
© NASA/Tracy Dyson
„Ständige Kollisionsgefahr“: Treibhausgase sorgen für mehr Weltraumschrott – und gefährden Satelliten
Der ungebrochen zunehmende CO₂-Ausstoß der Menschheit wirkt nicht nur auf den Erdboden. Einer Studie zufolge beeinflusst er auch die maximal mögliche Anzahl von Satelliten auf Erdumlaufbahnen.
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Der Klimawandel hat einer Studie zufolge einen Einfluss auf die Anzahl der Satelliten, die sich mit tragbarem Risiko in Erdumlaufbahnen betreiben lassen. Der Grund dafür sei, dass sich mit zunehmendem Anteil von Kohlendioxid (CO₂) in der höheren Atmosphäre deren Dichte verringere. Deshalb könne dort weniger Weltraumschrott verglühen und dieser eine Gefahr für Satelliten werden.
Bei weiterhin sehr hohen Treibhausgas-Emissionen könnte sich die Satellitenkapazität im Erdorbit bis 2100 dem Modell zufolge um 66 Prozent verringern. Das Team um William Parker vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) präsentiert seine Studie im Fachjournal „Nature Sustainability“.
Kaskadierende Trümmerentstehung
Die meisten Satelliten fliegen in Höhen von 200 bis 1000 Kilometern um die Erde. Die internationale Raumstation hat eine Bahnhöhe von etwa 400 Kilometern. Parker und Kollegen simulierten nun, wie sich die Thermosphäre, die bis in eine Höhe von 600 Kilometern reicht, durch verschiedene Szenarien im Zuge des Klimawandels verändert.
Während CO₂ in der unteren Atmosphäre zu einer Erwärmung der Luft führt, hat es nach Forscherangaben in höheren Schichten wie der Mesosphäre in etwa 50 bis 85 Kilometer Höhe über dem Erdboden und der Thermosphäre (ca. 85 bis 600 Kilometer) eine kühlende Wirkung. Denn es strahle einen Teil der in den hohen und dünnen Luftschichten vorhandenen Wärme als Infrarotstrahlung ins Weltall ab. Mehr CO₂ in der unteren Thermosphäre führe daher zu einer stärkeren Kühlung.
Die Thermosphäre ziehe sich daher zusammen, verlagere sich also stärker in Richtung Erdoberfläche. Für ein Objekt über dem verdichteten Teil der Thermosphäre, also beispielsweise in 300 Kilometern Höhe, sorge dies für eine geringere Luftdichte. „Eine abnehmende Dichte verringert den Luftwiderstand von Trümmern und verlängert ihre Lebensdauer im Orbit, was eine ständige Kollisionsgefahr mit Satelliten darstellt und die Gefahr einer kaskadierenden Entstehung weiterer Trümmer birgt“, schreiben die Studienautoren.
Sonnenaktivität und Schrottdichte
Eine wichtige Rolle bei den Berechnungen spielt die Sonnenaktivität, die einem elfjährigen Zyklus unterliegt. So erreicht bei einem Höchststand der Sonnenaktivität erheblich mehr energiereiche Strahlung die obere Atmosphäre als bei einem Sonnenminimum. Beim Sonnenmaximum dehnt sich die Thermosphäre aus, beim Minimum zieht sie sich zusammen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Dichte des Weltraumschrotts.
Der Astrophysiker Donald Kessler warnte bereits 1978 davor, dass die Raumfahrt für künftige Generationen gefährlicher wird, weil durch zufällige Zusammenstöße von Trümmerteilen mehr Trümmerteile entstehen. Nach Angaben der US-Weltraumbehörde Nasa gibt es im Erdorbit mehr als 100 Millionen Trümmerteile, die größer als einen Millimeter sind, rund 25.000 Teile davon haben eine Größe von mehr als zehn Zentimetern.
Das Team um Parker simulierte die Auswirkungen, die ein verringerter Luftwiderstand auf die Entwicklung der Dichte der Schrottteilchen hat. Bei weiterhin sehr hohen Treibhausgas-Emissionen würde sich den Simulationen zufolge die Kapazität der Satelliten im Orbit zwischen 200 und 1000 Kilometern Höhe während des Sonnenminimums um 66 Prozent gegenüber heute reduzieren.
Dichte hat bereits abgenommen
In der Höhe von 400 bis 1000 Kilometern, die heute überwiegend genutzt wird, würde der Rückgang sogar 82 Prozent betragen. Dann könnten nur noch 148.000 Satelliten sicher betrieben werden. Zum Vergleich: Allein die Firma SpaceX hat für Ihr Starlink-Netzwerk insgesamt rund 30.000 Satelliten eingeplant.
SpaceX sorgt schon jetzt für viel Weltraumschrott. Nach Angaben der Plattform Spaceweather.com zerfielen allein im Januar rund 120 Starlink-Satelliten in der Erdatmosphäre. Mit dem Verglühen verschwinden die Trümmerteile jedoch nicht komplett.
Einer Studie vom Juni 2024 in „Geophysical Research Letters“ zufolge entstehen beim Verglühen eines 250 Kilogramm schweren Satelliten etwa 30 Kilogramm Aluminiumoxid-Partikel. Sie sorgen demnach für den Abbau von Ozon, was einmal zu einer Ausdünnung der Ozonschicht führen könnte, die schädliche Ultraviolettstrahlung aus der Sonnenstrahlung filtert.
Die Projektionen des Teams um Parker für die Thermosphärendichte seien glaubwürdig, kommentiert Ingrid Cnossen, die am British Antarctic Survey in Cambridge zur oberen Atmosphäre forscht. „In der Forschungsgemeinschaft ist es weitgehend anerkannt, dass erhöhte Treibhausgaskonzentrationen die obere Atmosphäre abkühlen und dazu führen, dass sie sich zusammenzieht.“
Daraus folge eine Verringerung der atmosphärischen Dichte in den Höhen der Satelliten. „Beobachtungen zeigen, dass diese langfristige Abnahme in den letzten etwa 50 Jahren in Höhen zwischen 250 und 575 Kilometer bereits stattgefunden hat.“ In einer weniger dichten Atmosphäre erhöhe sich die Ansammlung von Weltraumschrott, was natürlich das Kollisionsrisiko erhöhe. „Das bedeutet, dass die langfristige Abnahme der Dichte der oberen Atmosphäre ihre Kapazität zur Aufnahme von Satelliten verringert“, bestätigte Cnossen. (dpa)
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