reisten, mussten auch sie feststellen, dass sich eine Besetzerin in ihrer Villa breit gemacht hatte. Nachdem sie von der Polizei erfuhren, dass sie keine Chance haben, ihren Urlaub in ihren eigenen vier Wänden zu verbringen, kehrten sie erschüttert in die Schweiz zurück und beauftragten einen Anwalt mit der Rückeroberung ihres Eigentums.

Organisierte Gruppen spezialisieren sich auf die Hausbesetzung

Experten warnen mittlerweile vor organisierten Gruppen, welche aus der Besetzung ein Gewerbe machen. „Sie halten nach lohnenden Objekten Ausschau und brechen dort ein“, berichtet ein Immobilienmakler auf der Ferieninsel Teneriffa. „Dann verkaufen sie die Schlüssel an andere Hausbesetzer.“ Die Preise für die „Schlüsselübergabe“, so hört man, liegen zwischen 300 und mehreren Tausend Euro. Die Schlüsselkäufer sind nicht selten Arme und Arbeitslose, die sich keine festen Mietzahlungen leisten können. Auch Roma-Clans fallen, so berichtet Mallorcas Polizei, häufig als Hausbesetzer auf. Genauso wie Drogendealer, die vor allem in den Großstädten Madrid und Barcelona über besetzte Wohnungen ihre Rauschgiftgeschäfte abwickeln.

„Die Vorgehensweise der Hausbesetzer ist immer dieselbe: Gartentor und Haustür eintreten, Hunde mitbringen, Schlösser austauschen – und es sich gemütlich machen“, schrieb die „Mallorca Zeitung“ über diese illegalen Praktiken. Im Internet kursieren mittlerweile „Gebrauchsanweisungen für eine erfolgreiche Hausbesetzung“, in denen Okupas über ihre „Rechte“ informiert werden: Sind die Eindringlinge erst einmal länger als zwei Tage in der Immobilie, genießen sie in Spanien einen höheren Rechtsschutz als die Eigentümer. Das führt zu paradoxen Situationen wie jener, die ein Villenbesitzer auf der Ferieninsel Lanzarote erlebte, als er sein Traumhaus betreten wollte. An der Haustür klebte eine Belehrung mit dem Text: „Bis es keinen Räumungsbefehl gibt, oder bis wir nicht eine andere Unterkunft haben, bleiben wir hier. Jedes widerrechtliche Eindringen wird angezeigt.“

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