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Wirtschaft: Wissenschaftsrat: ifo forscht zu empirisch

Droht dem drittgrößten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut das Aus? / Bayern erwägen Förderung im AlleingangVON THOMAS MAGENHEIM MÜNCHEN.

Droht dem drittgrößten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut das Aus? / Bayern erwägen Förderung im AlleingangVON THOMAS MAGENHEIM

MÜNCHEN.Am heutigen Freitag wird entschieden, inwieweit die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute dem Bonner Rotstift zum Opfer fallen.Der dafür zuständige Wissenschaftsrat präsentiert dazu sein Votum in Berlin.Glaubt man im Vorfeld durchgesickerten Informationen, muß vor allem das Münchner Ifo-Institut als wohl bekannteste Einrichtung dieser Art Federn lassen.Sogar von einer drohenden Schließung war die Rede.In München gilt das als ausgeschlossen."Alles ist offen," räumen andererseits Insider ein.Ifo selbst schweigt am Vorabend des Entscheids. Die Münchner Forscher sind gemessen am Etat von 32,3 Mill.DM (1996) nach eigenen Angaben die Nummer drei der fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute in Westdeutschland.Gemessen am Personal von 238 (Vorjahr 254) Mitarbeitern sind sie führend.Ifo wurde 1949 als gemeinnütziger Verein und jüngstes der fünf Institute gegründet.Es arbeitet nach eigener Einschätzung politisch neutral.In ein Links-Rechts-Schema mit dem Berliner DIW als "rotem" und Ifo als "schwarzem" Institut will man sich nicht einreihen lassen.Unpolitisch war das Wirken von Ifo dennoch nie.In frischer Erinnerung ist die Aufregung über ein Gutachten zum Standort Deutschland aus dem Sommer 1996.Darin bezeichnete Ifo deutsche Löhne und Steuern im internationalen Vergleich als nicht zu hoch.Klagen über den Standort seien interessenpolitisch motiviert, urteilte Ifo und die Wellen schlugen hoch.Die Münchner sehen sich als wissenschaftliche Vordenker für Politik, was sich in über 10 000 Pressemeldungen pro Jahr niederschlägt.Bislang reichte das, um auf der "Blauen Liste" insgesamt 83 förderungswürdiger Forschungsinstitute vertreten zu sein.Rund 1,3 Mrd.DM Bundes- und Länderzuschüsse werden an sie jährlich verteilt.15 Mill.DM davon entfallen auf Ifo.Das entspricht gut 40 Prozent dessen Etats.Gleichviel wird durch Auftragsforschung verdient.Zehn Prozent kommen mittels Spenden und Beiträgen der rund 700 Ifo-Mitglieder zustande.Ein Begriff sind die Münchner durch ihre Mitwirkung am halbjährlichen Gemeinschaftsgutachten der fünf Forschungsinstitute zur bundesdeutschen Konjunktur.Als Aushängeschild gilt der monatlich erstellte Index für das Geschäftsklima in Deutschland, der sich zum wichtigen Indikator für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands gemausert hat.Ifo forsche zu empirisch und kaum theoretisch, veröffentliche zu wenig in der Fachwelt und kooperiere nicht mit Universitäten, kritisiert dagegen der Wissenschaftsrat.Ifo-Chef Karl-Heinrich Oppenländer gelte als Reizfigur, heißt es hinter den Kulissen.In der Öffentlichkeit ist er durch betont unpolitisches Auftreten und einen Hang zum Optimismus bekannt.Spekuliert wird auch über einen Streit zwischen Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt und Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers, in dem Ifo der Spielball ist.Die Münchner wollten sich dazu noch nicht äußern. Bereits früher haben Forscher aller fünf Institute die Bewertungskritierien des Wissenschaftsrats angezweifelt.Im jüngsten Jahresbericht verweist Ifo auf die drei Säulen seiner Tätigkeit ­ die Forschung, wirtschaftspolititsche Beratung sowie Befragung und Datensammlung.Besonders fühlt sich Ifo der Vernüpfung von angewandter Forschung und Grundlagenforschung verbunden.An dieser Brücke zwischen Theorie und Realität werde von professoraler Seite gesägt.Dagegen könnten die betroffenen Forscher nicht viel tun."Wir werden nicht gehört und müssen mit dem Ergebnis leben," heißt es in dem Institut nahestehenden Kreisen.Das Ergebnis könnte sein, daß Ifo wie jüngst das Hamburger HWWA-Institut zur Servicestelle reduziert wird.Das käme dem Ende eigener Forschung nahe und hätte unweigerlich Personalabbau zur Folge.Allerdings hat sich Bayerns Wirtschaftsministerium bereits zum Erhalt von Ifo bekannt.Möglich wäre, daß der Freistaat die öffentliche Förderung im Alleingang übernimmt.Vielleicht trifft es aber auch andere der fünf Institute.Für das laufende Jahr ist der Ifo-Haushalt noch gesichert.Frühestens 1999 wären Konsequenzen zu befürchten.Entscheiden wird letztlich die Bund-Länder-Kommission, der das Votum des Wissenschaftsrats als Vorlage dient.Bislang sei die Kommission dem Urteil des Rats stets gefolgt, heißt es.

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