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Management: Vielfalt braucht Zeit
Wie international sind die Vorstände der größten deutschen Unternehmen? Eine Studie zeigt: Der Ausländeranteil stagniert seit drei Jahren. Doch es gibt Hoffnung.
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Asien ist der Inbegriff für Wachstum. Kein deutscher Konzern, der nicht das Geschäft mit dem bevölkerungsreichsten Kontinent forciert. Doch die Bedeutung Asiens und besonders der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China spiegelt sich noch nicht in den Vorstandsetagen der deutschen Dax-Konzerne wider: Lediglich vier von 191 Vorständen der größten deutschen Unternehmen kommen aus Indien, der neue Vorstand der Deutschen Bank Anshu Jain – ein gebürtiger Inder mit britischem Pass – eingerechnet. Andere Asiaten sucht man vergeblich.
Die neue Studie der Bonner Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners zeigt, dass die Anzahl internationaler Vorstände bereits im dritten Jahr in Folge stagniert: Knapp 28 Prozent der Dax-Vorstände sind ausländischer Herkunft. Internationale Vergleichszahlen gibt es kaum. Nur von der Schweiz ist bekannt, dass die 100 größten Unternehmen des Landes bei ihren Vorständen einen Ausländeranteil von 45 Prozent verzeichnen.
Den größten Teil der ausländischen Vorstände in DAX-Unternehmen stellen US-Amerikaner (15) – alleine vier finden sich im Vorstand von Fresenius Medical Care (FMC). Der Dax-Konzern unter der Führung des Amerikaners Ben Lipps hat den höchsten Anteil ausländischer Vorstände im ganzen Aktienindex. Das geht auf die Übernahme des weltweit größten Betreibers von Dialysekliniken, die amerikanische National Medical Care, durch den deutschen Medizintechnik-Hersteller Fresenius im Jahr 1996 zurück.
Die zweitstärkste Ausländergruppe bilden die Österreicher (acht). Mit Antonio Roberto Cortez im erweiterten Management Board bei MAN ist immerhin auch ein Brasilianer im Spitzenmanagement der deutschen Wirtschaft vertreten. Doch sieben Dax-Konzerne sind rein national zusammengesetzt. Davon haben sich Daimler, die Münchener Rück und die Commerzbank von ihren früheren internationalen Vorständen sogar wieder getrennt. Vielfalt sieht anders aus.
Dabei ist der Nutzen gemischter Führungsteams für die Wirtschaft unbestritten. Doch noch immer würden deutsche Unternehmen rund 21 Milliarden Euro jedes Jahr durch mangelhaftes Vielfaltsmanagement verlieren, errechnete die Unternehmensberatung Roland Berger. Doch damit die Integration in den Unternehmen Früchte trägt, müssen Vorbilder her, idealerweise von ganz oben. Und genau hier scheint die deutsche Wirtschaft auf der Stelle zu treten. Aus China berichtet ein deutscher Headhunter, der anonym bleiben möchte, von frustrierenden Gesprächen mit chinesischen Topkandidaten für die Automobilbranche. „Sie lassen sich ein Organigramm des Unternehmens vorlegen und fragen, warum sie kommen sollen; es gebe doch nur deutsche Chefs und keine Aufstiegsperspektiven.“
Vorbildlich: Welche Firmen, Vielfalt umsetzen
Beim Spezialchemiekonzern Evonik – nicht im Deutschen Aktienindex notiert – ist Asien dagegen seit 2011 im Vorstand repräsentiert. Dahai Yu teilt mit fünf deutschen Kollegen die Führungsetage des Essener Unternehmens. „Wir arbeiten bestens zusammen, und das nicht erst, seit wir Vorstandskollegen sind.“ Der promovierte Chemiker, stammt aus Schanghai und hat in Deutschland studiert. Der 51-Jährige verantwortet das China-Geschäft der früheren RAG, die einst Steinkohle-Bergbau im Ruhrgebiet betrieb. Mehr als eine Milliarde Euro des Evonik-Umsatzes mit Kunststoffen kommen bereits von dort. Yu hat den Aufstieg vom Stipendiaten bis zum Präsidenten für das China-Geschäft geschafft. „Ich hatte viele Vorgesetzte, die mir vertraut und die mich gefördert haben“, sagt Yu, „davon will ich dem Unternehmen als Vorstandsmitglied vieles zurückgeben.“
Auch im deutschen Mittelstand kommt Bewegung in die Vorstandszirkel. Das Traditionsunternehmen Freudenberg, das immer noch im Besitz der Gründernachkommen ist, und Dichtungen, Filter und Vliesstoffe herstellt, hat Anfang des Monats erstmals einen iranischstämmigen Amerikaner zum Sprecher der Geschäftsführung gemacht: Mohsen Sohi lenkt jetzt die Geschicke des baden-württembergischen Konzerns, der mit 37 000 Mitarbeitern in 58 Ländern aktiv ist. „Wir arbeiten daran, unser Unternehmen noch internationaler aufzustellen. Die Besetzungen unserer Führungspositionen sollen unsere Mitarbeiter und Märkte noch deutlicher widerspiegeln, vor allem in Asien“, sagt Sohi, „im Übrigen haben wir seit vielen Jahren zwei Unternehmenssprachen, Deutsch und Englisch.“ Um die Marktchancen in der Welt nutzen zu können, sei es ein Vorteil, selbst für kulturelle Vielfalt zu stehen.
Das paneuropäische Unternehmen Airbus lebt es bereits vor. Bei dem Flugzeugbauer steht das weltweite Geschäft mit den Fluglinien im Vordergrund, im Airbus-Vorstand finden sich Deutsche, Franzosen, Briten, Spanier. Aus dem Management wachsen internationale Kandidaten wie Zuzana Hrnkova nach: Die gebürtige Slovakin ist seit 2011 Chefin des Kabinenmarketings von Airbus, einer wichtigen Schnittstelle im Kampf um internationale Kunden. Die 44-Jährige schätzt den „Schmelztiegel der unterschiedlichen Kulturen“ im Unternehmen. Ihr Ziel: Eine Leitungsfunktion beim Luftfahrtkonzern EADS. Denn Osteuropäer sind wie Asiaten auf den Chefsesseln ebenfalls unterrepräsentiert. (HB)
Petra Schäfer
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