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Ausstoß von Treibhausgasen nimmt 2024 weiter zu: Positive Trends schlagen noch nicht durch
Die Menge von CO₂, die noch freigesetzt werden kann, ohne Klimaschutzziele zu verfehlen, schwindet zusehends. Eine Erhebung zeigt, was den Aufwärtstrend der Emissionen umkehren könnte.
Stand:
Bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas wird mehr Kohlendioxid (CO₂) freigesetzt, als je zuvor. Laut des am Mittwoch veröffentlichten „Global Carbon Budget 2024“ (Globales Kohlenstoffbudget 2024) gelangen im laufenden Jahr voraussichtlich 37,4 Milliarden Tonnen des Treibhausgases in die Atmosphäre. Das sind 0,8 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2023.
Zusammen mit 4,2 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO₂, die durch Landnutzungsänderungen, vor allem Entwaldung, freigesetzt werden, ergibt sich ein Gesamtausstoß von 41,6 Gigatonnen – eine Milliarde Tonnen mehr als im vergangenen Jahr.
Was bedeutet das für Klimaziele?
„Es gibt also noch kein klares Anzeichen für einen Peak der fossilen Emissionen“, sagte Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und Co-Autorin des Berichts. Nach der Delle durch die Corona-Pandemie steigt die Kurve der Emissionen seit 2020 wieder stetig an.
„Wir haben noch ungefähr 235 Milliarden Tonnen CO₂, die wir emittieren dürfen“, sagt Co-Autorin Julia Pongratz von der Universität München zur Einhaltung des global vereinbarten Ziels, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Bei der Größenordnung des derzeitigen Gesamtausstoßes entspricht das einer Zeit von etwa sechs Jahren. „Dann sind wir über das Ziel hinausgeschossen“, sagt die Geografin.
Für Begrenzungen auf 1,7 oder zwei Grad Erwärmung verlängert sich die verbleibende Zeit auf 14 oder 27 Jahre, doch bis dahin muss die Weltgemeinschaft ihren CO₂-Ausstoß auf unterm Strich Null bringen.
„Die Zeit läuft ab, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen“, sagt der leitende Autor des Berichts, Pierre Friedlingstein vom britischen Global Systems Institute in Exeter. Die Staats- und Regierungschefs, die sich auf der Weltklimakonferenz in Baku treffen, müssten die Emissionen fossiler Brennstoffe schnell und tiefgreifend senken. „Bis wir global Netto-Null-Emissionen erreichen, werden die Temperaturen weiter ansteigen und immer größere Schäden anrichten“, so Friedlingstein.
Es gibt Teilerfolge
„Trotz eines weiteren Anstiegs der globalen Emissionen in diesem Jahr zeigen die neuesten Daten Beweise für weit verbreitete Klimamaßnahmen“, sagt Co-Autorin Corinne Le Quéré von der britischen University of East Anglia. Durch die zunehmende Verbreitung von erneuerbaren Energien und Elektroautos würden fossile Brennstoffe verdrängt. Zudem seien zum ersten Mal seit Jahrzehnten abnehmende Emissionen aus der Entwaldung bestätigt worden.
Klimaschutzmaßnahmen mindern den Ausstoß verschiedener Länder und Quellen:
- Chinas Emissionen (rund ein Drittel des globalen Gesamtausstoßes) werden voraussichtlich nur geringfügig um 0,2 Prozent ansteigen. Die berechnete Spanne enthält auch einen möglichen Rückgang der Emissionen.
- Die Emissionen der USA (etwa ein Achtel des Gesamtausstoßes) werden den Projektionen zufolge um 0,6 Prozent zurückgehen, die Emissionen der Europäischen Union (sieben Prozent des weltweiten Gesamtvolumens) voraussichtlich um 3,8 Prozent.
- Die Zementemissionen (vier Prozent des weltweiten Ausstoßes) werden den Projektionen zufolge durch Einsparungen in China, den USA und Europa um 2,8 Prozent zurückgehen. In Indien und unterm Strich im Rest der Welt nehmen sie zu.
- Die Emissionen aus der internationalen Luft- und Schifffahrt (drei Prozent des globalen Gesamtwerts) werden den Projektionen zufolge um 7,8 Prozent zunehmen, bleiben aber unter dem Niveau vor der Pandemie.
- Die Emissionen aus Landnutzungsänderungen sind in den letzten zehn Jahren weltweit um ein Fünftel zurückgegangen, werden aber 2024 voraussichtlich wieder ansteigen. Die CO₂-Aufnahme durch neue Wälder gleicht etwa die Hälfte der Entwaldungsemissionen aus.
- Ökosysteme an Land und die Ozeane nehmen weiterhin etwa die Hälfte der gesamten CO₂-Emissionen auf, obwohl sie vom Klimawandel negativ beeinflusst werden.

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„In China sehen wir eine Abnahme der Emissionen von Öl“, berichtet Hauck aus dem bislang nur als Vorabdruck des Journals „Earth System Science Data“ veröffentlichten Report. Das Autorenteam führt das auf die voranschreitende Mobilitätswende zugunsten der Elektromobilität zurück. „Die Ölemissionen in China haben vermutlich den Wendepunkt erreicht“, sagt die Forscherin. Dies müssten die Daten der nächsten Jahre allerdings noch bestätigen.
Energiebedarf ist stark gewachsen
Weltweit hat der Verbrauch aller fossilen Energieträger zugenommen: Kohle um 0,2, Öl um 0,9 und Gas um 2,4 Prozent. Der Energiebedarf nimmt stärker zu als der Beitrag der erneuerbaren Energien, etwa aus Photovoltaik und Windkraft.
„Der Energiehunger steigt deutlich“, sagt Niklas Höhne. Der Leiter des New Climate Institute in Köln nennt Indien als Beispiel. In dem Land haben die Emissionen 2024 deutlich, um 4,6 Prozent, zugenommen. „Der Energieverbrauch steigt da besonders wegen des hohen Kühlbedarfs.“ Die Erwärmung mit teils extremen Hitzewellen treibt den Energiebedarf, der teils mit erneuerbaren, aber auch mit fossilen Energien gedeckt wird. „Der Zuwachs der Erneuerbaren in den vergangenen Jahren wird vom Mehrverbrauch aufgefressen“, so Höhne.
Der Experte weist jedoch darauf hin, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien bislang regelmäßig die Erwartungen der Forschenden übertrifft. „Das ist eine exponentielle Entwicklung, die sehr schnell die Entwicklung der fossilen Energien übertreffen und sie aus dem Markt drängen wird.“ Mit den extrem hohen Emissionen würde derzeit aber das Restbudget von Emissionen zu schnell aufgebraucht. „Das ist nicht gut, aber die Trendwende ist in Sicht“, sagt Höhne. „Da müssen wir eben dranbleiben.“
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