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Wirtschaft: Sparsamkeit erzwingen

Die Wirtschaftsweisen wollen Staatsschulden nicht verbieten – aber den Politikern enge Fesseln anlegen

Von Antje Sirleschtov

Stand:

Berlin - Deutschlands führende Ökonomen haben die Politik davor gewarnt, bei den Verhandlungen zur Föderalismusreform II ein generelles Verbot für Staatsverschuldung zu vereinbaren. Ein solches Verschuldungsverbot, schreibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuesten Gutachten, „wäre ökonomisch ähnlich unsinnig, wie Privatleuten oder Unternehmen die Kreditaufnahme zu verbieten“. Dem Staat die Schuldenaufnahme zu verbieten, urteilen die Ökonomen, „ginge mit Wohlfahrtsverlusten einher“.

Dennoch weisen die Sachverständigen in ihrer Expertise, die sie im Auftrag der Bundesregierung angefertigt haben, darauf hin, dass Bund, Länder und Kommunen mit dem Instrument der Schuldenaufnahme in der Vergangenheit zu leichtfertig umgegangen sind. Im Ergebnis sei die Schuldenstandsquote (Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) von 17 Prozent im Jahr 1970 auf mittlerweile 68 Prozent gestiegen. Ein Stand, der nichts mehr mit der – durchaus positiven – langfristigen Finanzierung von Investitionen zu tun habe, sondern zu Wohlfahrtsverlusten führen könne. Zumal diese Schulden durch so genannte implizite Schulden (Beamtenpensionen, Sozialsysteme) noch angereichert würden.

Wenn nun Bund und Länder in der Föderalismusreform II eine Neuausrichtung der Staatsfinanzen anvisierten, raten die Ökonomen dazu, einen neuen Mechanismus zur Begrenzung der Staatsverschuldung einzurichten. Denn der bereits bestehende Mechanismus, die Schuldengrenze im Artikel 115 des Grundgesetzes, werde – so die Ökonomen – „der Aufgabe nicht gerecht“. Er habe sich als „weitgehend wirkungslos“ erwiesen.

Der Vorschlag der Sachverständigen für eine neue Lösung gliedert sich in drei Module auf. Wobei das erste Modul weiter an den bestehenden Artikel 115 anknüpft, der die jährliche Neuverschuldung auf die Höhe der Investitionen im jeweiligen Jahr begrenzt. Allerdings wollen die Ökonomen den darin enthaltenen Investitionsbegriff verengen. Und zwar um die Abschreibungen für bereits getätigte Investitionen und Einnahmen aus Investitionen (Privatisierungen). Dadurch könnte bei einer Fortschreibung des gegenwärtigen Investitionsvolumens in den kommenden Jahrzehnten die Schuldenstandsquote von 68 auf 35 Prozent gesenkt werden.

Eindeutig verhalten sich die Sachverständigen in der oft geführten Debatte, ob Investitionen in Humankapital nicht auch zu den staatlichen Investitionen gezählt werden sollten, die man über Kredite finanzieren kann. Gemeint sind dabei in erster Linie Bildungsinvestitionen. Die Ökonomen geben den Befürwortern einer solchen Theorie recht, weisen aber darauf hin, dass auch hier Abschreibungen gegengerechnet werden müssen. Weil diese bei Humankapital sehr hoch seien, sollte man nach Ansicht der Ökonomen jedoch beim alten Investiotionsbegriff („in Beton“) bleiben.

Im zweiten Modul sehen die Wissenschaftler eine Schuldenschranke vor. Kurz gesagt sichert diese über ein kompliziertes Berechnungsverfahren, dass die Staatsausgaben nur in konjunkturell schlechten Zeiten über den laufenden Einnahmen liegen dürfen. Ausnahmen sind nur bei Naturkatastrophen oder ähnlichen Fällen gestattet, ein mehrjährig eingerichtetes Ausgleichskonto schafft Spielräume für die Staatskassen. Wer dieses Konto überzieht, dem wollen die Ökonomen im dritten Modul Strafzahlungen aufbürden – unter anderem durch erzwungene Steuererhöhungen, um den politischen Druck auf die Politik zum Sparen zu erhöhen.

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