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Thomas Eigenthaler ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft

© dbb/Marco Urban

Steuergewerkschaft zu Tricksereien: "Wir fahren mit dem Fahrrad einem Ferrari hinterher"

Jens Lehmann, Kapitalanleger, Banken: Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, im Tagesspiegel-Interview über hoffnungslos überlastete Steuerfahnder

Herr Eigenthaler, die Nachrichten über Steuertricksereien häufen sich. Ex-Nationalspieler Jens Lehmann, aber auch Anleger sollen sehr kreativ beim Steuernsparen gewesen sein. Wo passieren solche Dinge häufiger – bei Anlegern oder Fußballspielern?

Bei Fußballspielern geht es oft um gefakte Angaben zum Wohnsitz, so dass man nicht richtig zuordnen kann, wo Steuern gezahlt werden müssen. Beim Kapitalmarkt geht es dagegen zu wie beim Hasen und dem Igel. Wir laufen der Entwicklung immer hinterher. Es werden immer neue Steuersparmodelle erfunden. Wir mögen beides nicht, aber schwieriger in den Griff zu bekommen, ist der Finanzmarktsektor.

Brauchen Sie Experten aus der Finanzbranche, um den Tricksern auf die Spur zu kommen?

Diese Fälle sind wahnsinnig zeitintensiv und kaum zu durchschauen. Vieles geht in Ausland. Bei einem Arzt würde man von einer Intensivbehandlung sprechen, aber wir beim Finanzamt sind eigentlich nur für die allgemeine Arztpraxis richtig ausgerüstet und sind froh, wenn wir die normalen Steuererklärungen einigermaßen bearbeiten können. Steuerfahnder und Betriebsprüfer sind hoffnungslos überlastet. Zu mittelgroßen Betrieben schicken wir nur alle 15 Jahre einen Betriebsprüfer heraus. Das ist das Gegenteil von Steuergerechtigkeit. Wir fahren mit dem Fahrrad einem Ferrari hinterher.

Das klingt nicht sehr optimistisch ...

Die Weiße-Kragen-Kriminalität ist kaum in den Griff zu bekommen. Sie wird unterstützt durch eine gut bezahlte Beratungsindustrie, die solche Modelle ausheckt. Im Grunde kommen wir den Betroffenen nur auf die Spur, wenn jemand auspackt und mit den Steuerbehörden kooperiert.

Wie kann sich das ändern?

Wir brauchen mehr internationale Kooperation, damit Tricksereien mit den Wohnsitzen nicht mehr so leicht sind. Der Datenaustausch muss verbessert werden. Wir nehmen das Steuergeheimnis wahnsinnig ernst, aber das nutzen einige wenige aus, um sich in die Büsche zu schlagen. Ohne Datenaustausch, ohne internationale Zusammenarbeit und solange sich die Staaten gegenseitig unterbieten, schneiden wir uns doch alle ins eigene Fleisch.

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