
© TU Braunschweig/Annkathrin Heinrich
Abriss nur als letztes Mittel: Altes erhalten – und sparen
Bahnbrücken, Sporthallen, Bürogebäude – Wissenschaftler wollen einst innovative Konstruktionen für die Nachwelt erhalten.
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Baudenkmäler gibt es viele – doch häufig bleibt bei Sanierungen nur die historische Fassade übrig und die einst innovative Konstruktion, die das besondere Bauwerk erst ermöglichte, wird einfach durch moderne Tragwerke ersetzt. Im Projekt „Kulturerbe Konstruktion“, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sollen nun Wege erarbeitet werden, um Bauten der Hochmoderne aus den Jahren 1880 bis 1970 samt ihrer einzigartigen Konstruktionen zu erhalten.
Etwa jene mehr als 100 Jahre alte stählerne Bahnbrücke über die Augustusburger Straße in Chemnitz, „die mit ihren vielen Details und Verzierungen stadtbildprägend war“, sagt Bauingenieurin Clara Jiva Schulte, Doktorandin an der TU Cottbus-Senftenberg. Doch sie wurde abgerissen und im vergangenen Jahr durch eine Stahlbetonbrücke ersetzt. Zwar hätte man die alte Brücke mit Stahllamellen verstärken und nur hochbelastete Felder austauschen können: Schulte hatte diese Sanierungsvarianten erarbeitet, durch die auch erheblich weniger Stahlbeton verbraucht worden wäre. Doch wirtschaftliche und technische Gründe sprachen dagegen.
Sinn für Baugeschichte fehlt
Bei der Sanierung der Hochbahnbrücke am Prenzlauer Berg in Berlin konnte durch den behutsamen Erhalt der 100 Jahre alten Konstruktion sogar Geld gespart werden: Im Jahr 2011 wurden von den 547 Brückenlagern mehr als 350 erhalten, indem der Korrosionsschutz erneuert wurde, nur 162 mussten durch einen verbesserten Nachbau ersetzt werden. „Brückenlager sind konstituierende Elemente für ein Denkmal“, sagt Werner Lorenz, Honorarprofessor für Bautechnikgeschichte an der TU Cottbus. „Wir haben durch den weitgehenden Erhalt mehrere Millionen Euro gespart.“ Man solle vorgefundene statisch-konstruktive Konzepte aufgreifen und verstärken statt sie zu verändern. „Sonst kann es schnell zu Folgeproblemen aus Unverträglichkeit des Bestandstragwerks und des Verstärkungstragwerks kommen“, sagt Lorenz.

© TU Bergakademie Freiberg/Volker Mende
Dass in die Jahre gekommene Brücken und anderen historische Konstruktionen oft eher abgerissen und neu gebaut werden, hat nach Lorenz‘ Erfahrung auch mit fehlender Kenntnis und Wertschätzung zu tun: „Bauingenieure lernen im Studium nichts über die Geschichte des Bauingenieurwesens. Es geht immer nur um Neubauten.“
So wurden beispielsweise von den 300 Sporthallen vom Typ „KT 60 L“ in der DDR, die seit 1969 vom VEB Metallleichtbaukombinat (MLK) Leipzig seriell produziert wurden, die meisten nach der Wende abgerissen. „Die Themen Ressourcenschonung und Energiesparen spielten damals leider keine große Rolle, außerdem stehen sie nicht unter Denkmalschutz“, bedauert Volker Mende, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Bergakademie Freiberg.
Facelift für Leichtbautyp
Eine dieser Sporthallen, die heute von der Freien Waldorfschule Magdeburg genutzt wird, wurde gerade saniert. „Der dort gewählte innovative Erhaltungsansatz kann Vorbild für den Umgang mit DDR-Typenbauten sein“, sagt Mende. Die Hallenform wurde beibehalten, aber die Dachkonstruktion so verändert, dass nach Regen und Schnee jetzt das Wasser ohne Probleme abfließt. Als Wetterschutz wurden Teile der Außenhülle mit einer Holzfassade ergänzt. Innen wurden die überalterten Sanitäranlagen erneuert, nichttragende Bauteile entfernt und die Unterdecke weggelassen. „Dieser Leichtbautyp hat viele Vorteile – man braucht weniger Beton und kann die Halle relativ einfach ab- und an einem anderen Ort wieder aufbauen“, sagt Projektmitarbeiterin Annkathrin Heinrich von der TU Braunschweig.
Mendes Arbeitsgruppe hat auch das MLK-Mehrzweckgebäude Typ Leipzig im Blick, das leicht montiert und als Verwaltungsbau, Wohnheim, Hotel oder Produktionsgebäude genutzt werden konnte. In der DDR und Polen waren die bis zu sechsgeschossigen Gebäude mit ihrer typisch farbigen Aluminiumfassade verbreitet. Mittlerweile wurden rund die Hälfte der einst 150 Standorte abgerissen, im vergangenen Jahr alleine drei Gebäude in Eberswalde. „Da konnte man nichts mehr instandsetzen.“ Aber immerhin habe sein Team beim Abbruch einen guten Einblick in die Konstruktion bekommen, sagt Mende: „Diese Erkenntnisse sind wichtig für den Erhalt anderer bedrohter Gebäude dieses Typs.“
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