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Entrepreneurs for Future: Unternehmen unterstützen die Klimaaktivisten

Erst protestierten Schüler, dann Eltern, Wissenschaftler. Am heutigen Freitag setzen sich bei Entrepreneurs for Future Unternehmer für mehr Klimaschutz ein.

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Für David Wortmann begann alles mit einem Tweet des FDP-Chefs Christian Lindner. Dort hieß es, Jugendliche könnten noch nicht alle Zusammenhänge und das ökonomisch Machbare sehen. Lindners Einschätzung, dass sei „eine Sache für Profis“, brachte Wortmann auf eine Idee. „Wir sind ja Profis aus der Wirtschaft und zeigen: Es gibt schon Lösungen“, sagt er. Wortmann ist Geschäftsführer DWR eco. Sein Unternehmen berät Firmen zu klimaschonenden Technologien. Also rief er die Initiative „Entrepreneurs for Future“ ins Leben. Damit will er zeigen, dass auch die Wirtschaft, oder zumindest Teile von ihr, die Fridays-for-Future-Bewegung unterstützen. Und dass viele Firmen bereits nachhaltig agieren.

Wer sich der Unternehmer-Initiative anschließen möchte, muss acht Forderungen unterzeichnen. Sie ähneln denen von Fridays for Future, darunter die nach einer CO2-Steuer, einem Klima-Innovationsfonds sowie einem Klimaschutzgesetz, mit dem das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll.

Hinter der Initiative stehen 200.000 Arbeitsplätze

Mehr als 3000 Unternehmen haben unterschrieben, darunter größere Firmen wie der Entsorgungskonzern Remondis, aber auch Start-ups und viele Freiberufler. Der Zusammenschluss steht nach eigenen Angaben für über 200.000 Arbeitsplätze und mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz. Unter dem Hashtag #HowToKlimastreik rufen die Entrepreneure nun dazu auf, sich am 20. September dem globalen Streik anzuschließen. „Viele Unternehmen geben ihren Angestellten frei oder stellen ihre Website offline“, sagt Wortmann.

Er ist mit seiner Initiative nicht allein. Auch mehr als 100 Digitalunternehmer rufen als „Leaders for Climate Action“ zum Streik am 20. September auf, darunter Zalando und Delivery Hero. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürworten grundsätzlich eine Teilnahme der Arbeitnehmer. Der scheidende Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sagte der „WAZ“: „Es geht darum, Flagge zu zeigen – wir brauchen ein deutlich konsequenteres Handeln der Politik beim Klimaschutz.“ Er wies aber wie der DGB darauf hin, dass die Gewerkschaft nicht zum Streik aufrufen könne, da es sich um einen politischen Streik handelt.

Arbeitnehmern könnten daher im schlimmsten Fall auch Abmahnungen und Kündigungen drohen. „Aber wer kann, sollte mitmachen“, findet Bsirske. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände findet das politische Engagement „lobenswert“, lehnt einen Streik aber indirekt ab: Wer teilnehmen will, könne Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen.

Einige Entrepreneurs for Future veröffentlichen Klimaschutzversprechen

Den Entrepreneuren haben sich bislang vor allem Unternehmen angeschlossen, die sich ohnehin mit nachhaltigem Wirtschaften beschäftigen. Nur wenige veröffentlichten konkrete Klimaschutzversprechen bis 2025. So will die Bäckerei „Ihr Bäcker Schüren“ aus dem Düsseldorfer Raum schon ab 2022 ohne Ausgleichsmaßnahmen CO2-neutral produzieren. „Uns fehlen noch fünf Prozent. Wir wollen bald unsere letzten Erdgasfahrzeuge durch E-Autos austauschen“, sagt Geschäftsführer Roland Schüren.

Schon 2010 habe die Bäckerei begonnen, sich umzustrukturieren. Mit einer Solaranlage auf der Backstube, Holzpellets für die Backofenheizung und einer neuen energiesparenden Kälteanlage habe das Unternehmen seine Emissionen senken können. Der Klimawandel wirkt sich auch stark auf seine Arbeit aus. Die trockenen Sommer haben dafür gesorgt, dass die Brötchen zu kleinporig gewesen sind. „Wir haben noch nie so lange an unseren Rezepten gefeilt“, sagt er. Schüren plant, selbst zu streiken. „Die Angestellten können gerne teilnehmen und untereinander ihre Schichten tauschen“, sagt er. Schließen könne er die Filialen aber nicht.

Mit den Klima-Demonstranten, hier in Hamburg, möchten die Entrepreneurs for Future sich solidarisch zeigen.
Mit den Klima-Demonstranten, hier in Hamburg, möchten die Entrepreneurs for Future sich solidarisch zeigen.

© Georg Wendt/dpa

Das Banking-Start-up Tomorrow und der Pensionsfondsanbieter Hannoversche Kassen sind ebenfalls dabei, bei ihnen gehört Nachhaltigkeit zum Geschäftsmodell. Beide verdienen damit Geld, das Kapital ihrer Kunden in ausschließlich nachhaltige Anlagen zu investieren. Die Hannoverschen Kassen verpflichten sich zudem dazu, keine Dienstwagen mehr zu finanzieren sowie allen Angestellten ein ÖPNV-Ticket und eine Bahncard 50 zu ermöglichen. Nach Angaben von Vorstand Silke Stremlau erreicht das Unternehmen schon jetzt fast alle selbstgesetzten Ziele. Nur ein Vorstandsmitglied fahre noch einen Hybrid-Dienstwagen.

Dienstwagen gab es bei Tomorrow noch nie. Gründer Jakob Berndt zufolge müssten sich noch mehr Unternehmen anderer Branchen an dem Zusammenschluss beteiligen. „Wir befinden uns in einer Blase, in der Nachhaltigkeit schon lange Thema ist“, findet er. Mit insgesamt 50 Angestellten wollen Tomorrow und die Hannoverschen Kassen am Streik teilnehmen. „Wir zwingen aber niemanden, mitzugehen. Die Kollegen dürfen arbeiten, nur nicht öffentlich sichtbar“, sagt Stremlau. Denn am Tag selbst sollen die Hannoverschen Kassen weder online noch telefonisch erreichbar sein.

Einer der wenigen Unterstützer, der sich nicht ausschließlich mit ökologischen Themen beschäftigt, ist der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft. „Deutschland verpasst die Klimaziele trotz Investitionen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro in die Energiewende“, sagt Präsident Mario Ohoven. Unterschrieben hat er die Forderungen dennoch nicht. Ohoven hält eine CO2-Steuer für den falschen Weg.

Luisa Neubauer hält Streikbeteiligung von Unternehmen, die keine klare Kursänderung zeigten, "absurd"

Doch es ist fraglich, ob sich die Klimabewegung überhaupt Unterstützung aus allen Teilen der Wirtschaft wünscht. Erst vor wenigen Wochen demonstrierten knapp 1000 Anhänger der Fridays-for-Future-Bewegung vor dem Berliner Büro der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM). Den Aktivisten zufolge gaukle die Initiative, die von den Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie finanzieren wird, ihr Interesse am Klimaschutz nur vor. Die INSM betonte daraufhin, man stehe zum Pariser Klimaabkommen von 2015 und sehe viele Gemeinsamkeiten beim Klimaschutz. Ein Gesprächsangebot habe Aktivistin Luisa Neubauer bisher abgelehnt.

Und wenn die INSM beim Klimastreik mitmachen würde? „Es wäre absurd, wenn sich Unternehmen und Institutionen an dem Streik beteiligen würden, ohne eine klare Offensive oder eine Kursänderung in Sachen Klimaschutz zu zeigen“, sagte Neubauer im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Dies gelte auch für die INSM, die „offensichtlich nicht verstanden“ habe, wie ambitionierter Klimaschutz aussehen müsse.

Einige Industrie-Schwergewichte zeigen sich gegenüber der Klimabewegung offen. So traf sich Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff kürzlich mit den Fridays-for-Future-Aktivisten Ragna Diederichs und Sebastian Grieme zum Gespräch in Duisburg. Die Kluft zwischen beiden Seiten wurde im Anschluss deutlich: Thyssenkrupp will ab 2050 klimaneutral sein. Für den Klimaaktivisten Grieme deutlich zu spät: Deutschland müsse im Jahr 2035 klimaneutral sein.

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