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Wirtschaft: Zum Bohren nach Polen

Die Gesundheitsreform macht Arztbesuche hier zu Lande teuer – Spezialisten im Ausland locken mit Preisvorteilen von bis zu 30 Prozent

Von Alexander Dluzak

und Sören Kittel

Zahnwurzelbehandlung auf Mallorca, Trinkkuren in Tschechien und eine Brustvergrößerung beim polnischen Chirurgen – die Zahl deutscher Patienten in ausländischen Wartezimmern wächst seit Jahren. Nach der Gesundheitsreform, die am 1. Januar in Kraft getreten ist, dürfte das Interesse weiter steigen: Durch höhere Zuzahlungen für Medikamente, die Praxisgebühr, wegfallende Zuschüsse für Brillen und die neue Zahnversicherung ist Gesundheit für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen teurer geworden. Seitdem sie Leistungen komplett oder zumindest teilweise selber bezahlen müssen, schauen sie noch mehr auf den Preis. Und entdecken, dass viele Behandlungen im Ausland günstiger sind. Inzwischen gibt es sogar spezielle Agenturen, die bei der Suche nach dem passenden Arzt oder der entsprechenden Klinik in Osteuropa behilflich sind.

Der Berliner Kurveranstalter Euromed etwa verkauft fast nur noch Kurfahrten nach Osteuropa. „Die Nachfrage nach Kuren im osteuropäischen Ausland steigt seit Jahren“, sagt Euromed-Sprecherin Claudia Haas. „Die Krankenkassen bewilligen immer weniger Kuren, darum reisen immer mehr Patienten privat nach Osteuropa“, sagt Haas. Außerdem müssen Patienten in Deutschland seit dem 1. Januar zehn Euro pro Kurtag dazuzahlen. Euromed hat vor allem Ziele in Tschechien und Polen im Angebot. Das wundert kaum, denn die traditionellen tschechischen Kaiserbäder Karlsbad und Franzensbad bieten neben heilenden Quellen und klassizistischer Architektur vor allem günstige Preisen. Viele Kliniken und Kurorte vor allem in Osteuropa haben in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, um den Standard zu heben.

Die deutschen Kurveranstalter beobachten die Entwicklung mit großer Skepsis. Werner Bolfing, Geschäftsführer des Verbandes Heilklimatischer Kurorte Deutschland, bescheinigt den osteuropäischen Kollegen zwar generell „gute Arbeit“, dennoch spricht er im Zusammenhang mit den weitaus günstigeren Preisen von „Ausbeutung der dortigen Arbeitskräfte“. Auch sei der Zustand der Kurorte nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen.

Nicht nur zum Kuren, auch zur Zahnbehandlung zieht es immer mehr deutsche Patienten ins Ausland. Vor allem spanische Praxen etwa auf Mallorca sind bei deutschen Patienten beliebt. Geringere Praxismieten, Personal- und Laborkosten bescheren den Patienten beim Zahnersatz eine Ersparnis von bis zu 30 Prozent. Noch günstiger ist die Zahnbehandlung in Polen. Bis zum EU-Beitritt im Mai muss der Patient hier allerdings noch auf eine Zuzahlung durch seine Krankenkasse verzichten, erst danach werden Zuzahlungen auch in den neuen EU-Mitgliedsländern bewilligt. Dietmar Österreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, rechnet dennoch nicht damit, dass die Zahl deutscher Patienten im Ausland dann sprunghaft zunehmen wird. „Zahnersatz muss kontinuierlich geplant werden, die Vorbehandlungen können sich dabei über mehrere Wochen hinziehen, im Ausland muss es aber schnell gehen“, sagt er. Für eine erfolgreiche Behandlung sei ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und behandelndem Arzt notwendig, sagt der Mediziner. Dies könne bei Kurzreisen zu ausländischen Zahnärzten kaum entstehen.

Für viele Patienten scheint dies allerdings kein Problem zu sein. Spezielle Vermittlungsagenturen wie Medi Invite, CZ Wellmed oder Esculap-Service haben sich darauf spezialisiert, deutsche Patienten in osteuropäische Kliniken zu vermitteln. Neben Zahnbehandlungen sind vor allem Schönheitsoperationen gefragt, die in Polen deutlich günstiger angeboten werden als in Deutschland. „Leider denken viele, in Osteuropa hätten die Kliniken einen niedrigeren Standart“, sagt Andreas Ciesla, der Geschäftsführer von Esculap Service, „aber gespart wird dort nicht an den Ausstattungen und Materialien, sondern an den Personalkosten“.

Elisabeth Abad, die Sprecherin der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland, sieht die Schönheitsoperationen in Osteuropa kritisch. Natürlich könne man nicht sagen, dass alle Ärzte im Ausland schlecht seien, sagt die Sprecherin. Dennoch wisse der Patient nie, welche Qualifikation der behandelnde Arzt habe.

Andreas Ciesla kennt diese Argumentation. „Schönheitsoperationen sind ein heiß umkämpfter Markt, keine Klinik verliert gerne Patienten ans Ausland", sagt der Geschäftsführer.

Alexander Dluzak, Sören Kittel

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