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Die Industrie fordert weniger Bürokratie und niedrigere Steuern.

© Thilo Rückeis

Nationale Industriestrategie: Wirtschaft geht auf Konfrontationskurs zu Altmaier

Klare Ansagen aus der deutschen Wirtschaft zur Industriestrategie Altmaiers: Nicht mehr Regulierung sei nötig, sondern bessere Bedingungen.

Wenn am heutigen Montag rund 70 Vertreter von Verbänden, Unternehmen, Gewerkschaften, Betriebsräten und Wissenschaft im Bundeswirtschaftsministerium zusammenkommen, hat Peter Altmaier (CDU) zumindest ein Ziel erreicht: Er hat eine Debatte über Deutschlands künftige Industriepolitik losgetreten. Denn Gegenstand der Veranstaltung ist die Diskussion über die nationale Industriestrategie, die der CDU-Politiker im Februar präsentiert hatte.

Um im globalen Wettbewerb mit China und den USA bestehen zu können, müsse der Staat Unternehmen verstärkt helfen und gerade führende Firmen fördern, so Altmaiers Grundidee. Inzwischen haben zahlreiche Wirtschaftsverbände eigene Positionierungen und Thesen dazu erarbeitet. Und nicht jede Argumentation dürfte dem Wirtschaftsminister gefallen.

Einer der härtesten Kritiker von Altmaiers Plänen ist Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands der Familienunternehmer. Auch er nimmt an der heutigen Konferenz teil, lässt aber schon im Vorfeld der Veranstaltung kein gutes Haar an der Industriestrategie. „Wir sollten nicht versuchen, chinesischer zu werden“, sagte Eben-Worlée dem Tagesspiegel. „Es geht darum, den globalen Systemwettbewerb durch Weiterentwickeln unserer Stärken zu bestehen.“ Die von Altmaier entwickelten Pläne „sollten durchgehend neu entwickelt werden“. So sei die Idee „staatlich gepäppelter nationaler Champions das Ende von fairem Wettbewerb und damit eine echte Gefahr“ für die familiengeführten Erfolgsunternehmen.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat auf Altmaiers Strategie reagiert und zehn Thesen für eine zukunftsorientierte Industriepolitik aufgestellt. „Der Wettbewerb mit Staaten, die verstärkt auf Protektionismus setzen, steigende Anforderungen durch die Digitalisierung und der demografische Wandel stellen die hiesigen Unternehmen vor neue Herausforderungen“, attestiert der Verband darin und teilt damit die Annahme von Altmaier, die Stellung europäischer und deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb stärken zu müssen.

In der Wahl der Mittel widerspricht der DIHK dem Minister allerdings. Bei der Benennung förderwürdiger Zukunftstechnologien laufe der Staat Gefahr, den Blick auf künftige technologische Entwicklungen zu verengen und wichtige Entwicklungen zu übersehen. „Daher sollte er eine technologieoffene, bürokratiearme Forschungsförderung vorantreiben“, heißt es. „Eines besonderen Schutzes für bestimmte große Industriebetriebe durch staatliche Intervention bedarf es am Standort Deutschland nicht“, sagt auch DIHK-Präsident Eric Schweitzer. „Unternehmensgröße bedeutet nicht automatisch mehr Wettbewerbsfähigkeit.“

Gezielte Anreize für einen Leitmarkt und Leitanbieter für 5G

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat ebenfalls ein Positionspapier zu Altmaiers Industriestrategie vorgelegt. Gegliedert in 136 Punkte, fordert der Verband, die heimische Wirtschaft zu fördern, indem man den Standort Deutschland attraktiver macht. So brauche es Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sowie „gezielte Anreize für einen Leitmarkt und Leitanbieter für 5G“.

Um den Fachkräftemangel langfristig zu bekämpfen, sei die schnelle Umsetzung des Digitalpakts Schule sowie ein leistungsfähiges System dualer Ausbildung nötig. Vor allen Dingen aber brauche es eine „innovationsfreundlich ausgestaltete Datenpolitik“ und eine „drastische Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsförderung der EU“. Gerade in den Bereichen Klimaschutz und Unternehmensbesteuerung müssten die Firmen entlastet werden, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Auch Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, fordert, „die Bundesregierung sollte in Forschung und Entwicklung bei Schlüsseltechnologien, Bildung, Digitalisierung und den Aufbau moderner Infrastrukturen investieren“. Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom , fügt an, die Zukunft der Industrie gründe sich auf Daten – das müsste stärker in der Strategie berücksichtigt werden. Neben der erstarkenden chinesischen Wirtschaft ist die Übermacht der US-amerikanischen Digitalkonzerne ein Grund für Altmaiers Strategie.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

© Jörg Carstensen/dpa

Am heutigen Montag wird sich deshalb die American Chamber of Commerce (AmCham) mit einem Positionspapier zu Wort melden, das dem Tagesspiegel vorliegt. Deutschlands Industriestrategie „sollte konsequent auf wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen statt auf staatliche Markteingriffe und Protektionismus ausgerichtet sein“, heißt es darin. „Im Industriesektor verhalten sich Deutschland und die USA komplementär zueinander.“ Der transatlantische Verband, der der US-Handelskammer nahesteht, spricht sich für einen möglichst freien Austausch aus.

Deutschland sei stark in der Grundlagenforschung, in der industriellen Produktion sowie in der Systemintegration von digitalen Technologien; die USA hingegen bei anwendungs- und anwenderbezogenen Innovationen. Man sei deshalb überzeugt, „dass beide Seiten enorm von den jeweiligen Stärken des anderen profitieren können“. AmCham-Deutschland-Chef Frank Sportolari erinnert zudem daran, dass „ursprünglich auf große Internetkonzerne ausgerichtete Regulierungsansätze in der Umsetzung vor allem Mittelständler vor die größten Herausforderungen stellen“.

Lobende Worte für Altmaiers Initiative kommt von den Gewerkschaften. „Wenn es darum geht, eine Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, eine Batteriezellenproduktion oder die digitale Infrastruktur aufzubauen, muss der Staat aktiv werden“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, dem Tagesspiegel. „Der Markt wird diese Transformation nicht richten.“

Und mindestens zwei Unternehmen liegt die Umsetzung von Altmaiers Strategie ganz besonders am Herzen. Die beiden Mittelständler Miba AG aus Österreich und die Zollern GmbH und Co. KG aus Sigmaringen wollen ihre Gleitlager-Aktivitäten zusammenlegen und würden auf diesem Gebiet einen europäischen Champion, ganz im Altmaier’schen Sinn formen.

Da das Kartellamt den Zusammenschluss aber ablehnte, fordern sie von Altmaier eine Minstererlaubnis. Klaus Erkes, CEO Zollern-Gruppe, sagte dem Tagesspiegel dazu anlässlich der Konferenz im Wirtschaftsministerium: „Wer will, dass die heimische Wirtschaft auch gegenüber asiatischer Konkurrenz wettbewerbsfähig ist, muss dafür Sorge tragen, dass die heimischen Unternehmen auch wettbewerbsfähige Größen erreichen dürfen.“

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