
Axel Weber: Wer ist der Chef der Bundesbank?
Auf den Titelseiten steht sein Name eher selten. Der Finanzgemeinde ist er aber längst ein Begriff. Denn der Bundesbankchef gilt als heißer Kandidat für den Chefsessel der Europäischen Zentralbank Wer ist Axel Weber?
WOHER STAMMT WEBER?
Weber wuchs im rheinland-pfälzischen Kusel auf, einem Dorf mit gut 5000 Einwohnern, 40 Kilometer nordwestlich von Kaiserslautern. Sein Vater war Volkshochschulrektor, als Sozialdemokrat auch zeitweilig Bürgermeister. Weber hat zwei jüngere Geschwister. Schnell entfloh der ehrgeizige junge Mann der Provinz, aber nicht direkt in die Finanzzentren der Republik oder dorthin, wo Geldpolitik gemacht wird. Studiert hat er in Konstanz, wo er sein Diplom als Volkswirt erstand. In Siegen, auch nicht unbedingt der Nabel der Finanzwelt, hat Weber promoviert und sich habilitiert. Mit 37 Jahren setzte er seine steile akademische Karriere an der Universität Bonn fort, er übernahm dort den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie. Später lehrte der zweifache Familienvater in Frankfurt am Main und in Köln, in Frankfurt leitete er zudem das renommierte Center for Financial Studies. 2002 wurde der Langstreckenläufer Weber, der schon einmal den Kölner Marathon in rund vier Stunden bewältigt hat, als einer der fünf Wirtschaftsweisen in den Sachverständigenrat berufen. Höher kann ein Ökonom in Deutschland nicht aufsteigen. Auch hier profilierte er sich.
WIE KAM ER AN DIE SPITZE DER BUNDESBANK?
Ohne das Berliner Adlon-Hotel und die Übernachtungsaffäre seines Vorgängers Ernst Welteke, der deshalb zurücktreten musste, hätte sich für Weber die Chance auf den Chefsessel der Bundesbank nicht eröffnet. Seine Berufung im Mai 2004 war eine Überraschung: Kein Experte hatte den Professor auf der Rechnung. Der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD) und sein Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen schon. Weber rückte als erster Wissenschaftler an die Spitze der Bundesbank. Das Lob für diese Berufung war ungeteilt, aus der Politik, von Banken und in der Bundesbank selbst.
WIE MACHT SICH WEBER IN DER BUNDESBANK?
Der Wechsel vom Lehr- auf den Präsidentenstuhl war nicht einfach, zumal Weber das angeschlagene Renommee der Bundesbank bekämpfen und sich gegen ihren Bedeutungsverlust stemmen musste. Mit der Einführung des Euro 1999 hatte die Bundesbank ihre wichtige Rolle in der Geldpolitik an die Europäische Zentralbank (EZB) abtreten müssen. Getragen von Vorschusslorbeeren und seinem ausgeprägten, professionellen Selbstbewusstsein fand sich der eloquente Professor schnell zurecht. Auch im Rat der Europäischen Zentralbank, wo er als deutscher Vertreter an jedem zweiten Donnerstag im Frankfurter Eurotower mit über Leitzinsen und Wohl und Wehe des Euro entscheidet.
Gegenüber der Politik fand und findet Weber deutliche Worte, mahnt Berlin unablässig zu solider Finanz- und Haushaltspolitik. Aus der Bank selbst gibt es viel Lob für Weber, auch wenn er der aufgeblähten Institution eine herbe Schlankheitskur mit der Schließung von zahlreichen Filialen und dem Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen verordnet hat. Im Jahr 2012 soll die Bank nur noch 9000 Mitarbeiter haben. Es waren einmal fast doppelt so viel. Zum ersten Mal in der Geschichte der Notenbank gingen Bundesbanker deshalb im Herbst 2009 auf die Straße. Dafür stärkte der Präsident die Rolle der Bundesbank in der Bankenaufsicht. Selbst Webers harsche Kritik an seinem Vorstandskollegen, dem Berliner Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin, und dessen fragwürdigen Äußerungen über Türken in der Hauptstadt fanden in der Bank uneingeschränkte Unterstützung. Auf Webers Drängen hin wurden Sarrazins Zuständigkeiten im Bundesbankvorstand beschnitten.
WAS WAREN BISLANG SEINE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN?
Abgesehen von der ärgerlichen Auseinandersetzung mit Sarrazin war Weber vor allem im Herbst 2008 gefordert – auf dem Höhepunkt der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers und der dramatischen Schieflage bei der Hypo Real Estate. Er warnte eindrücklich vor dem Zusammenbruch der Münchner Großbank. Und setzte sich durch. Das Institut wurde mit dreistelligen Milliardenbeträgen gerettet und schließlich verstaatlicht. Weber, so sagen Beobachter, sei heute der wichtigste (Finanz-)Krisenberater der Regierung. Zugleich schwand mit der Krise Webers Respekt vor vielen Top-Bankern, auch vor Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Weber hält deren Treiben inzwischen für hochriskant und ihre Renditevorstellungen für überzogen.
WELCHE CHANCEN HAT ER, EZB-CHEF ZU WERDEN?
Reden will darüber eigentlich noch niemand so richtig. Schon gar nicht die Bundesregierung, die Weber unterstützt und fürchtet, eine verfrühte Debatte würde ihrem Kandidaten nur schaden. Denn der Posten an der Spitze der EZB wird erst im Oktober 2011 frei. Aber hinter den Kulissen wird bereits ein Nachfolger für den Franzosen Jean-Claude Trichet gesucht. Im Rennen um den Präsidentensessel sind derzeit Weber und sein italienischer Kollege Mario Draghi. Webers Chancen sind in der vergangenen Woche deutlich gestiegen: Die Entscheidung der EU-Finanzminister am Dienstag, den Portugiesen Vitor Constancio als kommenden EZB-Vizepräsidenten zu benennen, wird von Beobachtern als Weichenstellung für Weber gedeutet. Denn die Posten an der Spitze der EZB würden, so wird argumentiert, in aller Regel nach geografischem Proporz zwischen den Ländern aus Nord- und Südeuropa besetzt. Allerdings gibt es auch Widerstand gegen den 52-Jährigen, gerade aus den kleineren EU-Staaten. So erklärte der Eurogruppen-Vorsitzende, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, bereits, gegen eine Vorfestlegung auf den Deutschen zu sein. Und die italienische Regierung wirbt weiter für Draghi. Sicher ist: Das Rennen ist noch lange nicht entschieden. In Brüssel wird zudem spekuliert, dass noch ein dritter Kandidat aufgestellt werden könnte.
WAS QUALIFIZIERT IHN FÜR DIE AUFGABE ALS PRÄSIDENT DER EZB?
Weber zählt international trotz seiner vergleichsweise kurzen Zugehörigkeit zum Kreis der Notenbanker zu den angesehensten Köpfen der Finanzwelt. Er repräsentiert Deutschland im Internationalen Währungsfonds, in der Europäischen Union sowie in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20). Die angepeilten Reformen im Weltfinanzsystem tragen auch seine Handschrift. Webers fachliche Qualifikation für die Geldpolitik ist unbestritten. Der 52-Jährige ist ehrgeizig und zielstrebig, dem Ziel von Preisstabilität uneingeschränkt verpflichtet, politisch absolut unabhängig und integer. Im Rat der EZB gehört er längst zu den dominierenden Persönlichkeiten. Sein Verhältnis zum aktuellen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet wie auch zu Ben Bernanke, dem Chef der US-Notenbank Fed, gilt als exzellent.
WAS WÜRDE AUF WEBER ALS EZB-CHEF ZUKOMMEN?
Mit zwei Fragen muss sich die EZB und damit auch Weber als wichtiges Mitglied des EZB-Rates derzeit beschäftigen. Wie kann die Notenbank möglichst geräusch- und folgenlos ihre milliardenschweren Krisen- und Hilfsmaßnahmen für die Banken zurückfahren und die Milliarden wieder nach und nach einsammeln? Und wann kann und muss sie das Rekordtief beim Leitzins von aktuell 1,0 Prozent wieder verlassen und die geldpolitische Schraube wieder anziehen? Weber weiß um den Spagat: Ziehen die Notenbanker die geldpolitischen Zügel zu früh an, könnten sie die nur allmählich in Fahrt kommende Konjunktur schon wieder abwürgen. Lassen sie sich zu viel Zeit, drohen neue gefährliche Blasen an den Finanzmärkten und mittelfristig steigende Inflationsraten. Zum anderen sind die maroden Staatsfinanzen in Griechenland und ähnliche Schwierigkeiten in anderen Euroländern drängende Probleme für die EZB. Dies lastet auf dem Euro und bedroht mittelfristig den Zusammenhalt der Eurozone. Freilich: Direkt helfen kann und darf die EZB der Regierung in Athen nicht. Weber hat sich schon mehrfach deutlich gegen Hilfsmaßnahmen ausgesprochen, weil er dann einen Dammbruch fürchtet. Zumindest das zweite Problem wird auch den Nachfolger des jetzigen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet beschäftigen.