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Sichere Sache. Andreas Eckert rechnet damit, dass seine Firma beim Rückbau der deutschen Kernkraftwerke mitwirken wird.

© Kitty Kleist-Heinrich

Medizintechnik: "Wir machen die Akws sauber"

Andreas Eckert, Chef der Berliner Medizintechnikfirma Eckert&Ziegler, spricht im Interview über den Atomausstieg.

Herr Eckert, der Atomausstieg ist beschlossen, innerhalb der nächsten zehn Jahre werden alle deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen. Wie können Sie an der Energiewende verdienen?

Vor 20 Jahren haben wir als Hersteller für radioaktive Medikamente begonnen. Zugleich haben wir aber auch eine Entsorgungsinfrastruktur für radioaktive Stoffe entwickelt. Immer wenn etwa Kontrastmittel nicht genutzt werden, hat der Arzt ein Problem, weil er sie nicht über den Hausmüll entsorgen kann. Deshalb holen wir in ganz Deutschland primär aus der Radio-Onkologie oder der Nuklearmedizin schwach radioaktive Abfälle ab. Hier liegt die Keimzelle unserer Entsorgungssparte.

In welchen Bereichen könnten Sie beim Rückbau der Akws tätig werden?

Im Kernkraftwerk liegen ja nicht nur Brennstäbe. Ein großer Teil des Rückbaus betrifft schwachaktive Abfälle – das geht von der Kleidung der Mitarbeiter bis zum Beton des Gehäuses, an dem sich über Jahre radioaktiver Staub sammelt, der nicht einfach auf die Müllkippe darf. Wir können alles dekontaminieren, was in einem Meiler steckt.

Zum Beispiel?

Kontaminierte Leitungen etwa. In einem Kraftwerk liegen mehrere Kilometer davon, das Isolationsmaterial außen ist häufig mit radioaktivem Staub besetzt. Drinnen steckt Kupfer, das zu wertvoll ist, um es wegzuwerfen. Wir haben Maschinen, die in geschützten Räumen den Kupferkern aus den Kabeln ziehen. Die radioaktiv belasteten Isolatoren bleiben übrig. Das Gummi wird verbrannt, um Platz zu sparen, die Asche wird gewaschen, reduziert und in Beton eingerührt. Dann erst kann sie ins Abklinglager gebracht werden. Wir bieten die Infrastruktur für diesen ganzen Prozess an – vom Gutachter bis zur Einlagerung. Wir stellen auch endlagerfähige Container her, die vom Bundesamt für Strahlenschutz zertifiziert sind und im Schacht Konrad zum Einsatz kommen können.

Warum glauben Sie, dass Sie als kleines Medizintechnikunternehmen beim Rückbau zum Zug kommen?

Weil es in Deutschland kaum noch Firmen gibt, die sich professionell mit Radioaktivität beschäftigen. Aus politischen Gründen hat man in den letzten 30 Jahren das ganze akademische Niveau extrem ausgetrocknet, und zum Thema Rückbau und Entsorgung finden Sie auch bei den Energieunternehmen wenig.

Aber der Staat und die Energiekonzerne haben eigene Entsorger.

Trotzdem werden sie froh sein, auf weitere Kapazitäten und die Erfahrungen kompetenter Dritter zurückgreifen zu können. Immerhin 17 Kernkraftwerke und ein paar Forschungsreaktoren müssen abgewickelt werden. Wenn in diesem Bereich Aufträge ausgeschrieben werden, wird der Löwenanteil an drei deutsche Firmen gehen, die schon Erfahrungen mit Zwischen- und Endlagerung haben: Die Gesellschaft für Nuklear-Service, die den großen Versorgern gehört, die Energiewerke Nord, die dem Finanzministerium gehören, und wir.

Die Bundesregierung veranschlagt für den Rückbau 5,4 Milliarden Euro. Was für Umsätze erhoffen Sie sich?

Das ist schwer zu sagen, das Arbeitsvolumen wird ja in einzelne Lose heruntergebrochen. Wenn man wirklich mit fünf Milliarden und zehn Jahren Rückbauzeit rechnet, ergäbe es jedes Jahr Aufträge in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Wenn nur ein Fünftel dieses Volumens bei uns landete, entspräche das einer Verdoppelung der gesamten Konzernumsätze. Momentan machen wir mit der Sparte Entsorgung gerade mal fünf Millionen Euro Umsatz.

Haben Sie denn dann überhaupt die Kapazitäten für solche großen Aufträge?

Das Wesentliche sind das Know-how und die Genehmigungen. Die Kapazitäten der Maschinen können wir jederzeit hochfahren. Ein Großteil der Arbeiten wird sich zudem auf dem Gelände der Energieerzeuger abspielen.

Müssten Sie mehr Leute einstellen?

Ja, falls wir einen Auftrag bekämen, wäre das ein klarer Impuls für Beschäftigung. Wir wollen aber keine Masse machen, sondern lieber komplexe Sachen.

Könnte die kleinste Sparte also bald die anderen überholen?

Es ist noch zu früh, um belastbare Aussagen treffen zu können, die Dinge werden Zeit brauchen. Unsere Entsorgungssparte sollte im nächsten Jahr erst mal von fünf auf sieben Millionen Euro wachsen. Falls aber tatsächlich Rückbauarbeiten im großen Stil beginnen, würde diese Sparte die wachstumsstärkste des Unternehmens werden. Der Rückbau wird aber nur über 15 bis 20 Jahre laufen. Die richtig großen Wachstumsperspektiven sehe ich für unser Unternehmen deshalb weiterhin in der Radiopharmazie. Wir haben schon 2009 angekündigt, unseren Umsatz mit solchen Aktivitäten bis Ende 2014 noch einmal verdoppeln zu können. Dabei bleibt es.

Gibt es schon Gespräche mit der Regierung?

Frau Merkel hat noch nicht angerufen, falls Sie das meinen, aber ansonsten spricht natürlich in der Szene jeder mit jedem.

Haben Sie in der Vergangenheit Aufträge zum Rückbau von Reaktoren bekommen?

Ja, wir sind eigentlich alte Hasen in dem Bereich. Unsere Aktivitäten gehen zurück bis zur Stilllegung der legendären Otto-Hahn, eines atomkraftgetriebenen Versuchsfrachtschiffs aus den sechziger Jahren. Wir waren auch am Laborrückbau in Geesthacht einbezogen, oder bei der Stilllegung von Rossendorf. Momentan sind wir zum Beispiel am Rückbau des Kernkraftwerks Stade beteiligt. Beim Endlager Asse, das derzeit zu überfluten droht, werden wir ebenfalls zu Spezialthemen gefragt. Falls die Regierung das ehemalige Salzbergwerk räumen lässt und den Müll wieder an die Oberfläche holt, entstände hier eine zusätzliche Dienstleistungsnachfrage in Höhe von drei bis vier Milliarden Euro. Man denkt ja daran, den Müll neu zu verpacken. Sicher wird man das vor Ort machen müssen. Aber der Weg wäre nicht weit, denn mit unserer Tochterfirma Eckert & Ziegler Nuclitec sitzen wir in Braunschweig in unmittelbarer Nähe.

Wird auch Ihr Berliner Standort profitieren, wenn Sie beim Rückbau zum Zuge kommen?

Wie gesagt, das ist alles noch spekulativ, belastbare Zahlen kann ich nicht nennen. Wir bauen aber unabhängig von der Entwicklung im Entsorgungsbereich eine neue Konzernzentrale in Berlin-Buch, die 2012 fertig sein soll. Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort. Wir werden weiter wachsen – auch ohne den Rückbau der Kernkraftwerke.

Das Gespräch führte Jahel Mielke.

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