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Christine Lagarde will bei der EZB jeden Stein umdrehen. Auch den, unter dem das Inflationsziel verborgen ist.

© REUTERS

Sind zwei Prozent realistisch?: Warum die EZB ihr Inflationsziel nicht so bald ändern wird

Bei der EZB steht alles auf dem Prüfstand. Gangbarer als ein neues Inflationsziel wäre aber ein verbindlicher Umgang mit dem bisherigen. Ein Gastbeitrag.

Trotz massiver Anleihekaufprogramme und negativer Einlagezinsen liegt die Inflation im Euro-Raum seit nunmehr sieben Jahren unter der angestrebten Zwei-Prozent-Marke. Die andauernde Zielverfehlung nagt an der Glaubwürdigkeit der Europäischen Zentralbank. Mit einer umfassenden Strategierevision will die EZB-Chefin Christine Lagarde die Notenbank nun neu aufstellen.

Auf den Prüfstand soll so ziemlich alles, was das Kerngeschäft betrifft: die Formulierung des Preisstabilitätsziels, die "Zwei Säulen"-Strategie, das Instrumentarium und die Kommunikationspraktiken. Darüber hinaus will die Notenbankchefin das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit in den geldpolitischen Kontext bringen. Damit hat sie sich viel vorgenommen. Bei der Ratssitzung am Donnerstag will sie die ersten Schritte unternehmen.

Obgleich grundlegende Fragen im Raum stehen, ist es eher unwahrscheinlich, dass die europäische Geldpolitik im kommenden Jahr ein deutlich geändertes Ziel ansteuert. So dürften das primäre Ziel und die Definition der Preisstabilität größtenteils erhalten bleiben. Nach dem Erreichen der Nullzinsgrenze mehrten sich zwar die Stimmen, die sich für höhere Inflationsziele aussprachen. Eine Erhöhung auf drei oder vier Prozent statt der bisher angestrebten zwei Prozent dürfte den Nominalzins durch höhere Inflationserwartungen anheben und somit die Gefahr, die Nullzinsgrenze zu erreichen, vermindern. Für eine Anhebung des Inflationsziels spricht auch, dass damit einhergehende höhere Inflationserwartungen automatisch die Teuerung ankurbeln dürften.

Geraldine Dany-Knedlik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
Geraldine Dany-Knedlik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.

© diw / Florian Schuh

Es hängt an der Glaubwürdigkeit der EZB

Beides ist denkbar, hängt aber maßgeblich davon ab, ob die EZB das glaubwürdig vermitteln kann. Kann sie es nicht, bleiben Erwartungen und Inflation niedrig und die Zentralbank verfehlt ihr Ziel. Diese leidige Erfahrung musste schon die Notenbank von Japan machen, als sie im Jahr 2012 ihr Inflationsziel auf zwei Prozent anhob, die Inflationserwartungen und die tatsächliche Teuerung aber weiterhin unter einem Prozent blieben.

Zudem ist unklar, ob ein höheres Inflationsziel durch den größeren Sicherheitsabstand zur Nullzinsschranke nicht insgesamt größere Kosten aufgrund der dauerhaft höheren Inflation verursacht. Angesichts der Unsicherheit über das Kosten-Nutzen-Verhältnis, aber auch wegen der andauernden Zielunterschreitung und des damit verbundenen Glaubwürdigkeitsverlusts der EZB in den letzten Jahren scheint eine Erhöhung des Inflationsziels zurzeit daher keine Option zu sein.

Es braucht Messbarkeit

Um das verlorene Vertrauen der Marktteilnehmer wieder zurückzugewinnen, könnte die EZB jedoch verdeutlichen, inwieweit sie tatsächlich die Inflation steuern kann. Bislang gibt die EZB in ihrer Zieldefinition an, dass sie die Inflation in der mittleren Frist nahe, aber unter zwei Prozent halten möchte. Im Vergleich zu anderen Notenbanken fortgeschrittener Volkswirtschaften ist diese Formulierung recht schwammig. Unklar bleibt, welche Abweichungen die EZB als Zielverfehlung ansieht und welche sie für tolerierbar hält. Hier würde ein Quantifizierung Abhilfe schaffen.

Die Festlegung eines quantitativen Toleranzbandes mit angemessener Größe, die im Falle der Währungsunion eher unter einem Prozentpunkt läge, könnte für die EZB von Vorteil sein, um den Marktakteuren zu verdeutlichen, um wie viel auch eine erfolgreiche Geldpolitik das Inflationsziel verfehlen kann. Dies könnte dazu beitragen, Vertrauen zurückzugewinnen und vergangene Zielunterschreitungen ins Verhältnis zu setzen.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIW Berlin.

Geraldine Dany-Knedlik

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