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Eine Million im Koffer? Beim Immobilienkauf kommt das schon mal vor.

© Getty Images/iStockphoto

Zwielichtige Geschäfte: Der Immobilienmarkt ist anfällig für Geldwäsche

Der deutsche Immobilienmarkt ist lukrativ – auch für Kriminelle. Schätzungsweise 25 Milliarden Euro werden hier im Jahr gewaschen.

Von Christian Hönicke

Bargeld ist tabu. „Ich kriege E-Mails von Botschaftern, die mit einer Million im Koffer eine Wohnung kaufen wollen“, sagt Enrico Schumacher. „Da läutet sofort die Alarmglocke.“ Schumacher ist Geldwäschebeauftragter. Seit einem Jahr prüft der gelernte Steuerfachmann für die Berliner Immobilienfirma „Berkshire Hathaway Homeservices Rubina Real Estate“ potenzielle Käufer auf ihre Redlichkeit. „Ich verdächtige niemanden, aber ich überprüfe alle“, sagt Schumacher. Wer eine Wohnung cash bezahlen will, hat bei ihm keine Chance.

Der deutsche Immobilienmarkt ist lukrativ – auch für Kriminelle. Der Bundesregierung zufolge kennzeichnet die Branche ein „herausgehobenes Risiko“ für Geldwäsche. Hohe Wertstabilität plus schwache staatliche Kontrolle plus hohe Intransparenz machen den Markt attraktiv. Es fehlt ein zentrales Immobilienregister, in dem die tatsächlichen Eigentümer aufgeführt sind. In die lokalen Grundbücher, die zwar digitalisiert, aber nicht miteinander verknüpft sind, kann jede x-beliebige Briefkastenfirma eingetragen werden. Finanzexperten und das Bundeskriminalamt schätzen, dass rund zehn Prozent der jährlich auf dem deutschen Immobilienmarkt umgesetzten 250 Milliarden Euro zu Geldwäschezwecken eingesetzt werden. Das sind 25 Milliarden Euro aus Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel, die zur Preisspirale nach oben beitragen. Geldwäscher nehmen Verluste von bis zu 60 Prozent in Kauf – neben schlechten Bankkonditionen auch überhöhte Preise für Immobilien.

Die wenigsten Makler melden Verdachtsfälle

Zwar sind nach dem deutschen Geldwäschegesetz neben Banken, Steuerberatern, Rechtsanwälten und Notaren auch Immobilienmakler dazu verpflichtet, Verdachtsfälle zu melden. Doch die wenigsten tun das. Nur drei Prozent aller angezeigten Verdachtsfälle stammen von ihnen. Zu dem Schluss kommt eine Studie des Bundeskriminalamts, die der Branche „mangelnde Sensibilität“ vorwirft. Ein Grund: Die Hälfte der Makler fürchten nach einer Umfrage des Kriminologen Kai Bussmann von der Universität Halle um den Deal und ihre Provision. Je besser das Geschäft für die Makler, desto geringer die Motivation einer Verdachtsmeldung.

Wegen der internationalen Ausrichtung ist Schumachers Arbeitgeber besonders gefährdet für Geldwäsche: „Es ist deutlich komplizierter, etwas über einen chinesischen Käufer in Erfahrung zu bringen als über einen deutschen.“ Schon unter dem Namen „Rubina Real Estate“ vermittelte die Firma vorrangig vermögende Interessenten aus China und dem arabischen Raum. Sie werden in Vor-Ort-Büros akquiriert, nach Berlin eingeflogen und mit exklusiver Betreuung für Berliner „Premium-Immobilien“ begeistert, wie etwa Neubauprojekte in zentralen Lagen an der Chausseestraße. Gerade Kunden aus der rasant wachsenden chinesischen Mittelschicht suchen nach Möglichkeiten, ihr Geld angesichts des unbezahlbaren Heimatwohnmarkts in sichere deutsche Immobilien zu investieren. Nach der Allianz mit der Firma „Berkshire Hathaway Homeservices“ des US-Investors Warren Buffett soll der Kundenfokus in Richtung Amerika ausgedehnt werden.

Für Geldwäschebeauftragte gilt ein Kündigungsschutz

Enrico Schumacher, vom TÜV zertifiziert, soll nun dafür sorgen, dass sein Geschäftsführer Carsten Heinrich nicht über seine globalen Deals stolpert. Denn der ist prinzipiell haftbar, wenn nicht ausreichend auf Geldwäsche geprüft wurde. Im Extremfall droht Gefängnis. Einen Teil der Haftung übernimmt nun Schumacher; dafür wird er gut bezahlt und genießt ein Jahr Kündigungsschutz. „Damit ich nicht wegen eines geplatzten Zehn-Millionen- Deals rausgeworfen werden kann“, sagt der Geldwäschebeauftragte.

Mit seinem Job ist er ein Exot. Die wenigsten Maklerfirmen beschäftigen einen eigenen Geldwäschebeauftragten. Denn der ist teuer und schlecht fürs Geschäft, „man muss in kritischen Fällen den Verkäufern in die Quere kommen“, sagt Schumacher. Drückt man da aus Kollegialität nicht im Zweifel ein Auge zu? Nein, beteuert Schumacher. „Wenn ich einen Verdacht wegen mangelnder Sorgfalt übersehe, ist das mein Verschulden“, sagt er. „Wenn ich vorsätzlich oder wissentlich einen Verdacht verschweige, bin ich erst recht dran.“ Deshalb nerve er die Verkäufer permanent mit Schulungen, in denen er klarmacht, worauf sie achten müssten.

Schon bei der Reservierung wird getrickst

Besonders anfällig für Geldwäsche sei die Maklerpraxis der Reservierungsgebühr. Interessenten zahlen überschaubare Beträge an, die meist unter der Überprüfungsgrenze von 15000 Euro liegen. Damit kann man Geld 1:1 waschen, wenn der Interessent abspringt und die Gebühr auf ein anderes Konto zurücküberwiesen haben möchte. Solche Wünsche gebe es. „Wir achten aber peinlich genau darauf, dass es auf dasselbe Konto zurückgeht.“ In den Schulungen wird auch erklärt, wie das von der Firma selbst entwickelte Detektivprogramm „Black Diamond“ funktioniert. Das sucht im Internet nach verdächtigen Indizien. Etwa, ob der Interessent eine politisch exponierte Person ist, die ihren Einfluss ausnutzen könnte, oder ob derjenige auf einer Terrorsanktionsliste steht. Auch das Herkunftsland des Eigenkapitals wird geprüft. „Hochrisiko ist überall wo Krieg ist oder unübersichtliche Verhältnisse herrschen“, sagt Schumacher.

Er berichtet von einem Fall, in dem ein Käufer mit deutschem Pass ohne geregeltes Einkommen mit viel Eigenkapital Wohnungen kaufen wollte. Vermutlich als Strohmann, denn das Geld stammte aus einem Risikoland. „Ab der Meldung darf man nichts mehr machen, bis der Staatsanwalt das Geld wieder frei gibt oder endgültig sperrt“, erzählt Schumacher.

Am Ende prüft er die Recherche-Ergebnisse und schickt im Verdachtsfall die Meldung ab. Empfänger ist die FIU (Financial Intelligence Unit). Die Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen wurde 2017 beim deutschen Zoll eingerichtet. Wie viel die Meldungen bringen, ist fraglich. „Die Behörde stellt sich ja gerade erst richtig auf“, sagt Schumacher, „in den nächsten zwei Jahren wird sie die Keule rausholen.“ Viele würden die Augen noch zumachen. Doch er glaubt: spätestens, wenn es die ersten großen Strafen gebe, werde jeder in der Branche wach.

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