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Jedes Jahr kommen mehr Elektroautos auf den Markt. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Batterien und Batteriezellen.

© picture alliance / dpa

Batterien für Elektroautos: Zellenwachstum in Europa

Die riesige Batteriefabrik von CATL in Ungarn ist der vorläufige Höhepunkt: Kapazitäten für E-Autos werden massiv ausgebaut

Der Außen- und Handelsminister würdigte die Rekordinvestition mit dem Selbstbewusstsein des erfolgreichen Vermarkters. „Wir sind einer der führenden Batterie-Fertigungsstandorte in der Welt“, freute sich Péter Szijjártó vergangene Woche anlässlich der Bekanntgabe eines spektakulären Projekts: Für mehr als sieben Milliarden Euro baut die chinesische CATL (Contemporary Amperex Technology Co., Limited) in Debrecen, 230 Kilometer östlich von Budapest, eine Fabrik zur Herstellung von Batteriezellen. Mit 100 Gigawattstunden (GWh) Kapazität ist es die größte Anlage in Europa. Die Gigafactory von VW in Salzgitter kommt auf 40, Tesla in Grünheide voraussichtlich auf 50 GWh.

Vermutlich gibt es 2030 genügend Zellen

Lange sah es so aus, als würden den E-Auto-Herstellern in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die Zellen respektive die Batterien fehlen für die Stromautos, die zunehmend die Verbrenner verdrängen. Doch inzwischen gibt es eine atemberaubende Dynamik. Mehr als 40 Zellhersteller wollen Batteriefabriken in Europa aufbauen, hat das Fraunhofer ISI ausgerechnet. „Am Ende des Jahrzehnts könnte in Europa die Produktionskapazitäten auf bis zu 1,5 TWh ansteigen – wobei der mit knapp 400 GWh größte Anteil aus neuen Produktionsstätten in Deutschland stammen könnte.“ Die 100 GWh von CATL in Ungarn sind in den 1,5 TWh noch nicht enthalten. „Nach diesen Zahlen ist von keinem essentiellen Mangel an Batteriezellen in Europa auszugehen, zumal bis 2030 noch die ein oder andere Gigafactory dazukommen kann“, teilte das Fraunhofer ISI auf Anfrage mit. Allein von VW werden noch vier Standortentscheidungen erwartet.

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CATL, gut zehn Jahre nach der Gründung bereits der größte Zellenhersteller der Welt, hat frühzeitig die Bedeutung des deutschen Marktes erkannt: Vor drei Jahren war Spatenstich am Erfurter Kreuz, wo inzwischen eine 540 mal 220 Meter große Halle steht. Die Chinesen investieren nach eigenen Angaben 1,8 Milliarden Euro in Thüringen, in ein paar Wochen beginnt die Produktion von Lithium-Ionen-Zellen, die unter anderem für BMW bestimmt sind. Rund 200 Chinesen aus dem Stammwerk in Ningde richten die Fabrik ein und schulen die Kollegen aus der Region. Bis zu 2000 Beschäftigte könnten es sein, wenn die Fabrik die volle Kapazität erreicht hat.

Auch Mercedes und BMW bauen auf Ungarn

In Ungarn investiert CATL 7,3 Milliarden Euro. Ein Großteil der „ungarischen“ Zellen ist für Mercedes vorgesehen, die Stuttgarter haben entsprechende Verträge mit den Chinesen geschlossen. Mercedes baut in seinem ungarischen Werk in Kecskemét den elektrischen SUV EQB. Direkt in Debrecen, also in Nachbarschaft zur CATL, hat BMW kürzlich den Grundstein gelegt für ein komplettes E–Auto-Werk. Als erste Autofabrik der Welt werde das Werk von 2025 an ausschließlich mit erneuerbarer Energie und damit komplett CO2-frei produzieren, wirbt BMW für die Anlage, in der 1000 Beschäftigte 150<ET>000 Autos im Jahr bauen werden. Die Münchener investieren eine Milliarde Euro.

Arbeitskosten ein Drittel des deutschen Niveaus

Ungarn ist ein Hotspot der Autoindustrie. Audi betreibt das größte Motorenwerk der Welt, Suzuki hat seine größte europäische Autofabrik in Ungarn und die koreanische SKI baut Zellen, ebenso Samsung SDI. Die Germany Trade and Invest erklärt den Boom mit stabilen politischen Verhältnissen und dem guten Investitionsklima. Dazu kommt die Lage mitten in Europa und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, vor allem von Solarstrom. Und trotz erheblicher Lohnsteigerungen in den vergangenen zehn Jahren ist Ungarn günstig. Die Arbeitskosten pro Stunde betrugen in Ungarn 2021 nach Angaben von Eurostat im Durchschnitt 10,40 Euro, der Anteil der Lohnnebenkosten belief sich auf 16,9 Prozent. Die Arbeitskosten in der EU27 lagen bei 29 Euro und in Deutschland bei 37 Euro. Bei einer Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent gibt es in Ungarn fast Vollbeschäftigung.

Fachkräfte fehlen auch in Ungarn

"Die unzureichende Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften gehört nach wie vor zu den größten Problemen der Unternehmen“, heißt es in einer Analyse von Germany Trade and Invest (GTI). Bereits vor fünf Jahren hatte die Orbán-Regierung die Beschäftigung von Personal aus Serbien und der Ukraine in einem vereinfachten Verfahren ermöglicht. Diese Regelung wurde 2021 auf Arbeitskräfte aus Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Belarus, den Philippinen, Indonesien, Kasachstan, der Mongolei und Montenegro erweitert. Und trotzdem fragen sich auch die Wirtschaftsförderer von GTI, wie und wo CATL die avisierten 9000 Arbeitskräften für die riesige Fabrik in Debrecen rekrutieren will. Vielleicht in China.

Die weltweite Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien decken derzeit noch eine Handvoll Hersteller aus China, Japan und Südkorea. Doch mit Hilfe der IPCEI-Förderung (Important Project of Common European Interest), holen die Europäer auf. So stellt das Bundeswirtschaftsministerium rund drei Milliarden Euro für Batterieprojekte zur Verfügung. Wenn alle Ankündigungen umgesetzt werden, könnten sich die Produktionskapazitäten in<TH>Europa bis 2025 vervierfachen und bis 2030 sogar auf

Europa holt auf

1,6 TWh verzehnfachen. Damit werden bis Ende des Jahrzehnts ungefähr ein Viertel der global angekündigten Produktionskapazitäten in Europa entstehen. Das ist auch nötig, wie die Unternehmensberatung PwC meint. In Europa würden heute fast 30 Prozent der E-Autos gebaut. Gleichzeitig „werden hier nur zehn Prozent der weltweiten Batteriezellen hergestellt“, teilte PwC am Mittwoch mit. Um die Lücke zu schließen, müssten bis 2030 in Europa 74 Milliarden Euro in die Batteriezellfertigung und die Produktion von Rohmaterialien investiert werden.

Der Aufholprozess läuft, allein auf die schwedische Northvolt, VW und ACC (Stellantis plus Total) entfällt rund ein Drittel der angekündigten Produktionskapazitäten, heißt es beim Fraunhofer ISI. Northvolt plant neben zwei Zellfabriken in Schweden auch eine Gigafactory im schleswig-holsteinischen Heide. VW baut in Salzgitter und Valencia, vier weitere Standorte müssen noch ausgewählt werden. Womöglich ebenfalls in Ungarn, wo die Regierungspolitik das Land als „eine Ausnahme“ in der wirtschaftlich schwächelnden EU sieht, wie Minister Szijjártó meint.

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