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Wirtschaft: Tierisch wild

Moderne Zoos zeigen nicht nur Tiere, sie führen die Besucher in Erlebniswelten. Berlin macht das nicht – und setzt auf Knut

Stand:

Berlin - Lara wohnt in Gelsenkirchen und wartet auf Knut. Sie ist zwei Jahre alt und denkt schon ans Heiraten. Das ist in ihrer Familie so üblich – denn Lara ist eine Eisbärin und lebt im Zoo. Mit Knut, dem Superstar aus Berlin, soll Lara eine Familie gründen und kleine Eisbären auf die Welt bringen. Das wünschen sich zumindest die Zoomanager aus dem Revier. „Lara würde sich bestimmt sehr über seine Gesellschaft freuen“, sagt Sabine Haas, Sprecherin des neuen Erlebniszoos „Zoom“. „Erste Kontakte zum Berliner Zoo haben wir aufgenommen“, berichtet Haas, konkrete Gespräche habe es aber noch nicht gegeben. Wird Knut bald Gelsenkirchener?

Neidisch schielen Zoodirektoren aus der ganzen Republik derzeit nach Berlin. Denn der kleine Eisbär toppt wirklich alles. 190 000 Besucher sind in diesem März bereits in den Zoo geströmt, das sind fast doppelt so viele wie vor einem Jahr. Allein 22 000 kamen am vergangenen Wochenende, als Knut erstmals vor den Augen seiner Fans und den Kameras der Fernsehteams im Bärengehege Purzelbäume schlug. Und weil wegen des EU-Gipfels viele internationale TV-Teams in der Hauptstadt waren, gingen die Bilder von Knut auch gleich um die ganze Welt. „Ein Glück für uns“, freut sich Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz.

So viel Glück hat nicht jeder. 53 Zoos gibt es in Deutschland, weiß Hubert Lücker vom Verband Deutscher Zoodirektoren – und alle wollen überleben. Doch die öffentliche Hand spart. Immer häufiger müssen Sponsoren und Fördervereine die Finanzlücken füllen. Hinzu kommt: Die Zahl der Zoobesucher stagniert. 30 bis 32 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr einen Zoo. Aber welchen?

Der Kampf um die Besucher ist hart. Die Zeiten, in denen Familien am Sonntagnachmittag mal eben eine Runde durch den Zoo drehten, sind vorbei. „Die Leute fahren bis zu zwei Stunden, um einen bestimmten Zoo zu sehen“, sagt Zooexperte Lücker. Manchmal auch noch länger. Der Zoo in Leipzig, einer der modernsten in der ganzen Bundesrepublik, wird schon längst nicht mehr nur von Sachsen angesteuert. Auf dem Parkplatz stehen inzwischen auch Autos mit bayerischen Kennzeichen.

Das hat seinen Grund. Nach der Wende hat der Zoo mächtig investiert. Heute steht mit dem „Pongoland“ die weltgrößte Anlage für Menschenaffen in Sachsen, in der Elefantentempelanlage „Ganesha Mandir“ kann man Elefanten – weltweit einmalig – beim Baden unter Wasser zusehen, und im Afrika-Restaurant verspeisen Besucher ihre afrikanische Bratwurstschnecke mit Blick auf Zebras und Antilopen. Bis 2009 wird noch eine Riesentropenhalle gebaut. Im „Gondwanaland“ sollen die Besucher eine Reise durch die Erdgeschichte unternehmen können. Knapp 50 Millionen Euro wird der Bau kosten, 35 Prozent davon zahlt die Zoo Leipzig GmbH, eine städtische Tochtergesellschaft, den Rest übernehmen die Stadt und der Freistaat Sachsen.

Die Investitionen zahlen sich aus: Nach der Wiedervereinigung war die Zahl der Besucher bis auf 700 000 pro Jahr gesunken, 2006 waren aber wieder fast 1,8 Millionen gekommen, um den „Zoo der Zukunft“ zu sehen – und seine Pfleger. Denn die kennen viele aus dem Fernsehen. Die Doku-Soap „Elefanten, Tiger & Co“ aus dem Leipziger Zoo verfolgten Millionen vor den Bildschirmen. „Die Fanpost ist enorm“, berichtet Zoodirektor Jörg Junhold.

Leipzig gehört zu einer neuen Generation von Zoos. Sie wollen nicht nur Tiere zeigen und züchten, sondern auch die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Das Zauberwort heißt „Erlebniswelt“. Darauf setzt auch der Gelsenkirchener „Zoom“. Der alte Revierzoo hat eine beachtliche Verjüngungskur hinter sich. Jahrelang hatten die Tiere in kleinen Käfigen vor sich hin gedämmert, der Zoo litt unter den leeren Kassen der kriselnden Stadt. Dann übernahm der städtische Energieversorger, die Gesellschaft für Energie und Wirtschaft, die Anlage. Er stellte 91 Millionen Euro zur Verfügung. 70 Millionen sind davon inzwischen verbaut – in die Erlebnislandschaften Alaska und Afrika. Asien soll bald folgen.

Gelsenkirchen treibt die Entertainment-Idee weit. Besucher können auf einer virtuellen Eisscholle durchs arktische Meer treiben oder eine Bootsfahrt an den Flusspferden vorbei unternehmen. 785 000 Menschen haben sich die Erlebniswelt im vergangenen Jahr angesehen, 250 000 mehr als im Vorjahr. 2009, wenn die Asien-Welt eröffnet wird, soll die Millionengrenze übersprungen werden. Dann soll sich der Zoo wirtschaftlich tragen. Und dann sollen auch die heute noch moderaten Eintrittspreise ansteigen.

Klaus-Michael Machens findet das richtig. Machens ist Direktor im Zoo Hannover und hat sich bei seinen Berufskollegen kräftig unbeliebt gemacht. Er will mit der Sozialromantik im Zoo Schluss machen. „Wer einen guten Zoo will, muss dafür zahlen“, verteidigt Machens seine – hohen – Eintrittspreise. Familienkarten, verbilligten Eintritt für Hartz-IV- oder Sozialhilfeempfänger haben die Hannoveraner abgeschafft. Dennoch kommen die Besucher in Scharen: 1,2 Millionen Besucher waren es im vergangenen Jahr. „Die Leute sind bereit, den Preis zu zahlen, wenn die Leistung stimmt“, sagt der Jurist. „ Wäre Knut Hannoveraner, würde ich den Eintritt um zwei Euro erhöhen.“

Hannover gilt als Trendsetter. Der Zoo hat sich als Erster für das Erlebniskonzept und ein klares marktwirtschaftliches Konzept entschieden. Mit entsprechendem Risiko. Die GmbH, im Eigentum der Region Hannover, hat 41 Millionen Euro an Krediten aufgenommen. Kurz vor der Weltausstellung Expo hat man mit dem Umbau begonnen. Jetzt ist er weitgehend fertig, nur Alaska fehlt noch. Das Problem ist die Finanzierung. Denn obwohl Machens bereits 13 Millionen Euro von seinen alten Krediten zurückgezahlt hat, tut er sich schwer, einen Geldgeber für das neue 25-Millionen-Euro-Projekt Alaska zu finden. Am Jahresende soll der Bau beginnen, schätzt der Manager dennoch.

Auch bei Hagenbeck in Hamburg muss man genau rechnen. 24 000 Euro kostet der Betrieb am Tag, im vergangenen Jahr drohte der Traditionsbetrieb, der als einziger in Deutschland in rein privater Hand ist, in die roten Zahlen zu rutschen. „Der gute Herbst hat uns gerettet“, sagt Sprecherin Sarah Klindworth. Ein neues Tropenaquarium soll Hagenbeck demnächst auch im Winter genug Kundschaft bringen. Stammkunden erkennt man bei Hagenbeck daran, dass sie den Elefanten Geld zustecken. „Das geben unsere Tiere an die Pfleger weiter – als Trinkgeld“, berichtet Klindworth.

Verglichen mit den Erlebniszoos ist Berlin altmodisch. Dennoch ist der Zoo mit 2,5 Millionen Besuchern im Jahr der beliebteste Zoo Deutschlands, weitere 900 000 Menschen gehen in den Tierpark. Der Zoo erwirtschaftet 80 Prozent seiner Ausgaben selbst, der Tierpark kommt auf 50 Prozent. Dazu kommen Zuschüsse vom Finanzsenator. 6,4 Millionen Euro fließen in diesem Jahr an den Tierpark, zwei Millionen an den Zoo. Das Land will sowohl Zoo als auch Tierpark bis zum Jahr 2011 Zuschüsse in Millionenhöhe garantieren, allerdings sollen die Beträge sinken. An seinem Zookonzept will Blaszkiewitz nichts ändern. Das findet er nämlich gar nicht altmodisch. „Kinder müssen beschäftigt werden“, meint der Zoodirektor, daher habe man den Spielplatz erweitert. Das reicht. „Die Gehege sind den Tieren vorbehalten.“ Und das Bärengehege gehört Knut.

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