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Wirtschaft: "Wir müssen endlich zu einer Entscheidung über den Transrapid kommen"

Der Adtranz-Chef zur Finanzkrise der Bahn, den Problemen der Schienenfahrzeugindustrie und der Zukunft der MagnetbahnRolf Eckrodt (57) steht seit 1996 - zunächst als stellvertretender Vorstandschef, seit 1999 als Vorstandsvorsitzender - an der Spitze des Adtranz-Konzerns.Herr Eckrodt, die Deutsche Bahn, Ihr größter Kunde, steckt in erheblichen Finanzproblemen.

Der Adtranz-Chef zur Finanzkrise der Bahn, den Problemen der Schienenfahrzeugindustrie und der Zukunft der Magnetbahn

Rolf Eckrodt (57) steht seit 1996 - zunächst als stellvertretender Vorstandschef, seit 1999 als Vorstandsvorsitzender - an der Spitze des Adtranz-Konzerns.

Herr Eckrodt, die Deutsche Bahn, Ihr größter Kunde, steckt in erheblichen Finanzproblemen. Bekommen die Schienenfahrzeughersteller jetzt neue Probleme?

Nicht nur die Bahn steckt in Finanzproblemen. Am gesamten System Bahn - das schließt die Hersteller mit ein - ist etwas faul. Die Engpässe in der Infrastruktur müssen beseitigt werden. Es muss investiert werden, in moderne Signaltechnik, in eine intelligente Vernetzung aller Verkehrsträger. Und wir brauchen mehr Wettbewerb. Das System wird noch viel zu wenig professionell betrieben.

Vorerst hat Bahnchef Hartmut Mehdorn dem Unternehmen einen radikalen Sparkurs verordnet. Wie kommen Sie damit zurecht?

Die Sanierung der Bahn ist unvermeidbar. Mehdorn geht da sehr professionell heran, mit einer industriellen Sicht. Er will ein gesundes Unternehmen. Er investiert nur dort, wo auch absehbar ist, dass er damit Geld verdienen kann. Mit dieser Grundphilosophie kann ich sehr gut leben.

Der Bahnchef geht mit Ihnen weniger sorgsam um. Dass der ICE-3 bei der Expo in Hannover nur langsam fahren kann und die neue S-Bahn überhaupt nicht geliefert werden konnte, nennt Mehdorn unverständlich - und schickt Ihnen Regressforderungen ins Haus.

Dass der ICE-3 in Hannover nicht seine volle Geschwindigkeit ausfahren kann, liegt nicht am Produkt, sondern an der Infrastruktur. Das können wir nicht lösen. Bei der S-Bahn ist es sicher anders. Hier spüren wir noch die Nachwehen der Bahnreform, als die Bahn sich aus der Produktverantwortung zurückzog. Darauf war die Industrie, und in diesem Fall das Konsortium Adtranz, Bombardier, Siemens, nicht vorbereitet, da sind Fehler gemacht worden. Heute würde uns das nicht mehr passieren. Und wir haben uns bemüht, den Schaden in Hannover zu begrenzen: Wir, das heißt Adtranz, haben nahezu gleichwertige Fahrzeuge geliefert.

Fühlen Sie sich von der Bahn ungerecht behandelt?

Über das Ausmaß des Schadens, der tatsächlich entstanden ist, kann man trefflich streiten. Wir fordern eine faire Bewertung. Die Verlagerung der Verantwortung wurde schließlich auch vom Kunden provoziert, wir haben alle lernen müssen. Aber entscheidend ist doch, dass wir solche Fehler in Zukunft vermeiden. Die Bahn hat selbst das größte Interesse daran, die Zusammenarbeit mit den Zulieferern zu verbessern.

Hat sich denn die Zusammenarbeit seit dem Amtsantritt von Herrn Mehdorn schon verbessert?

Ja, Mehdorn hat die richtige Denke. Er hat bei der Bahn schon einiges verändert.

Auf die Folgeaufträge, etwa für den ICE-3, warten Sie aber noch immer. Bringt Sie das nicht in die Klemme?

Wir müssen damit leben, dass der Kunde nur das bestellt, was er auch bezahlen kann.

Müssen Sie jetzt Kapazitäten abbauen?

Über den angekündigten Umfang hinaus nicht. Unsere Kapazitäten sind derzeit ausgelastet. Wir werden im Jahr 2000 dem Umsatz um 20 Prozent steigern.

Sie peilen für dieses Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis an. Werden Sie das erreichen?

Ja, wir werden den Break-even in diesem Jahr erreichen, und im Jahr 2001/2002 akzeptable Gewinne erzielen.

Warum?

Auch beim Auftragseingang erwarten wir in diesem Jahr eine Steigerung von rund 20 Prozent. Vor allem in Großbritannien kommen wir derzeit gut voran.

Wieviel Zeit hat Ihnen denn die Muttergesellschaft DaimlerChrysler gegeben?

Wir haben eine Frist von drei Jahren - bis Ende 2002. Bis dahin müssen wir im Minimum eine Umsatzrendite von fünf Prozent erreichen. Das werden wir auch tun.

Ihre Konkurrenten im Ausland - etwa Alstom oder Bombardier - erzielen deutliche Gewinne. Was machen die besser?

Die haben mit der Restrukturierung früher begonnen. Sie haben sich auf wenige Standorte und ein klares Produktprogramm konzentriert. Bombardier beispielsweise hat nicht den Anspruch, alle Bereiche abzudecken - was sie nicht selbst produzieren, kaufen sie vom jeweils besten Anbieter zu.

Ist das ein Vorbild für Adtranz? Werden Sie weitere Sparten verkaufen?

Wir haben bereits einige kleinere Bereiche verkauft. Bei den Sparten Bahnfahrwegsysteme und Signaltechnik prüfen wir noch.

Die Zerschlagung von Adtranz ist also nicht vom Tisch?

Um Zerschlagung geht es nicht. Adtranz bleibt als Einheit erhalten. Wir trennen uns von Bereichen, die entweder zu klein sind oder in denen wir keine starke Marktstellung erreichen können. Adtranz wird in Zukunft ein Fahrzeuglieferant mit einem sehr starken Service-Bereich sein.

Und damit ein schöner Verkaufskandidat?

Solange wir unsere strukturellen Probleme nicht bereinigt haben, sind wir ein schlechter Verkaufskandidat. Aber ich bin sicher, dass es zu einer weiteren Konzentration kommen wird. Die Schienenfahrzeugindustrie wird einmal ähnlich strukturiert sein wie die Flugzeughersteller - wo es demnächst nur noch zwei große Hersteller geben wird.

Sie glauben, dass es nur noch einen europäischen Schienenfahrzeughersteller geben wird?

Erste Ansätze gibt es ja schon. Wenn die Deutsche Bahn und die französische SNCF nun überlegen, die nächste Generation der Hochgeschwindigkeitszüge als ein gemeinsames europäisches Produkt herstellen zu lassen, ist das ein Schritt in diese Richtung. Aber man darf nicht übersehen, dass es noch große Hürden gibt. Wir haben in Europa noch ganz unterschiedliche Infrastrukturen, ganz unterschiedliche Systeme - das ist mit der Luftfahrt nicht zu vergleichen. Wir brauchen ein Harmonisierung der Systeme. - dazu muss es kommen.

Es gibt noch immer ein deutsches Gemeinschaftsprojekt, das auf eine Realisierung wartet: der Transrapid. Wir konkret sind denn die Pläne, eine Strecke in Nordrhein-Westfalen zu bauen?

Die Kernfrage ist die Wirtschaftlichkeit. Das sollte man nicht aus den Augen verlieren, so verlockend die Technik auch ist. Der Transrapid ist nur dort sinnvoll, wo er Luftverkehr oder eine Hochgeschwindigkeitsverbindung ersetzt. Er ist kein Ersatz für eine S-Bahn. Eine kurze Verbindung ist allenfalls als Referenzstrecke akzeptabel.

Sie geben einer Transrapid-Verbindung in Nordrhein-Westfalen also keine Chance?

Es ist zumindest eine schwierige Alternative. Ich bin nicht sicher, ob sich das Projekt in einem so dicht besiedelten Gebiet realisieren lässt und gleichzeitig sichergestellt wird, dass wir damit ausreichend viele Menschen kostengünstig transportieren können. Man muss auch prüfen, ob es nicht im Ausland, in wirtschaftlich aufstrebenden Staaten, bessere Möglichkeiten gibt, das System zu realisieren - eventuell auch mit Förderungen. Wir müssen aber endlich zu einer Entscheidung kommen. Über den Transrapid wird seit 20 Jahren gesprochen. Wenn wir in diesem Jahr keine Lösung finden, dann sehe ich schwarz.

Wird Adtranz dann dabei sein?

Wir werden uns das sehr genau überlegen. Das Gespräch führte Margarita Chiari.

Herr Eckrodt[Ihr grö&szli], die Deutsche Bahn[Ihr grö&szli]

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