Wirtschaft: „Viele verdienen wieder Geld“
Die Wirtschaft meldet signifikantes Wachstum und kritisiert den Senat
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Berlin - Eric Schweitzer, Präsident der Industrie- und Handelskammer, griff zu einem Bild aus dem Sport, um seinen Optimismus auf den Begriff zu bringen: „Berlin stürmt nach vorn“, sagte Schweitzer am Donnerstag bei der Vorlage des Jahresberichts 2006 der Kammer. Erstmals seit 1995 habe es in Berlin mit 1,5 Prozent ein „signifikantes Wachstum“ gegeben, der Abstand zum Bundesdurchschnitt sei auf einen Prozentpunkt geschrumpft, und Berlin sei nicht mehr wachstumsschwächstes Bundesland. Für dieses Jahr seien die Prognosen günstig, auch weil „viele Berliner Unternehmen wieder richtig Geld verdienen“, sagte Schweitzer, selbst Vorstandsmitglied der Entsorgungsfirma Alba.
Die positive Einschätzung des IHK-Präsidenten bestätigte die Investitionsbank Berlin (IBB), die aufgrund der „guten Auftragslage“ auch im laufenden Jahr und trotz Mehrwertsteuererhöhung erneut eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent erwartet. In der Industrie gebe es vor allem starke Auftragseingänge im Fahrzeugbau, in der Chemie und der Elektrotechnik. Und anders als im Bundesgebiet insgesamt habe der Berliner Handel mit einem leichten Umsatzplus (0,6 Prozent) das neue Jahr begonnen, schreibt die IBB im jüngsten Konjunkturbericht.
Schweitzer zufolge haben die längeren Ladenöffnungszeiten dazu beigetragen, dass die Kunden ihr „Portemonnaie ein wenig weiter öffnen als bisher“. An positiven Faktoren für die aktuelle Entwicklung nannte er ferner die „weit fortgeschrittene Umstrukturierung“ der Wirtschaft. So seien seit der Vereinigung 90 Prozent der Betriebe im Ostteil und 60 Prozent im Westteil neu entstanden und viele gehörten inzwischen zu den Weltmarktführern. „Enormen Rückenwind“ habe die Fußball-WM gebracht, die Gästezahlen seien um 9,5 Prozent auf sieben Millionen gestiegen, „und der Touristenboom hält an“.
Die gute Stimmung relativierte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder mit dem Hinweis, dass das Bruttoinlandsprodukt in Hamburg noch immer doppelt so hoch sei wie in Berlin. Und beim Senat habe sich in den letzten Monaten „ein gewisser Schlendrian und Leichtsinn eingeschlichen, statt ranzuklotzen“. So setzten sich nicht alle Senatsmitglieder ausreichend für die Industrie ein, und das Beharren auf der Schließung Tempelhofs sei „kurzsichtig“. Ein „Wermutstropfen“ sei auch das neue Tarifsystem bei den Wasserpreisen. Schweitzer forderte erneut eine „durchgreifende Reform der Verwaltung“ sowie weitere Privatisierungen, um privates Kapital in die Stadt zu holen. Eder machte darauf aufmerksam, dass die Wirtschaft künftig aufgrund der Demografie „jeden Schulabgänger braucht“, doch zwölf Prozent der Abgänger hätten keinen Abschluss. „Die Berliner Schule muss darauf reagieren.“ Doch alles in allem, so resümierte Schweitzer, „ist Berlin auf einem guten Weg“.
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