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Ein Lob der Familie: „Wir plündern nicht auf Kosten der nächsten Generation“, sagt Michael Prinz zu Salm-Salm, Chef des Verbandes „Familienbetriebe Land und Forst“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Michael Prinz zu Salm-Salm im Interview: „Unsere Eliten versagen“

Michael Prinz zu Salm-Salm über die Lehren aus der Natur, das wachsende Interesse der Anleger am Wald und die Rolle des Adels.

Prinz Salm, Sie haben Wald, Weinberge, ein Schloss, und dann sind Sie auch noch Vermögensverwalter – also genau der Richtige, um zu erklären, wie man reich wird.

Das klingt jetzt vielleicht merkwürdig für Sie, aber der wahre Reichtum liegt nicht in materiellen Gütern.

Sondern?

Wahrer Reichtum sind Beziehungen und die Familie. Wenn man sein Leben in die richtige Balance bringen kann, ist man reich. Ich fühle mich reich, wenn ich mit meinem Nächsten, mit mir selbst und mit meinem Gott im Reinen bin. Das Gleiche gilt auch für Wirtschaft und Gesellschaft.

Inwiefern?

Ich sehe die jetzige Situation sehr kritisch. Ich finde, dass unsere Eliten zu häufig versagen. Das gilt für den Sport, denken Sie nur an den DFB und die Fifa, aber auch für die Banken, für Wirtschaftsunternehmen und die Kirche. Wem kann man denn heute noch vertrauen?

Und Sie machen das besser?

Wir versuchen es. Wir, die in der Land- und Forstwirtschaft arbeiten, lernen von der Natur. Wir nehmen nur so viel wie nachwächst, wir plündern nicht auf Kosten der nächsten Generation. Wenn der Staat genauso wirtschaften würde, dann wären die Rentenkassen in Ordnung. In einem Familienbetrieb denkt man an die Kinder und die Enkel, da fällt es leichter, auch mal zu verzichten.

Und so wird man reich?

Ich habe von meinem Vater einen kleinen Betrieb übernommen, mit zwei Hektar Weinbergen und 90 Hektar Wald.

Das ist noch nicht mal die Hälfte des Tiergartens.

Ja. Ich musste nebenher als Angestellter arbeiten, um Haus und Hof erhalten zu können. Später habe ich mich selbstständig gemacht und bin Vermögensverwalter geworden, ich verwalte das Vermögen anderer Familien. Insgesamt geht es uns heute gut. Aber was mich besonders stolz macht, ist, dass ich nicht mehr in Frankfurt arbeiten muss, sondern mein Büro in mein Heimatdorf Wallhausen verlegen konnte.

Wo ist das denn?

Mitten im Nirgendwo, bei Bad Kreuznach, 50 Kilometer von Mainz entfernt. Was wesentlich ist, lehrt uns die Natur: Nachhaltigkeit, harte Arbeit und Demut. Nehmen Sie den Frost, den wir Ende April erlitten haben. In unserer Region hat das den Reben stark geschadet, aber unser Dorf ist verschont geblieben. So etwas macht einen demütig.

Sie kritisieren die Eliten, aber gehören Sie nicht auch dazu?

Früher hat meine Familie sicherlich dazugehört, ob das heute noch so ist, hängt davon ab, wie Sie Eliten definieren. Für mich bedeutet Elite herausgehobene Leistung und Verantwortung, und das gilt für jeden, der eine Aufgabe übernimmt. Je größer die Aufgabe, desto größer die Verantwortung. Die Familienbetriebe, die in unserem Verband vertreten sind, haben eine solche Aufgabe: Wir kümmern uns ums Land.

Bis vor Kurzem waren Sie der Grundbesitzerverband, jetzt heißen Sie „Familienbetriebe Land und Forst“. Wollen Sie das Image des Großgrundbesitzer- und Junkertums abstreifen?

Der alte Name gibt nicht das wieder, was ich tue. In Grundbesitz steckt das Wort sitzen, ich sitze da, tue nichts und verdiene Geld. Aber wir tun was, sogar viel. Wir pflegen, wir pflanzen, wir säen, wir ernten. Wenn ich morgens auf das Feld oder in den Wald gehe, dann gehe ich in den Betrieb. Und Familie drückt das Generationendenken aus. Und ja, wir wollten auch nicht mehr als Grundbesitzer wahrgenommen werden. Der neue Name ist deutlich positiver.

In Deutschland wächst die Spanne zwischen Arm und Reich. Die Politik überlegt gegenzusteuern mit höheren Kapitalsteuern und der Vermögensteuer. Sehen Sie das als Angriff auf Ihre Klientel?

Nein, die Politik sieht durchaus, dass die Familienbetriebe Stabilitätsanker sind, und wir finden auch Gehör. Bei der Steuerpolitik brauchen wir eine faire und klare Besteuerung des Einkommens. Es ist völlig in Ordnung, wenn Spitzenverdiener 50 Prozent Steuern auf ihr Einkommen zahlen. Aber man darf niemals die Substanz besteuern, das beschädigt die Grundlage für künftige Erträge und wäre nicht nachhaltig. Deshalb ist die Vermögensteuer schlecht und die Erbschaftsteuer auch. Man darf die Kuh nicht schlachten, die man melken will.

Vielen Familienerben drohen künftig höhere Erbschaftsteuern. Ihnen auch?

Bisher gilt, dass wenn der Betrieb an die nächste Generation übergeben wird und die Arbeitsplätze erhalten werden, dann soll keine Erbschaftsteuer erhoben werden. Das ist nachhaltig gedacht, richtig und soll sich auch nicht ändern. Bei der Reform geht es lediglich um die Frage, ab welcher Betriebsgröße der Erbe nachweisen muss, dass er die Arbeitsplätze erhält und bis zu welcher Größe ihm der Staat das einfach glaubt.

Bei größeren Firmen soll aber auch das Privatvermögen herangezogen werden.

Ja, und das ist falsch. Deutschland lebt von den Familienunternehmen. Die Familienunternehmen schaffen 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und 80 Prozent der Ausbildungsplätze, nicht die börsennotierten Großkonzerne. Der Staat sollte lieber auf den letzten Steuereuro verzichten, um dafür eine gute Firmenstruktur zu erhalten.

Warum geht in Ihrer Familie das Erbe immer an die Männer, nie an die Frauen?

Das ist nicht immer so. Es gibt auch Betriebe, die von Frauen geführt werden. Grundsätzlich sollen Landwirtschaftsbetriebe aber nicht zersplittert werden, das steht in der Höfeordnung, und das ist auch in meiner Familie so. Bei uns wird mein ältester Sohn übernehmen.

Aber Sie haben doch auch vier Töchter.

Ich achte meine Töchter sehr, und ich gründe mit ihnen neue Gesellschaften, baue Neues auf.

Gerecht ist das aber nicht.

Gerechtigkeit ist der falsche Anspruch, wenn es um das Vererben eines landwirtschaftlichen Betriebs geht. Die Ungerechtigkeit liegt darin, dass man das Land nicht teilt, aber das ist zum Betriebserhalt sinnvoll. Bei Grund und Boden denkt und lebt man in langfristigen Kategorien. Ein Weinstock hält 40 Jahre, in den ersten vier Jahren verdient man gar nichts. Schnelle Wechsel sind Gift, das muss auch die Politik lernen. Die darf nicht ständig die Rahmenbedingungen ändern.

Wieso? Die Politik mischt sich doch bei Ihrem Wein und Wald gar nicht ein.

Doch. Das geht schon bei der Frage los, welchen Baum ich in meinem Wald pflanze. Das ist eine wirklich gravierende Entscheidung. Eine Eiche wird 200 Jahre alt, eine Buche 150, eine Fichte 100 Jahre. Aber alle möglichen Instanzen wollen mitreden, die Klimaforscher, die Umweltpolitiker, die Sägeindustrie. Es gibt Rahmenrichtlinien für natürliche Habitate, aber wer weiß, wie der Klimawandel die natürlichen Habitate verändert? Mein Vater hat mal einen Strafbescheid bekommen, weil er sich nach dem Krieg geweigert hatte, Fichten zu pflanzen. Ähnliche Dinge passieren heute wieder. Die Douglasie oder die Roteiche sollen nicht mehr zugelassen werden, weil es Sorten sind, die aus den USA importiert worden sind. Absoluter Unsinn.

Wie viel Rendite bringt der Wald?

Bei einem Privatwald sind es knapp ein Prozent, in der Landwirtschaft sind es kaum mehr.

Wollen jetzt mehr Leute Wald kaufen, weil das Ersparte auf der Bank nichts bringt?

Ich halte die Zins- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank für eine Katastrophe. Der Sparer wird bestraft, der Schuldner belohnt. Ein Nebeneffekt dieses Irrsinns ist, dass Sachwerte teurer werden, auch Land und Forst.

Der Privatwald ist im Wesentlichen in den Händen des Adels. Der kann sich freuen.

50 Prozent des Waldes gehören der öffentlichen Hand. Der Privatwald entfällt auf zwei Millionen Eigentümer, der Anteil der größeren Betriebe liegt unter 20 Prozent. Aber es stimmt schon, dass viele Adelsfamilien Waldbesitzer sind. Nur: Wer hat sonst schon einen so langen Anlagehorizont?

Sind die Preise für Wald gestiegen?

Sie haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Das klingt viel, verglichen mit den Immobilienpreisen in den Ballungsräumen ist es das aber nicht.

Alle wollen in die Städte, keiner aufs Land. Wie kann man das ändern?

Das Land hat eine bessere Work-Life-Balance. Man steht nicht im Stau, man lebt gesünder. Aber damit Menschen aufs Land ziehen, muss man den ländlichen Raum entwickeln. Wir brauchen schnelles Internet und gute Verkehrsanbindungen. Und auch eine Clusterbildung wäre hilfreich, etwa rund um das Holz – Holztechnik, -verarbeitung, -anbau in einer Region. Und vielleicht hilft auch das selbst fahrende Auto, dann braucht man nämlich nicht mehr überall Schienen.

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