
© dpa/Federico Gambarini
„Alarmierend gewöhnlich“: Die Menschheit überzieht ihren CO₂-Dispo
Die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten, soll schwere Klimaschäden weltweit verhindern. Doch in wenigen Jahren könnte dafür bereits zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre ausgestoßen werden.
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Um eine 50-50-Chance zu wahren, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürfen ab dem Jahr 2025 nur noch etwa 130 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre gelangen. Im Jahr 2020 lag dieses Emissionsbudget nach Berechnungen des Weltklimarats IPCC noch bei 500 Milliarden Tonnen.
Doch weltweit werden Jahr für Jahr weiterhin so viel Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt und so große Flächen entwaldet, dass das Budget in wenig mehr als drei Jahren verbraucht sein wird. Das geht aus einem neuen Bericht über Klimaindikatoren hervor, die anzeigen, wie erfolgreich bisherige Bemühungen sind, die beschlossenen Klimaziele der Vereinten Nationen auch zu erreichen.
„Nie dagewesene Geschwindigkeit“
„Die Klimapolitik und die Geschwindigkeit im Klimaschutz halten nicht mit dem Schritt, was erforderlich ist, um auf die stetig zunehmenden Auswirkungen zu reagieren“, resümiert der leitende Forscher Piers Forster von der britischen Universität Leeds.
Gemeinsam mit einem Team von 60 Forscherinnen und Forschern aus 17 Ländern veröffentlichte Forster jetzt in der Fachzeitschrift „Earth System Science Data“ die dritte Ausgabe des jährlichen Berichts, der die Politik zwischen den längerfristigen IPCC-Sachstandberichten aktuell informieren soll. „Sowohl die erreichten Temperaturen als auch die Geschwindigkeit der Erwärmung sind so bisher nie dagewesen“, sagt Forster.
Im Bericht heißt es zu den hohen Temperaturwerten des Jahres 2024, dass sie „alarmierend gewöhnlich“ seien. Die wichtigsten Befunde:
- Die globale Erwärmung erreichte im Jahr 2024 nach bester Schätzung 1,52 Grad. Davon sind 1,36 Grad auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen.
- Die vom Menschen verursachte Erwärmung hat von 2015 bis 2024 mit einer Rate von fast 0,3 Grad pro Jahrzehnt zugenommen. Die Rate hat sich gegenüber den 1970er und 1980er Jahren etwa verdoppelt.
- Die erhöhte Temperatur und die Erwärmungsrate sind darauf zurückzuführen, dass die globalen Treibhausgasemissionen in den letzten Jahren auf einem historischen Höchststand geblieben sind.
- Durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sowie durch Entwaldung wurden in den letzten zehn Jahren jährlich umgerechnet etwa 53 Milliarden Tonnen CO₂ ausgestoßen.
- Die Erwärmung hat zu Rekordtemperaturen an Land geführt, wo sie wesentlich stärker ist als im globalen Durchschnitt. Im vergangenen Jahrzehnt lag sie bei etwa 1,9 Grad.
- Zwischen 2019 und 2024 ist der Meeresspiegel um rund 26 Millimeter angestiegen. Damit hat sich die Rate des Meeresspiegelanstiegs seit Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als verdoppelt.
1,5-Grad-Ziel abgeschrieben?
Dass der globale Temperaturanstieg im Jahr 2024 die 1,5-Grad-Grenze überschritten hat, bedeutet nicht, dass das im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgehaltene Ziel damit hinfällig ist. Dazu müssten die globalen Durchschnittstemperaturen über mehrere Jahrzehnte hinweg mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen.
Doch die aktuellen Ergebnisse belegten erneut, wie weit und schnell sich die Emissionen von Treibhausgasen in die falsche Richtung entwickeln, heißt es in einer Mitteilung zum Bericht. Die Auswirkungen der Erwärmung würden erst dann aufhören, sich zu verschlimmern, wenn die Emissionen netto Null erreichen.
„Das Zeitfenster für die Begrenzung auf 1,5 Grad schließt sich rasch“, sagt Joeri Rogelj, Co-Autor des Berichts vom Imperial College London. Die globale Erwärmung beeinträchtige bereits das Leben von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Jeder Anstieg der Erwärmung mache sich bemerkbar und führe zu häufigeren und intensiveren Wetterextremen.
„Die Emissionen des nächsten Jahrzehnts werden darüber entscheiden, wie schnell die Erwärmung von 1,5 Grad erreicht wird“, sagt Rogelj. Sie müssten rasch gesenkt werden, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.
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