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Folker Greisner

© Kai-Uwe Heinrich

Filmservice "bloc inc.": Ständig im Weg

Vor 23 Jahren gründete das Unternehmer-Paar Grete und Folker Greisner ihre Firma "bloc inc.". Sie sperren Straßen ab und sichern Drehorte. Damals stießen die beiden mit ihrer Idee in eine echte Lücke. Heute kennt sie jeder in der Branche - und sie wissen, was ihr Erfolgsgeheimnis ist.

Von Heike Gläser

Auf dem Gelände an der Friedrichshainer Bödikerstraße steht das Firmenkapital von "bloc inc.": Knapp 1000 Verkehrsschilder, Absperrungen, rot-weiß-geringelte Pylonen und Signalleuchten stapeln sich auf dem Hof und in Containern. Das gesamte Equipment ist mit dem Logo der Firma versehen. Inhaber Folker Greisner in dickem Anorak und leuchtend roter Wollmütze, auf der ebenfalls "bloc inc." zu lesen ist, führt über das Gelände, auf dem früher einmal eine VEB Gastankstelle stand. Das Thermometer zeigt leichte Minusgrade an diesem Januarnachmittag, doch das lässt den umtriebigen Geschäftsführer buchstäblich kalt. Er ist es gewohnt, im Freien zu arbeiten, zu jeder Jahres- und Uhrzeit. Seine Firma hat sich auf filmspezifische Absperrungen und Dienstleistungen in Berlin und Brandenburg spezialisiert.

Momentan ist es noch ruhig. Im Januar werden nicht so viele Filme auf Berlins Straßen gedreht. Deshalb ist auch der Fuhrpark fast komplett. Die großen silbernen Trailer stehen aufgereiht auf dem Hof des Firmengeländes, linkerhand die Wagen, die wie Boote auf Mädchennamen getauft sind: "Audrey", "Marilyn" und "Sophia" heißen sie, benannt nach den großen Filmdiven vergangener Tage. Sie dienen als mobile Make-up- und Kostümräume. Rechterhand stehen die Aufenthaltstrailer für Filmcrews, die Vornamen großer männlicher Schauspieler tragen: "Humphrey" etwa, "Gregory" oder "Clark".

Mit einem Motorrad und ein paar Hütchen angefangen

Folker Greisner öffnet den "Sophia"-Trailer. Im Inneren ist eine Kleiderstange montiert, die viel Platz für Kostüme bereithält, und ein Schminktisch mit Spiegel installiert. Mann kann sich gut vorstellen, wie sich die Schauspieler auf ihre Szene vorbereiten, wenn der Trailer am Drehort steht.

Neben den elf Trailern besitzt Greisner vier Mercedes-Pritschen und drei Pick-ups, kleinere und größere Stromaggregate, Heizungen und Klimaanlagen. Ob Funkgeräte, Kabelbinder oder Biertischgarnituren – der Filmservice bietet alles, was eine Filmproduktion vor Ort benötigt. Zuletzt hat das Unternehmen die Absperrung und Sicherung der Glienicker Brücke auf der Berliner Seite übernommen – für die Dreharbeiten von Steven Spielbergs aktuellem Thriller "St. James Place".

In einem Container haben Folker und Grete Greisner ein Büro eingerichtet. Schlicht, funktional, mit ein paar Filmplakaten an der Wand und einem Regal, in dem stapelweise schwarze T-Shirts in allen Größen liegen. Auch sie natürlich mit dem "bloc inc."-Logo versehen. Dort erzählen beide von den Anfängen. Oder besser: Hauptsächlich er redet, sie hört aufmerksam zu, lächelt, unterbricht ihn nur selten. Das Paar hat – damals waren beide noch Studenten – sehr klein angefangen, mit einem Motorrad und ein paar Hütchen, um genau zu sein. Das war 1992. "Diese Dienstleistung, Drehorte abzusperren und zu sichern, hat es als Konzept vor uns gar nicht gegeben", erinnert sich Folker Greisner. Sie lebten in Kreuzberg 36, hatten die ersten Schilder im Hinterhof gelagert, später dann in einer 28-Quadratmeter-Wohnung. "Wir haben den Küchentisch leergeräumt, er diente als Büroplatz", sagt sie. "Und die Kabeltrommeln standen neben dem Bett", ergänzt er.

Das Business langsam aufgebaut

Folker Greisner kam 1992 aus dem kalifornischen Santa Barbara zurück, wo er Gebäude instandgesetzt hatte. Dann beauftragten ihn amerikanische Produzenten, die Studios in Adlershof zu renovieren. Die Bauarbeiter vor Ort waren ehemalige DFF-Mitarbeiter, die als einzige Fremdsprache Russisch beherrschten, aber keinen Brocken Englisch. Greisner übersetzte, organisierte und renovierte. Offenbar machte er das so gut, dass die Filmproduzenten ihn anschließend fragten, ob er nicht eine Straße "blocken" könne als Vorbereitung für anstehende Dreharbeiten. Daraus entstanden die Geschäftsidee und der Name der Firma.

Die Eheleute haben ihr Business langsam aufgebaut. Immer, wenn sie etwas Geld verdient hatten, investierten sie es ins Unternehmen. Die Greisners kauften Halteverbotsschilder, ein erstes Auto – für 1300 DM. "Das war unser gesamtes Vermögen", sagt er. Und vor allem machten sie sich Gedanken darüber, was bei Dreharbeiten vor Ort fehlte, was man optimieren könnte, wie man das Herz eines Aufnahmeleiters höher schlagen lassen kann. 1994 schafften sie sich das erste Funktelefon an. "Damit waren wir die Tollsten."

Die Greisners verstehen sich als Dienstleister und denken mit. So entstand auch die Idee, Kostüm- oder Maskentrailer in ihr Portfolio aufzunehmen. Die Trailer werden von "bloc inc."-Mitarbeitern selbst ausgebaut – maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Filmschaffenden. "Wir arbeiten sehr eng mit unseren Kunden zusammen, da bekommt man auch ein Gefühl dafür, was fehlt", sagt Greisner.

Inzwischen sind sie in der Branche bekannt wie ein bunter Hund. Kaum eine Filmproduktionsfirma kennt "bloc inc." nicht. Die Liste der Kunden ist lang, sehr lang. Sie betreuen Spielfilm- und TV-Produktionen, aber auch Musikvideos und Werbespots. Je nach Kundenwunsch bieten sie ihren Service an von der ersten Motivbegehung bis zum letzten Drehtag. Neben ihren guten Kontakten zu den hiesigen Behörden sei auch die ständige Erreichbarkeit ein wichtiger Baustein ihres Erfolgs. Folker Greisner sagt es mit Nachdruck: Das Filmgeschäft sei kein "nine to five"-Job, es sei wichtig, für die Kunden auch abends oder am Wochenende Ansprechpartner zu sein und, falls es ein Problem gibt, schnell und zeitnah eine Lösung anzubieten. "Wir geben den Kunden das Gefühl, die einzigen zu sein, sie werden persönlich und individuell beraten und betreut", sagt Greisner. Dabei hat die Firma in der Regel mehrere Produktionen gleichzeitig am Laufen.

Das Paar ist ein eingespieltes Team

Dazu braucht man Personal: Zehn festangestellte Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen. Diese sind an den jeweiligen Drehorten verantwortlich für die Umsetzung verkehrsregelnder Maßnahmen und müssen dabei auch die Wünsche der Filmproduktion berücksichtigen. Häufig ein Balanceakt für das Filmservice-Team. "Drehortbetreuung und Set-Koordination ist ein großer und sehr wichtiger Bestandteil unseres Aufgabengebiets", sagt Greisner. Darüber hinaus beschäftigt das Unternehmerpaar gut hundert freie Mitarbeiter, studentische Aushilfen, die je nach Bedarf auf Zeit eingestellt werden.

Ziel von "bloc inc." ist es, bei Dreharbeiten die Behinderungen für Anwohner oder auch Autofahrer so gering wie möglich zu halten. Besonders herausfordernd sind große Straßensperrungen wie zum Beispiel die Karl-Marx-­Allee. Für Dreharbeiten haben die Blocker einmal den gesamten Abschnitt vom Strausberger Platz bis zum Alex abgesperrt. Auch bei schnellen Autofahrten sei viel zu tun, da müsse man dafür sorgen, dass nicht jemand aus Versehen auf die Straße läuft. Gleiches gilt für historische Filmaufnahmen. "Da sollte möglichst niemand mit moderner Kleidung und einem Handy am Ohr durchs Bild laufen", sagt die Chefin.

Das Paar ist ein eingespieltes Team. "Wir ergänzen uns sehr gut", sagt Grete Greisner. Sie macht die Buchhaltung, er kümmert sich um die Mitarbeiter und hält den Kundenkontakt. "Ich verstehe mich als Schnittstelle zwischen Mitarbeitern und Kunden", sagt er. Bei seiner Frau laufen dann alle Informationen zusammen, sie hält die Zügel in der Hand.

Einige Krisen überstanden

So ist das Unternehmen in gemächlichem Tempo stetig gewachsen und hat in den vergangenen 23 Jahren auch einige Krisen durchgestanden, etwa im Jahr 2001 nach 9/11, als viele amerikanische Filmschaffende Hals über Kopf zurück in die USA gingen. Oder 2008, als im Zuge der Finanzkrise plötzlich keine neuen Werbespots mehr produziert wurden. "Aber aus jeder Krise sind wir gestärkt herausgekommen", sagt Folker. In letzter Zeit läuft es gut, die Zahl der Dreharbeiten in der Region nimmt weiterhin zu, die Auftragsbücher des Filmservices sind für 2015 gut gefüllt.

Im privaten wie im Berufsleben sind Grete und Folker Greisner gut aufeinander eingestellt. Manche in der Filmbranche, die sich ja doch eher wechselhaft gestaltet, halten das langjährige Paar für Exoten. "Die sind doch nicht normal" würden andere über sie sagen. "Sollen’se reden", sagt Grete. Sie sind nach wie vor glücklich miteinander und wissen: Nur gemeinsam als Team kann man eine Firma gründen und leiten.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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