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Gegen Polio kann man geimpft werden – nun wurden in Deutschland wieder Polio-Wildviren im Abwasser nachgewiesen. (Symbolbild)

© Julian Stratenschulte/dpa

„Ausdruck der Rückschritte bei Impfkampagnen“: Erstmals wieder Polio-Wildviren im Abwasser nachgewiesen

Eigentlich kommen Polio-Wildviren nur noch in Afghanistan und Pakistan vor. In Deutschland wurden die Erreger, die zu Kinderlähmung führen können, lange nicht nachgewiesen. Nun gibt es einen Nachweis.

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Erstmals seit vielen Jahren sind in Deutschland wieder Polio-Wildviren vom Typ 1 nachgewiesen worden. Der Erreger, der zu Poliomyelitis – der sogenannten Kinderlähmung – führen kann, sei in einer Hamburger Abwasserprobe entdeckt worden, teilte die Gesundheitsbehörde der Hansestadt mit. Das Risiko für die Bevölkerung werde aufgrund der hohen Impfquoten und des isolierten Nachweises im Abwasser aber als sehr gering eingeschätzt.

Poliomyelitis oder kurz Polio kann laut Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit zu dauerhaften Lähmungen und Tod führen. Da der Kontakt damit meist im Kindesalter erfolgt, spricht man auch von Kinderlähmung. Weitere mögliche Symptome sind Fieber, Übelkeit, Hals-, Bauch-, Muskel- und Kopfschmerzen sowie Hirnhautentzündung.

Polio-Wildviren kommen laut der Behörde weltweit eigentlich nur noch in Afghanistan und Pakistan vor. Die letzte nachweislich in Deutschland durch Polio-Wildviren erfolgte Poliomyelitis-Erkrankung sei 1990 erfasst worden. „Die letzten beiden importierten klinischen Fälle wurden 1992 registriert“, heißt es in der Mitteilung der Gesundheitsbehörde. 

Genauer örtliche Bestimmung nicht möglich

Abwasserproben aus deutschen Großstädten würden fortlaufend durch das Robert Koch-Institut (RKI) und das Umweltbundesamt auf Polio-Viren untersucht. Die Probe mit dem positiven Befund stammt den Angaben zufolge von Anfang Oktober. 

„Da es sich um eine Abwassersammelprobe aus Hamburg und teilweise angrenzenden Bundesländern handelt, ist eine genaue örtliche Bestimmung, wo das Virus durch menschliche Ausscheidung in das Abwasser gelangte, nicht möglich.“ Auch lasse sich nicht sagen, ob eine oder mehrere Personen mit dem Virus infiziert sind.

Polio-Viren vom Typ 2 bereits mehrfach nachgewiesen

Bereits seit Ende vergangenen Jahres seien in Abwasserproben aus mehreren Orten in Deutschland Impfstoff-abgeleitete Polio-Viren des Typs 2 nachgewiesen worden. Eine Verbindung mit dem jetzt in Hamburg nachgewiesenen Wildtyp bestehe nicht, da es sich um unterschiedliche Typen von Polio-Viren handele.

Grundsätzlich könnten aber beide Polio-Viren-Typen bei Menschen, die nicht oder nicht ausreichend geimpft sind, Kinderlähmung verursachen, so die Behörde. In Deutschland und auch in Hamburg sei aufgrund der hohen Impfquoten aber von einer Herdenimmunität innerhalb der Bevölkerung auszugehen.

Auch das Bundesgesundheitsministerium hat betont, dass die Gefahr für die Bevölkerung sehr gering sei. „Die vollständige Impfung gegen Polio schützt zuverlässig vor einer Erkrankung“, teilte das Gesundheitsministerium mit. Grundsätzlich sollte der Impfstatus regelmäßig geprüft werden. „Der Nachweis von Polio-Wildviren in einer Abwasserprobe zeigt, dass die Surveillance funktioniert“, sagte ein Sprecher.

Die Grünen kritisierten dagegen Kürzungen bei der internationalen Krankheitsbekämpfung auch in Deutschland. „Dass es jetzt wieder einen Polio-Fall in Deutschland gibt, ist Ausdruck der international zu beobachtenden Rückschritte bei den Impfkampagnen“, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Paula Piechotta zu Reuters.

Die Grünen-Politikerin hob hervor, dass man den globalen Zusammenhang sehen müsse. „Jedes Mal, wenn aus politischen oder finanziellen Gründen ein Impfprogramm in einer Region der Welt scheitert, hat das Konsequenzen für Menschen auf der ganzen Welt, die nicht geimpft werden können und auf Herden-Immunität angewiesen sind“, sagte sie.

Der Fall müsse deshalb alle daran erinnern, dass etwa die Beiträge zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) notwendig seien, „um auch deutsche Kinder zu schützen“. Die geplante schrittweise Kürzung des Haushaltstitels zu Polio sei nur ein Teil der Problematik. „Insgesamt sind die Kürzungen der USA, Großbritanniens und Deutschlands bei den WHO-Zuwendungen in ihrer Gesamtheit fatal.“ (dpa/Reuters)

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