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Ungleiche Aussicht auf Urlaubsgeld: Beschäftigte mit Tarifvertrag haben doppelt so hohe Chancen
Nur jeder dritte Beschäftigte ohne Tarifvertrag erhält vom Arbeitgeber Urlaubsgeld. Auch wer im Osten lebt, in einer kleinen Firma arbeitet oder eine Frau ist, geht häufiger leer aus.
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Meteorologisch hat der Sommer bereits begonnen, für viele Menschen steht der große Jahresurlaub bevor. Gerade in Zeiten steigender Preise für Kost und Logis ist ein Urlaubsgeld für Arbeitnehmende von zunehmender Bedeutung. Doch längst nicht alle Beschäftigten erhalten den häufig im Juni oder Juli ausgezahlten Zuschuss vom Arbeitgeber.
In der Privatwirtschaft ist es weniger als die Hälfte (46 Prozent), wie eine am Dienstag veröffentlichte Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Die mit Abstand wichtigste Rolle dafür spielt die Tarifbindung: 74 Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag erhalten Urlaubsgeld. Ohne Tarifvertrag sind es weniger als halb so viele (36 Prozent).
„Das Urlaubsgeld ist also ein echtes Extra für die Beschäftigten – und ein gutes Argument für tarifgebundene Arbeitgeber, die auf der Suche nach Fachkräften sind“, sagt WSI-Experte Malte Lübker.
Der Anteil derjenigen Berufstätigen, für die ein Tarifvertrag gilt, sinkt allerdings seit Jahren. Lag er in 90er-Jahren noch bei weit über 70 Prozent, liegt er heute laut Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei weniger als der Hälfte (49 Prozent). Öffentliche Firmen ausgeschlossen, beträgt der Anteil sogar nur 42 Prozent.
Auch Betriebsgröße und Region maßgebend
Wahrscheinlichkeit und Höhe des Urlaubsgelds werden allerdings auch von anderen Faktoren beeinflusst. Während 59 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit über 500 Angestellten einen solchen Zuschuss erhalten, sind es in kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten nur 38 Prozent.
Auch in Ostdeutschland sind die Aussichten schlechter. Nur jeder dritte Arbeitnehmer erhält dort Urlaubsgeld. Im Westen ist es fast die Hälfte der Beschäftigten (48 Prozent). Grund dafür ist wiederum die geringere Tarifbindung im Osten. In Großbetrieben, in denen bundesweit Tarifverträge gelten, unterscheidet sich die Höhe des Urlaubsgeldes in Ost und West nicht.
Männer bekommen zudem bundesweit häufiger ein Urlaubsgeld ausgezahlt (50 Prozent) als Frauen (40 Prozent). Das lässt sich laut WSI unter anderem darauf zurückführen, dass Frauen häufig in kleinen Betrieben arbeiten.
Deutliche Unterschiede in Branchen
Wie hoch das Urlaubsgeld ausfällt, ist zudem stark branchenabhängig. In der Landwirtschaft fällt das Urlaubsgeld besonders niedrig aus: Tarifbeschäftigte der mittleren Vergütungsgruppe erhalten im Westen nur 210 Euro, im Osten nur 186 Euro. Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe fällt der Zuschuss mit 240 Euro (West) und 195 Euro (Ost) nur geringfügig höher aus.
In der verarbeitenden Industrie hingegen ist das Urlaubsgeld zehnmal so hoch. Beschäftigte mit Tarifvertrag erhalten im Holz- und Kunststoffsektor im Mittel 2686 Euro (West) und 1650 Euro (Ost) mehr. Auch in der Papier-, Metall- und Druckindustrie sowie im Kfz-Gewerbe beträgt das Urlaubsgeld im Westen über 2000 Euro.
„Was vielen nicht bewusst ist: Neben Geld für die Urlaubskasse bringen Tarifverträge auch zusätzliche Urlaubstage“, sagt WSI-Forscher Lübker. Der gesetzliche Urlaubsanspruch für Arbeitnehmende mit Fünf-Tage-Woche liegt in Deutschland bei 20 Tagen. In Firmen mit Tarifbindung sind dagegen häufig 30 Tage üblich.
Für die Analyse hat das WSI Rückmeldungen von fast 68.000 Beschäftigten ausgewertet. Dafür wurden Arbeitnehmende in ganz Deutschland zwischen Mai 2023 und Mai 2024 über das Portal Lohnspiegel.de befragt.
Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ, aber aufgrund der hohen Fallzahlen trotzdem aussagekräftig. Nicht berücksichtigt wurden dabei Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Für diese werden Urlaubs- und Weihnachtsgeld seit der Tarifreform 2005 in einer Jahressonderzahlung zusammengefasst.
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