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Verunreinigter Sand. Kleine Plastikteilchen vermüllen einen Strand.

© Getty Images/iStockphoto

27 Millionen Tonnen Nanoplastik : Welche Folgen hat die Flut an Kunststoffmüll im Nordatlantik?

Forschende haben im Oberflächenwasser des nördlichen Atlantiks Unmengen winziger Plastikpartikel entdeckt – weit mehr als Mikro- und Makroplastikreste.

Von
  • Melanie Bergmann
  • Mark Lenz
  • Martin Wagner

Stand:

Plastikmüll im Meer ist ein riesiges Problem. Und da geht es bei Weitem nicht nur um große Teile wie Tüten oder Flaschen. Auch winzigste Partikel schwimmen im Meer, und im Nordatlantik ist die Belastung mit diesem sogenannten Nanoplastik offenbar größer als bislang angenommen. Entsprechende Erkenntnisse haben jetzt Forschende vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und dem National Oceanography Centre in Southampton im Fachblatt „Nature“ veröffentlicht.

Demnach sind allein in den oberen zehn Metern schätzungsweise 27 Millionen Tonnen der winzigen Partikel aus PVC, PET und Polystyrol enthalten – und damit möglicherweise mehr als Mikro- und Makroplastik im gesamten Atlantik. Die Plastikpartikel, die durch Zerfall größeren Plastikmülls entstehen, werden von Meeresorganismen aufgenommen und gelangen in Gewebe und sogar Zellen.

In unserer Rubrik „3 auf 1“ sagen drei Experten, welche Folgen das für das Leben im Meer hat.


Hundert- bis tausendfach höhere Konzentration

Wir wissen insgesamt noch sehr wenig über die Mengen von Nanoplastik in der Umwelt. Überraschend ist nicht, dass höhere Mengen in Küstennähe gefunden wurden als im offenen Ozean, der weiter entfernt von den menschlichen Quellen liegt, wohl aber, dass die gefundenen Konzentrationen hundert- bis tausendfach höher liegen als Messungen für Mikroplastik und größere Plastikteile am gleichen Ort.

Nanoplastik kann in weit mehr Organismen, Organe, das Nervensystem und in Blutbahnen gelangen als Mikroplastik und Veränderungen in Zellen und auf molekularer Ebene verursachen. Zu den bislang beschriebenen Auswirkungen auf verschiedene im Wasser lebende Tiere gehören ein gehemmtes Wachstum, Änderungen bei der Fortpflanzung, physiologische Stressreaktionen und Störungen des Immunsystems.

In den oberen Wasserschichten, in denen die Studie am meisten Nanoplastik gemessen hat, dringt auch das meiste Sonnenlicht ein. Dort findet auch die meiste Primärproduktion durch Fotosynthese der dort lebenden Algen statt.

Erste Studien belegen, dass Nanoplastik bereits in realistischen Konzentrationen die Chloroplasten von Algen schädigen und so die Fotosyntheserate senken kann. Somit könnten sie vermutlich weniger Treibhausgas CO₂ aufnehmen, um den Klimawandel zu puffern. Darüber hinaus kann Nanoplastik die Organismen schädigen, die in diesem besonders produktiven Bereich des Ozeans leben.


Ausmaß der Plastikvermüllung unterschätzt

Nanoplastik ist die letzte große Unbekannte, wenn es darum geht, das Ausmaß der globalen Plastikvermüllung zu verstehen, weil es immer noch sehr schwierig ist, diese besonders kleinen Partikel (sie sind nur Millionstelmillimeter groß) in der Umwelt zu analysieren.

Die aktuelle „Nature“-Studie liefert hier einen wertvollen Beitrag, denn sie zeigt, dass Nanoplastik im Nordatlantik allgegenwärtig ist und die massenmäßig größte Fraktion der Plastikvermüllung in den Ozeanen sein könnte. Zudem handelt es sich um eine sehr konservative Abschätzung, das heißt, die tatsächlichen Konzentrationen von Nanoplastik im Atlantik könnten noch höher sein als in der Studie angegeben.

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Das war zwar zu erwarten gewesen, denn Makro- und Mikroplastik als Hauptquelle von Nanoplastik kontaminieren die Ozeane ja ebenfalls. Aber die Ergebnisse der neuen Untersuchung zeigen, dass wir das Ausmaß der Verschmutzung bislang stark unterschätzt haben. Das macht deutlich, wie wichtig politische Maßnahmen zur Minderung des Plastikproblems sind. Das globale Plastikabkommen bietet hierzu eine historische Möglichkeit.


Mehr Forschung notwendig

Während es zahlreiche Studien zu Makro-, Meso- und Mikroplastik in der marinen Umwelt gibt, ist die Datenlage zu Partikeln im Nanometerbereich bislang sehr schlecht. Der Hauptgrund sind technische Schwierigkeiten, die die Erfassung dieser extrem kleinen Partikel in Umweltproben bereitet. 

Die aktuellen Untersuchungen zeigen nun: Nanopartikel machen den größten Teil der Gesamtmasse des Plastiks im oberflächennahen Wasser des nördlichen Atlantiks aus. Auch wenn die Hochrechnung auf eine Gesamtmasse von 27 Millionen Tonnen Nanoplastik mit einer großen Unsicherheit behaftet ist, heißt das, dass wir die Gesamtmenge an Plastik in den Ozeanen bislang unterschätzt haben.

Das gilt umso mehr, als Informationen zu Nanopartikeln von Polyethylen und Polypropylen, den häufigsten Polymeren in der Meeresumwelt, noch fehlen. Die Tatsache, dass der größte Anteil des Nanoplastiks sich in der belebtesten Zone der Meere befindet, bedeutet, dass es zu zahlreichen Interaktionen mit Organismen kommen kann. Zu den biologischen Effekten von Nanoplastik wissen wir allerdings noch sehr wenig.

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