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Fast 100 Flüge fielen am Sonntag aus, knapp 20 in Berlin bei der Lufthansa-Tochter Eurowings.

© dpa

Streiks bei der Lufthansa: Ufo gegen Verdi

Bei den Lufthansa-Streiks geht es vor allem um den Einfluss der Gewerkschaften. Eurowings trifft der Arbeitskampf besonders stark.

Ein letztes Aufbäumen oder Auftakt zu einem heißen Herbst im Lufthansa-Konzern? Diese Frage war am Sonntagnachmittag zur Halbzeit des Streiktags der Flugbegleitergewerkschaft Ufo nicht zu beantworten. Die Lufthansa spielte die Auswirkungen herunter, „mehr als 90 Prozent sind zur Arbeit gekommen“, sagte ein Sprecher. Ufo betonte dagegen die hohe Streikbeteiligung, rund 100 Flüge mussten gestrichen werden. In Berlin betraf das Eurowings: Von 25 Flügen, die bis zum frühen Sonntagabend geplant waren, fielen 15 aus. „Eurowings behält sich rechtliche Schritte gegen die Ufo vor“, teilte die Airline mit. Lufthansa stuft die Warnstreiks als rechtswidrig ein, weil die Ufo den Gewerkschaftsstatus verloren habe, der Ufo-Vorstand kein Vertretungsmandat habe und Tarifverträge nicht rechtswirksam gekündigt worden seien.

23 000 Beschäftigte in der Kabine

In dem Konflikt geht es nur vordergründig um die Arbeitsbedingungen der Flugbegleiter. Es wird vielmehr darum gerungen, wer künftig die rund 23 000 Beschäftigten in der Kabine des Lufthansa-Konzerns organisiert und mit Tarifverträgen versorgt – Ufo oder Verdi. Die Dienstleistungsgewerkschaft hat sich bislang nur um das Bodenpersonal gekümmert und möchte jetzt auch in der Kabine aktiv werden. In einem Schreiben vom 11. Oktober fordert das zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle die Lufthansa „zu zeitnahen Gesprächen auf, um hier tarifpolitische Lösungen zu finden“. Die Lufthansa hat darauf bislang nicht geantwortet. Die Konzernstrategen wollten erst den Sonntag abwarten.

Lufthansa erhöht die Gehälter

Ursprünglich hatte Ufo nur die Kernmarke Lufthansa für ein paar Stunden am frühen Sonntagmorgen bestreiken wollen. Das wurde abgesagt, nachdem die Lufthansa am Freitag rückwirkend zum 1. Juli die Gehälter des Kabinenpersonals um zwei Prozent erhöht hatte. Die Erhöhung ist gültig bis zum Abschluss eines Tarifvertrags „mit einer für die Mitarbeiter der Kabine tarifzuständigen Gewerkschaft“, heißt es im Schreiben der Lufthansa an das Kabinenpersonal vom Freitag. Die Ufo soll das aber nicht sein, denn „aufgrund Ihrer mangelnden Abschlussfähigkeit sind auch weiterhin keine Gespräche mit Ihnen möglich“, teilte die Lufthansa der Ufo am Wochenende mit.

"Handzahme Verdi"

„Lufthansa möchte uns bewusst provozieren, die für Sonntag geplanten Streiks bei der Muttergesellschaft wieder aufleben zu lassen, um dann in der Öffentlichkeit gegen die Streikenden zu wettern“, sagte der Ufo-Vizechef Daniel Flohr. „Solche Spiele auf dem Rücken von Passagieren sind nicht nur unanständig, sondern auch gut durchschaubar“, meinte die Ufo-Vorsitzende Sylvia De la Cruz. Der Konzern versuche, „Ufo vom Tariftisch zu kicken und durch eine handzahme Verdi zu ersetzen“.

19 Stunden Streik statt sechs Stunden

Wegen der „verschärften Gangart“ der Lufthansa-Führung hatte die Ufo am frühen Sonntagmorgen eine Verlängerung der Streiks von ursprünglich sechs auf 19 Stunden bis Mitternacht angekündigt. Das galt für die Ufo-Mitglieder bei den Lufthansa-Töchter Eurowings, Germanwings, Lufthansa Cityline und SunExpress. Am stärksten betroffen waren Eurowings/Gemanwings, wo gut die Hälfte des Kabinenpersonals Ufo-Mitglieder sind. Bei Cityline fielen auch Flüge aus, was aber vor allem mit Krankheitsfällen zu tun hatte, wie es im Konzern hieß. SunExpress-Flüge fanden statt.

Ufo in der Existenzkrise

Ufo will den Konflikt eskalieren und hat Urabstimmungen über einen unbefristeten Arbeitskampf bei allen Gesellschaften angekündigt. Ob sich die Organisation das leisten kann, ist indes fraglich. Selbstbedienung an der Spitze und Missmanagement haben die Gewerkschaft in eine Existenzkrise gestürzt. Am 1. November gibt es eine Mitgliederversammlung, bei der unter anderem der Vorstand gestürzt werden soll. Der langjährige erste Mann der Ufo, Nicoley Baublies, musste bereits vor Monaten zurücktreten; sein Arbeitsverhältnis mit der Lufthansa wurde vom Konzern gekündigt. Als „Beauftragter des Vorstands“, wie es bei Ufo heißt, zieht Baublies dennoch im aktuellen Konflikt die Fäden.

Etwa 6000 Mitglieder

Schätzungen zufolge hat sich die Mitgliederzahl der Ufo in den vergangenen Monaten von rund 13 000 auf etwa 6000 gut halbiert. Die Kasse soll leer sein, heißt es im Konzern, sodass ein unbefristeter Arbeitskampf kaum zu finanzieren wäre. Sollte die Lufthansa juristisch gegen die Streiks vorgehen und Schadensersatz durchsetzen, dürfte es eng werden. „Der Konzern hat bewusst darauf verzichtet, eine Gerichtsentscheidung zu den Streiks herbeizuführen und möchte uns jetzt in einen Schadensersatzprozess führen“, glaubt Ufo-Vize Flohr.

Verdi wirbt für sich

Es geht also um die Existenz der Ufo und nur am Rande um die Tarifforderungen. Für das Kabinenpersonal bei Eurowings möchte Ufo eine betriebliche Altersvorsorge einführen; bei Germanwings geht es um eine Teilzeitregelung und bei Cityline und SunExpress um Einkommenserhöhungen um zwei beziehungsweise fünf Prozent. „Die andauernden Konflikte dienen nicht dem Wohle des Personals, sondern ausschließlich der Verfolgung der eigenen Interessen der beteiligten Parteien“, hatte Verdi-Vorstand Behle vor zehn Tagen an die Tarifverantwortlichen der Lufthansa geschrieben. Verdi habe „in vielen Airlines“ die sozialen Standards verbessert und die „Entwertung des Berufsbildes von Flugbegleiter/-innen und Purser“ gestoppt, wirbt Behle für ihre Gewerkschaft als Tarifpartner der Lufthansa. Verdi hatte 2018 erstmals bei Ryanair einen Tarifvertrag durchgesetzt.

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