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Made in Germany? Bio-Möhren gibt es auch aus Deutschland, aber nicht genug.

© dpa

Bio-Lücke: Warum Deutschland Bio-Lebensmittel importieren muss

Die Nachfrage nach Lebensmitteln aus ökologischem Landbau steigt, die Preise auch. Deutsche Bauern produzieren zu wenig - sie sehen die Schuldigen in der Politik.

Bio boomt. Dioxin in Futtermitteln, Antibiotika in der Massentierhaltung: Immer mehr Kunden haben die Nase voll von solchen Hiobsbotschaften und kaufen lieber Öko-Lebensmittel. Im vergangenen Jahr legte der Umsatz mit Bio-Produkten in Deutschland um neun Prozent auf knapp 6,6 Milliarden Euro zu, teilte der Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW) mit.

Dabei lassen sich die Käufer auch von höheren Preisen nicht abschrecken. 2010 stiegen die Verkaufserlöse im Bio-Bereich um 20 Prozent und damit deutlich stärker als im konventionellen Bereich (plus 13 Prozent). Grund dafür waren vor allem die gestiegenen Erzeugerpreise.

Branchenzahlen für 2011 gibt es noch nicht. Nach Schätzungen des BÖLW sind die Preise für Milch, Eier und Fleisch jedoch weiter gestiegen, bei Kartoffeln, Obst und vielen Gemüsesorten habe es dagegen Preissenkungen gegeben. „Keine Handelskette kann heute auf ein Bio-Angebot verzichten“, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.

Doch immer häufiger müssen die Händler auf Ware aus dem Ausland zurückgreifen, um die steigende Nachfrage zu decken. Die Hälfte der Bio-Möhren und -Äpfel, 26 Prozent der Kartoffeln und 15 Prozent des Bio-Getreides werden importiert. „In den letzten zehn Jahren hat sich die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in Deutschland verdreifacht, die Anbaufläche hat sich in dieser Zeit aber nur verdoppelt“, ärgert sich Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des BÖLW.

Im Vorfeld der am Dienstag in Nürnberg beginnenden Biomesse „Biofach“ fordert Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) die deutschen Landwirte auf, die Nachfrage selbst zu bedienen: „Hier sehe ich ein großes Potenzial für die deutschen Landwirte – da ist noch viel Luft nach oben.“

"Kurze Wege und eine gemeinsame Sprache verringern das Risiko"

Löwenstein, der auf seinem Ökohof in Hessen Kräuter anbaut, hält solche Forderungen für wohlfeil. Viele Landwirte würden ihre Produktion gern auf „bio“ umstellen, schrecken aber aus verschiedenen Gründen davor zurück, berichtet Löwenstein. Ein Grund sei die Unsicherheit über die Förderung durch die Länder. So habe Brandenburg die Fördergelder für eine Umstellung auf Öko-Landwirtschaft gestrichen, Schleswig-Holstein habe nicht nur die Umstellungs-, sondern auch die Beibehaltungsförderung für bereits bestehende Öko-Betriebe abgeschafft, kritisiert der Verbandschef.

Zudem würden die Flächen knapp. „Statt für den Bio-Landbau wird immer mehr Land für Bio-Gasanlagen genutzt“, betont Löwenstein. „Bio-Bauern finden kaum noch Land.“ Dabei wären nach Berechnungen des BÖLW 10.000 neue Biobetriebe nötig, um die Lücke zwischen der Nachfrage und dem Angebot mit heimischen Bio-Produkten zu schließen.

2011 gab es in Deutschland rund 23.000 Öko-Betriebe, 4,8 Prozent mehr als 2010. Zu den wichtigsten Lieferländern für Bio-Lebensmitteln zählt Italien. Das Land liefert vor allem Getreide, Obst und Gemüse nach Deutschland. Doch nicht überall, wo „Bio“ draufsteht ist wirklich „Bio“ drin. Vor einigen Monaten war ein Betrügerring aufgeflogen, der in Italien konventionelle Produkte zu Öko-Ware umetikettiert hatte.

Mit deutschen Produkten wäre das nicht passiert, glaubt Löwenstein: „Kurze Wege und eine gemeinsame Sprache verringern das Risiko.“

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