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Wirtschaft: Wenn Spekulanten politisch werden

George Soros stellt in Berlin sein neues Buch vor

Berlin - Sein Name leuchtet meterhoch vom rot illuminierten Zeltdach des Tempodroms: George Soros. Die Legende ist in der Stadt. Hunderte Menschen strömen am Donnerstagabend über den roten Teppich ins Foyer, wo Häppchen und Hostessen warten. Dem Sponsor DWS, Deutschlands größter Fondsgesellschaft, sei Dank. Sie alle wollen den Guru sehen, den Spekulanten, der einst das britische Pfund in die Knie zwang.

George Soros macht Station in Berlin, um sein neues Buch zu präsentieren: „Die Ära der Fehlentscheidungen – Die Energiekrise und die Konsequenzen aus dem Krieg gegen den Terror“. Der Finanzbuch-Verlag hat 1000 „Ehrengäste“ eingeladen, und Verleger Christian Jund zeigt bei der Begrüßung seine Freude darüber, dass er mit Soros einen ganz Großen unter Vertrag genommen hat. Während im abgedunkelten Zuschauerraum Fotohandys bereitgehalten werden und die Legende mit halbstündiger Verspätung Platz nimmt, läuft das Jubelprogramm. Die Finanzjournalisten Markus Koch und Stefan Riße stolpern durch die Biografie Soros’, Laudator Kurt Biedenkopf würdigt den gebürtigen Ungarn als Freund und philosophischen Kopf. Soros, der in seinem Buch den Feldzug der US-Regierung gegen den Terrorismus anprangert, sei mehr als ein überaus erfolgreicher Spekulant mit einem geschätzten Privatvermögen von sieben Milliarden Dollar. Zeit seines bewegten Lebens habe er sich für die „offene Gesellschaft“ im Sinne Karl Poppers engagiert. Bei dem Versuch, den Terror militärisch zu bekämpfen, lege US-Präsident George W. Bush Feuer an die Demokratie. Die USA sei auf dem Weg in eine „geschlossene, gleichgeschaltete Gesellschaft“.

„And now, ladies and gentlemen…“, tönt es nach einer Stunde Vorprogramm aus den Lautsprechern. „Please give a big hand to George Soros!“ Fanfare. Applaus. Blitzlicht. Und von links tritt ein freundlich lächelnder, älterer Herr im Zweireiher auf die Bühne, der so gar nicht zum Brimborium dieses Abends passen will.

Soros enttäuscht die Erwartungen: Sein geopolitischer Vortrag über die verheerenden Folgen des Kriegs gegen den Terror enthält nicht einen einzigen Anlagetipp. Nein, Soros ist der elder statesman. Sympathisch, lehrreich, vielseitig informiert – und sehr politisch. Bush, sagt er im ungarisch gefärbten Englisch, gefährde in seinem ideologischen Reflex auf die Angriffe des 11. September 2001 Humanität und internationales Recht. Der jüngste Sieg der Demokraten freut Soros sichtlich.

Im Nachgespräch mit Markus Koch und Stefan Riße soll es dann doch noch praktisch werden. Doch die Tour d’horizon von Popper über Hiroshima bis zur Erderwärmung misslingt. Als Soros sich schließlich noch zum Derivatemarkt äußern soll, wirkt die Legende ein bisschen müde. Den Zuhörern geht es ähnlich. Im Foyer reicht die DWS Suppe und Salat. Soros’ Buch ist zum Preis von 29,90 Euro am Ausgang zu haben.

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