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„Wirtschaft steckt fest“: Weitere Institute senken Konjunkturprognosen für Deutschland
Deutsche Institute rechnen mit einer Stagnation der Wirtschaft im laufenden Jahr. Insbesondere mangelnde Investitionen bremsen demnach das Wirtschaftswachstum.
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Stagnation statt Wachstum: Führende Institute senken wegen schwacher Investitionen und schlechter Auftragslage reihenweise ihre ohnehin wenig optimistischen Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in diesem Jahr auf dem Niveau von 2023 verharren, sagte das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag voraus.
Im Juni war es noch von einem Wachstum von 0,4 Prozent ausgegangen. Auch das IWH in Halle rechnet nur noch mit Stagnation, während das Essener RWI zumindest ein Mini-Plus von 0,1 Prozent erwartet. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hatte schon tags zuvor seine Vorhersage gekappt und geht sogar davon aus, dass das BIP um 0,1 Prozent schrumpfen wird.
„Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren“, lautet das Fazit von Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Damit die deutsche Wirtschaft sich aus ihrer Stagnation befreit, braucht es vor allem sichere Investitionsbedingungen für Unternehmen und eine Erholung des privaten Konsums“, betonte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.
„Eingetrübte Exportaussichten“
Auch für das kommende Jahr sind die Institute pessimistischer. Die Ifo-Forscher etwa senkten ihre Prognose von 1,5 auf 0,9 Prozent. Erst 2026 soll es dann zu einem kräftigeren Plus von 1,5 Prozent reichen.
„Ein wichtiger Grund dafür dürfte in langfristig eingetrübten Exportaussichten liegen, denn der deutsche Anteil an den weltweiten Warenexporten ist seit der Zeit vor Pandemieausbruch deutlich gesunken“, sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller mit Blick auf schrumpfende Investitionen. „Für die deutsche Wirtschaft ist es ein erheblicher Einschnitt, wenn die wirtschaftlichen Impulse nicht mehr von Erfolgen des Exportsektors kommen.“
Das Ifo-Institut sieht eine strukturelle Krise der deutschen Wirtschaft. „Es werden zu wenig Investitionen insbesondere in der Industrie getätigt, und die Produktivität tritt seit Jahren auf der Stelle“, sagte Wollmershäuser. Außerdem gebe es auch eine konjunkturelle Krise. „Die Auftragslage ist schlecht, und die Kaufkraftgewinne führen nicht zu steigendem Konsum, sondern zu höherer Ersparnis, weil die Leute verunsichert sind.“
Einen Lichtblick sehen die Forscherinnen und Forscher aber: Die Inflationsrate dürfte weiter zurückgehen. Lag sie 2023 noch bei durchschnittlich 5,9 Prozent, so dürfte sie im laufenden Jahr auf etwa 2,2 Prozent fallen. In den beiden kommenden Jahren soll sie weiter sinken auf rund 2,0 Prozent. Dagegen dürfte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr leicht steigen.
Die Leistung im kriselnden Baugewerbe wird der Ifo-Prognose zufolge in diesem Jahr um 3,1 Prozent schrumpfen, in der Industrie um 2,0 Prozent. „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen“, sagte Wollmershäuser.
Daher herrsche eine Investitionsflaute vor allem in der Industrie, die in Deutschland einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung habe als anderswo.
„Und die Bevölkerung wird schneller altern, immer weniger Menschen stehen in Arbeit“, ergänzte der Ifo-Konjunkturchef. „Verschiebungen vom Industrie- zum Dienstleistungssektor erklären größtenteils den Produktivitätsstillstand der vergangenen Jahre.“ (Reuters)
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