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Skandal um Leiharbeitsfirmen: Wie die Jungfrau zum Aufnahmeantrag

Einem Fernsehbericht zufolge haben Leiharbeitsfirmen mit fraglichen Methoden für neue Mitglieder bei den Christlichen Gewerkschaften gesorgt. Den Leiharbeitern wurde der Gewerkschaftsbeitrag von ihrem ohnehin mageren Lohn abgezogen - ohne dass diese davon wussten.

Stand:

Die Geschäftsmethoden der so genannten Christlichen Gewerkschaften bleiben umstritten. Nachdem der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit kürzlich vom Bundesarbeitsgericht die Tariffähigkeit abgesprochen worden war und dadurch Zehntausende von Leiharbeitern womöglich Anspruch auf eine Lohnnachzahlung haben, berichtet nun das ZDF-Magazin „Frontal 21“ über eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen Christengewerkschaft und Leiharbeitsbranche. Den Unterlagen zufolge, die dem Tagesspiegel vorliegen, ließ sich die Christengewerkschaft Mitglieder von Arbeitgebern zuführen.

Sozusagen ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Eine Leiharbeitsfirma sorgt dafür, dass ihre Mitarbeiter Mitglied der Christengewerkschaft werden. Die Christengewerkschaft wiederum schließt einen für den Arbeitgeber günstigen Haustarif mit einem Stundenlohn von 4,81 Euro ab. Verlierer des Geschäfts sind – in zweifacher Weise – die Leiharbeiter: Sie bekommen einen erbärmlichen Lohn und müssen davon noch einen Beitrag für eine Gewerkschaft zahlen, deren Engagement für die Mitglieder schwer erkennbar ist.

„Frontal 21“ berichtet am heutigen Dienstagabend darüberhinaus von einer eigentümlichen Form der Mitgliederrekrutierung. Den Recherchen zufolge hat die Unternehmensgruppe Artos jahrelang Leiharbeiter der Christlichen Gewerkschaft als Mitglieder zugeführt, oftmals ohne Wissen der Leiharbeiter. Der Gewerkschaftsbeitrag von sechs Euro je Monat sei ihnen vom Lohn abgezogen worden – auch ohne Kenntnis oder Zustimmung der Leiharbeitskräfte. Dem Fernsehmagazin liegt eine Mitgliederliste der Christlichen Gewerkschaft aus dem Ruhrgebiet mit 1507 Namen vor.

Die TV-Journalisten riefen 100 dieser Personen an – 96 davon wussten nicht, dass sie Mitglied einer Christlichen Gewerkschaft waren und dafür Beiträge zahlten. „Frontal 21“ zitiert einen ehemaligen Mitarbeiter der Artos-Gruppe mit den Worten, „alle Mitarbeiter und Bewerber mussten diese Beitrittserklärung zur Christlichen Gewerkschaft unterschreiben“. Die Leiharbeiter hätten bei der Einstellung rund ein Dutzend Unterschriften zu leisten gehabt, die Beitrittserklärung sei da nicht weiter aufgefallen.

Detlef Lutz aus dem Vorstand der Christengewerkschaft sagt, nachdem seine Gewerkschaft Hinweise bekommen habe, dass womöglich Mitgliedschaften ohne Kenntnis der Mitglieder zustande gekommen seien, „sind wir der Sache nachgegangen“. Man habe schließlich „die Zusammenarbeit mit Artos beendet, und damit ist im Grunde (...) dieses Thema erledigt“. Bei der Artos-Geschäftsführung war auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten.

Artos ist an mehreren Zeitarbeitsfirmen beteiligt und setzte laut Handelsregister zuletzt (2009) rund zehn Millionen Euro um. Ausweislich der Liste, die „Frontal 21“ vorliegt, haben die sechs Zeitarbeitsfirmen der Artos-Gruppe von 2004 bis 2007 der Christlichen Gewerkschaft rund 1500 Mitglieder geliefert.

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