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Zehn Jahre Mindestlohn: Sozialpartner und Politik ziehen Bilanz
Von 8,50 Euro auf 12,82 Euro von 2015 bis 2025. Mehrere Millionen Beschäftigte profitieren von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. 15 Euro kommen in Sicht.
Stand:
Als „historischen Meilenstein“ bewertet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns vor zehn Jahren. Damals hätten Ökonomen vor dem Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen gewarnt, das sächsische Bäckerhandwerk sah sogar die Versorgung der Bevölkerung mit Backwaren gefährdet, erinnerte DGB-Vorstand Stefan Körzell am Mittwoch im Rahmen einer Fachtagung an die damalige Diskussion..
Es ging gut. „Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte“, meinte DIW-Präsident Marcel Fratzscher, von der aktuell noch 2,4 Millionen Beschäftigte profitierten, vor allem Frauen, Migranten und Ostdeutsche. Die Unternehmen hätten besser bezahlte und mithin motivierte Mitarbeitende, meinte der DIW-Präsident.
Die Zahl der Arbeitslosen (2,8 Millionen) hat sich seit der Einführung des Mindestlohns kaum verändert, die Zahl der Erwerbstätigen dagegen stieg in den vergangen zehn Jahren um rund drei Millionen. „Es gibt keine nachteiligen Wirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt“, schlussfolgerte Thorsten Schulten von der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung.
Die Anhebung auf zwölf Euro 2022 war für sechs Millionen Beschäftigte die größte Lohnerhöhung ihres Lebens.
Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erinnerte an die Evaluation des Mindestlohns vor fünf Jahren, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass der Mindestlohn zu gering sei. Auch deshalb habe die Ampel-Regierung die Untergrenze 2022 auf zwölf Euro angehoben, was für sechs Millionen Beschäftigten „die größte Lohnerhöhung ihres Lebens“ bedeutet habe. Er gehe davon aus, dass die Mindestlohnkommission im kommenden Juni „den Weg Richtung 15 Euro“ einschlagen werde, sagte der Minister.
Seit mehr als 20 Jahren wird über den Mindestlohn gestritten. Der DGB sprach sich erstmals 2006 dafür aus, damals noch mit 7,50 Euro. Auch innerhalb der Gewerkschaften war der gesetzliche Eingriff in die Tarifautonomie umstritten, doch aufgrund der stetig schwindenden Tarifbindung und der deshalb nicht mehr funktionierenden Tarifautonomie setzten sich die Befürworter schließlich durch, auch in der CDU unter Angela Merkel.
Mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro wurde die Lohnuntergrenze von der großen Koalition 2015 eingeführt. Aufgrund der Sorgen über mögliche Folgen auf dem Arbeitsmarkt war der Startbetrag mit 8,50 Euro gering; alle zwei Jahre erfolgten leichte Erhöhungen. Im Herbst 2022 korrigierte die Ampel das niedrige Ausgangsniveau mit dem Sprung von damals 10,45 auf zwölf Euro. Aktuell beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro.
Im kommenden Juni entscheidet die Mindestlohnkommission über die Erhöhungen in den nächsten beiden Jahren, wobei unter anderem die Entwicklung der Tariflöhne 2023 und 2024 zugrundelegt wird. Der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Tarifindex steht noch nicht final fest, ein Wert um die acht Prozent zeichnet sich ab, was rund ein Euro ausmachen würde.
Hinzu kommt als Orientierungsgröße die EU-Mindestlohnrichtlinie, die nationale Mindestlöhne auf einem Niveau von 60 Prozent der jeweiligen Medianlöhne vorsieht. Das wären hierzulande derzeit rund 15 Euro. Damit wird es vermutlich einen Beschluss der paritätisch von Arbeitgebern und Gewerkschaftern besetzten Kommission geben, der mehrere Erhöhungen 2026 und 2027 hin zu 15 Euro vorsieht.
Am 21. Januar gab sich die Mindestlohnkommission unter der Leitung ihrer Vorsitzenden Christiane Schönefeld eine neue Geschäftsordnung, um ein Abstimmungsverhalten wie im Juni 2023 auszuschließen. „Es ist erklärtes Ziel aller Mitglieder, zukünftige Anpassungen des gesetzlichen Mindestlohns einvernehmlich zu beschließen“, erklärte Schönefeld, die vor zwei Jahren mit den Arbeitgebern gestimmt hatte, wodurch die Erhöhungen 2024 und 2025 erheblich unter der Vorstellung der Gewerkschaften blieb.
Dieses Abstimmungsverhalten hatte die Forderung aus der Politik provoziert, unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz, der Betrag müsse in absehbarer Zeit auf 15 Euro angehoben werden.
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